Gibt es eine Zukunft für unsere Erde und wie könnte sie aussehen? Teil 2

Nachdem ich im letzten Teil das Prinzip der Narrative erklärt und kurz angerissen habe, möchte ich nun auf meine persönlichen Favoriten etwas genauer eingehen. Beginnen möchte ich mit dem Gerichtsnarrativ:

Das Gerichts-Narrativ

Wie bereits im ersten Teil erwähnt, befinden wir uns im Anthropozän-Zeitalter, dem Zeitalter, in dem der Mensch begonnen hat, die Welt massiv und zumeist unumkehrbar zu verändern. Es gibt verschiedene Überlegungen, ab wann das Anthropozän begonnen hat, wobei mittlerweile ein Großteil der Expert*innen für die Freisetzung von Radionukliden infolge des Tests und des Einsatzes von Atombomben seit 1945 plädieren. Wichtig bei der Festlegung einer neuen Zeitgrenze ist für die Geologie die globale Nachweisbarkeit einer markanten Veränderung in den Strata, den Gesteinsschichten und -sedimenten.

Eine maßgebliche Methode ist die Bestimmung des genauen Zeitpunkts einer solchen Änderung. Dieser wird mit der ersten Detonation der Trinity-A-Bombe in New Mexico am 16. Juli 1945 bestimmt, in deren Folge sich der radioaktive Fall-Out schnell über den ganzen Erdball verbreitet hat.

In einem Punkt sind sich die meisten Vertreter*innen der Anthropozän-Theorie einig, und zwar darin, dass die Hauptverantwortung bei den Industrienationen des Globalen Nordens und ihren „technokratischen Eliten“ liegt. Peter Sloterdijk spricht in dem Zusammenhang von einem „Eurozän“ oder auch „Technozän“.

Zu Wissen, wer Schuld hat, reicht nicht

Die Frage der Verantwortung ist für das Gerichtsnarrativ deshalb von so großer Bedeutung, da es nicht nur darum geht, wer Schuld hat, sondern auch darum, wer es wieder gut machen muss. Bisher hält sich die Behauptung, dass die Menschheit als ganzes die Natur unabsichtlich zerstört hat und es somit auch keine verantwortliche Gruppe geben kann. Diese allgemeine Ignoranz der Verantwortung führt lediglich zur Lethargie – niemand hat Schuld, also tut auch niemand etwas.

Die Wissenschaftshistoriker Christophe Bonneuil und Jean-Baptiste Fressoz haben in einem gemeinsamen Artikel (Downloadlink) herausgearbeitet, dass Wissenschaftler*innen und Technolog*innen früherer Zeiten durchaus gewusst haben, was sie anrichten. Wir sind also auch nicht besser, nur weil wir den Schaden, den wir anrichten, anerkennen. Das ist gleichzeitig auch das Problem des Gerichtsnarrativs – nur zu wissen, wer den Schaden angerichtet hat, wird diesen nicht beheben.

Das große Transformations-Narrativ

Das Narrativ der großen Transformation liefert im Gegensatz zum Gerichtsnarrativ bereits direkte Lösungsvorschläge. Für Anhänger*innen dieser Theorie ist ein Abwenden des nahenden „Weltuntergangs“ noch möglich – wenn schnell und entschlossen gehandelt wird.  Das Transformationsnarrativ ist als ethisch-politischer Kollektivauftrag zu verstehen, mit dem Ziel, den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu ermöglichen – gleichzeitig gibt es den aktuellen Generationen Hoffnung und davon brauchen wir so viel, wie wir kriegen können.

Nicht nur der Globale Norden darf bestimmen

Dafür muss aber zunächst die Umweltzerstörung radikal vermindert und schließlich gänzlich gestoppt werden. Außerdem muss durch effizientere Technologie ein nachhaltiges Leben ermöglicht werden. Ohne eine massive Verminderung des Konsumverhaltens weltweit wird dies allerdings nicht möglich sein.

Zusätzlich muss eine technologische Förderung des Globalen Südens erfolgen – um die dortigen Technologien effizienter und umweltschonender zu machen. Dabei muss jedoch auch das ökonomische Wachstumsrecht dieser Nationen berücksichtigt werden. Schließlich haben die Industrienationen des Globalen Nordens durch jahrelange Ausbeutung ihren Anteil dazu beigetragen, dass diese Nationen technologisch im Nachteil sind. Man kann nicht erst die Entwicklung verschiedener Länder massiv bremsen und sich an ihnen bereichern und dann im gleichen Maße Verzicht einfordern.

Eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Transformationsnarrativs ist eine konstante Förderung der globalen Demokratisierung, damit die Maßnahmen nicht nur von den Industrienationen des Globalen Nordens bestimmt werden.

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Der Mensch muss anfangen seine Umwelt wie seinen eigenen Garten zu betrachten und zu pflegen und darf sie nicht, wie bisher, als etwas Fremdes und Außenstehendes ansehen. Das Transformationsnarrativ möchte das Konzept des Anthropozäns positiv gestalten. Es akzeptiert zum einen unsere Rolle in der bisherigen Vernichtung der Welt und versucht gleichzeitig dieses Vernichtungspotential in etwas Schöpferisches zu Verwandeln – als würde man Sauron zu Urban Farming überreden wollen. Vielleicht alles in allem etwas zu sehr Wunschdenken, aber die Alternative bedeutet Verzweiflung.

Im dritten und letzten Teil dieses Beitrags möchte ich versuchen einen Vorschlag zu formulieren, der zwar immer noch hoffnungsstiftend ist, aber etwas realitätsbezogener als das Transformationsnarrativ.

Bis dahin

Euer Basti


Teil 1 des Beitrags lest ihr hier und Teil 3 hier.

Foto von NASA auf Unsplash

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