30 Jul 2019 Mode global: über Konsumkritik, Schulworkshops und das Leben in einer internationalen WG
Heute lest ihr einen Gastbeitrag von Sora, die 2018 beim Incoming Schulprojekt des Service Civil International „Let’s talk about Fashion! – Global Challenges & Perspectives“ mitgemacht hat. Vier Wochen lang hat sie intensiv zum Thema Mode gearbeitet, mit Menschen aus verschiedenen Ländern gelebt und Workshops zum Thema an Kölner Schulen gebracht. Lest selbst!
Bunt, schillernd, individuell und kreativ – das sind die Assoziationen, die die meisten Menschen mit Mode verbinden. Dass zu der heutigen Textil- und Bekleidungsindustrie aber auch Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung und Tonnen an Altkleidern gehören, ist vielen Menschen nicht bewusst. Deshalb haben wir, die Teilnehmer*innen des diesjährigen Incoming School Projects, uns mit der Industrie und ihren globalen Herausforderungen auseinandergesetzt: um die Perspektive zu wechseln, einen neuen Blickwinkel zu entwickeln und gegen diese Missstände zusammen aktiv zu werden.
Vier Wochen durften wir gemeinsam verbringen und uns unter dem Motto „Let’s talk about Fashion! Global Challenges & Perspectives“ austauschen. Wir stellten uns nicht nur gegenseitig die jeweiligen Bekleidungstraditionen unserer Herkunftsländer vor, sondern reflektierten auch über unseren eigenen Bekleidungskonsum, lernten viel über die Herausforderungen der globalisierten Bekleidungsindustrie, diskutierten mögliche Lösungsansätze und hatten anschließend im Rahmen von Workshops an Kölner Schulen auch die Möglichkeit aktiv zu werden.
Als bunt gemischte Gruppe mit Teilnehmer*innen aus Mexiko, Ecuador, Bolivien, Südafrika, Zimbabwe, Ghana, Malaysia, Sri Lanka, Kambodscha, Palästina und Deutschland diskutierten wir während des ganze Projekts über die Perspektiven des globalen Südens in Bezug auf die globale Bekleidungsindustrie. Auch in Bezug auf viele andere Themen entstanden tolle Gespräche, sodass wir Vorurteile und Stereotype schnell abbauen und Erfahrungen austauschen konnten.
Verschiedene Blickwinkel auf das Thema Mode
Das Projekt an sich bestand aus zwei Teilen: In den ersten 10 Tagen sahen wir hinter die Kulissen der globalen Modeindustrie. Wir lernten exemplarisch die Reise einer Jeans kennen und welche sozialen und ökologischen Folgen mit deren Produktion verbunden sind, diskutierten über den globalen Second-Hand-Markt und wurden uns der Komplexität des Themas bewusst, als wir in einem Rollenspiel über Lösungsmöglichkeiten debattierten. Eine Teilnehmerin aus Mexiko berichtete über die Problematik der kulturellen Aneignung in indigenen Gemeinden in Mexiko. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Trainings war die Reflexion des eigenen Konsumverhaltens und das Kennenlernen von alternativen Geschäftsmodellen in Köln: Im Rahmen eines konsumkritischen Stadtrundgangs lernten wir Gründerinnen einer Kleiderleihbibliothek, eines Second-Hand-Stores und eines Unverpackt-Ladens kennen. In Bonn besuchten wir außerdem eine Kleidertauschparty – ein Konzept von dem einige Teilnehmerinnen so begeistert waren, dass sie es auch in ihren Heimatländern umsetzen möchten.
Im zweiten Teil des Projekts ging es um die Konzeption und Durchführung von Workshops im Kölner und Bonner Raum. In Teams kreierten wir Workshops aus den Informationen und Methoden, die wir in den letzten 10 Tagen kennengelernt hatten. Entsprechend der individuellen Interessen und Kenntnisse der Gruppenmitglieder entstanden so verschiedene Workshops zu den Themen „Textile Lieferkette“, „Konsumverhalten und Konsumalternativen“, „Menschenrechtsverletzungen entlang der textilen Kette“ und „Second Hand-Markt“.
Mode global als Thema in der Schule
Mit unserem Workshop- und T-Shirt-Slogan „Fast Fashion is not for free. Someone somewhere has to pay” gingen wir dann an die Schulen, um unser Wissen weiterzugeben, die Welt der Schüler*innen auf den Kopf zu stellen und sie selbst zum Nachdenken und Hinterfragen anzuregen.
Die Workshops führten wir an insgesamt 8 Gesamt- und Berufsschulen sowie Gymnasien mit Schüler*innen der Altersstufe 14 – 18 Jahren durch. Jeder Workshop war einzigartig. Viele Schüler*innen waren von ihren Lehrer*innen bereits über die Missstände in der Industrie aufgeklärt worden, sodass tiefergehende Diskussionen möglich waren, für andere Schüler*innen waren die Themen neu. In allen Workshops war jedoch ein großes Interesse für die Kulturen und Perspektiven der Teilnehmer*innen des globalen Südens vorhanden. Viel positives Feedback erhielten wir von den Schüler*innen außerdem für unsere gut gelaunte und offene Art sowie für unsere – vergleichsweise – informellen Workshopmethoden wie Energizer, Videos & Quizspiele.
Leben in einer internationalen WG
Für mich persönlich war es außerdem spannend, Köln und die deutsche Infrastruktur mit den internationalen Teilnehmer*innen zu erleben, vermeintlich selbstverständliche und gewohnte Dinge mit ganz anderen Augen zu betrachten und eine andere Perspektive darauf zu bekommen. Vor allem das öffentliche Verkehrssystem, aber auch das deutsche Schulsystem, der Umgang mit Verpackung & Mülltrennung oder die Preise und das Sortiment der Lebensmittel in Supermärkten waren oft Teil von Gesprächen & Diskussionen. Aber nicht nur die unterschiedlichen Herkunftsländer, sondern auch die diverse Altersstruktur der Gruppe trug zu einem interessanten Austausch bei. Gerade durch die gemeinschaftliche Wohnsituation im Seminarhaus der sozialistischen Selbsthilfe Köln-Mühlheim waren wir gefordert uns selbst und den Haushalt zur organisieren, miteinander zu kochen und unsere Freizeit gemeinsam zu gestalten. Und auch wenn der Putzplan – wie in jeder großen WG – immer wieder zu Diskussionen geführt hat, so hat uns die Wohnsituation im Großen und Ganzen vor allem zusammengeschweißt. Wir waren eben nicht nur Seminarteilnehmer*innen füreinander, sondern auch Mitbewohner*innen, Arbeitskolleg*innen und in erster Linie Freund*innen. Kein Wunder also, dass wir schnell die Rollen in der Gruppe und die dazu passenden, liebevollen Spitznamen verteilt hatten: Mama, Model & Madam waren nur ein paar der Spitznamen, die nach kürzester Zeit kursierten.
In unserer Freizeit erkundeten wir zusammen Köln, allen voran den Dom und das Brühler Schloss, lernten das Kölner Nachtleben kennen, erholten uns in der Sonne am Rhein oder entspannten uns beim Filmeabend oder beim gemeinsamen Kochen & Essen. An einem Wochenende durften wir auch auf einem kleinen Bauernhof, dem Stallgespräch in Alfter bei Bonn, aushelfen, Äpfel pflücken und mosten, Stroh stapeln und kleine Kunstwerke mit Schafen und Ziegen einüben.
Das Ziel also, die Perspektive zu wechseln, die Welt aus anderen Augen zu betrachten und den Horizont zu erweitern ist uns im Austausch mit den Schüler*innen aber vor allem auch innerhalb unserer Gruppe definitiv gelungen.
Wenn du jetzt Lust bekommen hast, selbst an einem solchen Schulprojekt teilzunehmen: Das ist deine Chance! Denn ab dem 10. September startet das neue Projekt. Mehr dazu hier!
Die Bildrechte liegen beim SCI International Deutscher Zweig e. V.
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