12 Nov 2019 Thursday for Future – ein Nachhaltigkeitstag in der Berufsschule
Schon öfter konntet ihr bei uns vom Projekt Grenzenlos lesen, das Nachhaltigkeitsthemen in die (berufliche) Schule bringt. Heute berichtet Imke Deking von einem besonderen Tag an ihrer Münchner Berufsschule. Viel Spaß beim Lesen!!
Dieses Schuljahr steht in der Abteilung der Personaldienstleistungskaufleute an der Städtischen Berufsschule für Versicherungs- und Personalwesen München unter dem Thema „Nachhaltigkeit“. Begonnen hatte es bei den zwölften Klassen mit einem Kleidertauschbazar, dem jetzt regelmäßige Kleidertauschbörsen folgen.
In der 11. Klasse nahmen wir uns jetzt einen ganzen Tag, um unterstützt von Referent*innen des World University Service – WUS – das Thema Nachhaltigkeit zu vertiefen.
Rose Nkeng Ntou’k aus Kamerun hatte gleich zwei Themen im Gepäck: nachhaltiges afrikanisches Kochen und die Frage: „Wie nachhaltig ist mein Handy?“.
Schnippeln für die ganze Schule
Da es sich ergab, dass wir am gleichen Tag in einem großen Festakt zur „Grenzenlos-Schule“ des World University Services zertifiziert wurden, hatten wir das ehrgeizige Ziel, die Festgäste auch an unserem afrikanischen Essen teilhaben zu lassen. Das bedeutete, dass die Kolleginnen Frau Allam-Spindler, Frau Deking, Frau Konrad mit Unterstützung ihrer Tochter und Frau Schmid sich schon weit vor Schulbeginn einfanden, um mit Rose Nkeng Ntou’k die Gerichte „Haricots sautés“, „Bananes platains“ und „Purée d’avocats“ vorzubereiten. Auch etliche Schüler*innen waren hochmotiviert schon sehr früh anwesend und schnippelten was das Zeug hielt. Dankenswerterweise wurde das Essen vom Referat für Bildung und Sport als Kulturprojekt finanziell unterstützt!
Zum regulären Unterrichtsbeginn hatten die beiden Referent*innen Rose Nkeng Ntou’k und Navigué Soro dann die Gelegenheit, uns mit ihrem abwechslungsreich vorbereiteten Unterricht zu begeistern. Die Elektrotechnikerin Rose, die gerade ihre Bachelor in Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule in Rosenheim erfolgreich abgeschlossen hat, berichtete zunächst von ihrer Schulzeit in Kamerun, ihren persönlichen Interessen – wer hätte es erwartet: Kochen und Backen – und ihrem Weg so perfekt Deutsch zu lernen, wie sie es heute neben sechs weiteren Sprachen beherrscht.
Als nächstes stellte sie sich als Grenzenlos-Aktive für den World University Service vor. Sie erklärte in diesem Zusammenhang auch noch kurz die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für die Agenda 2030, deren Verbreitung und Umsetzung sich der World University Service auf die Fahnen geschrieben hat.
Gibt es so etwas wie nachhaltige Handys?
Dann ging es zum eigentlichen Thema: der Nachhaltigkeit von Handys. Hier konnte Rose ihre Technik-Expertise mit den Sustainable Development Goals (SDGs) GOOD HEALTH AND WELL-BEING, DECENT WORK AND ECONOMIC GROWTH, REDUCED INEQUALITIES und RESPONSIBLE CONSUMPTION AND PRODUCTION in Verbindung bringen.
Nach der interaktiven Erarbeitung des Herstellungswegs und der Inhaltsstoffe eines Handys zeigte sie einen kurzen Film über Kinderarbeiter im Kongo, die Kobalt schürfen. Wir waren ziemlich betroffen und meinten, dass man sich hier weit weg in Deutschland der Illusion hingebe, dass man damit nichts zu tun habe und nicht wahrnehme, dass unsere relativ günstigen Handys auf Kosten von Kindern produziert würden, die ohne Kindheit und Bildung aufwachsen.
Daraufhin überlegten wir uns verschiedene Vorschläge zur Lösung dieser Misere – zum Beispiel Kartelle für höhere Handypreise, weniger Handynutzung und Spenden für diese Kinderarbeiter, damit sie dem Teufelskreis entkommen können.
Ein weiterer Filmtrailer, zum Dokumentarfilm „Welcome to Sodom“ DEIN SMARTPHONE IST SCHON HIER über den Weg unseres Elektroschrotts zu Europas größter Müllhalde in Afrika, sensibilisierte uns weiter für die globalen Auswirkungen unseres Handykonsums. Die Verlierer der digitalen Revolution, die im Elektroschrott nach Wertstoffen suchen, machten uns kurz sprachlos. Schließlich bemerkte ein Schüler, dass man einfach nicht daran denke, wenn man sein Handy weggebe, dass es an so einem Platz lande, wo Menschen verzweifelt versuchen, dem Müll eine Existenz abzuringen.
In einem Planspiel versuchten wir dann Lösungsmöglichkeiten zu finden. Es gibt ja doch Möglichkeiten: faire Handys kaufen, Handy länger nutzen, indem man den Akku tauscht oder sie reparieren, wenn es noch möglich ist.
Eine weitere Möglichkeit, nachhaltig mit Handys umzugehen, ergriffen wir gleich beim Schopf: Wir wollen eine Handysammelaktion starten, die Kindern und Familien im Kongo zugutekommen soll.
Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule: die Zertifizierung als Grenzenlos-Schule
Nach der Lehrortkooperation, die von einem echten Feueralarm unterbrochen wurde und den Referent*innen viel Flexibilität abverlangte, ging es dann wieder zur Vorbereitung unseres afrikanischen Essens.
In letzter Sekunde schafften wir es mit vereinten Kräften, eine Kostprobe des Essens für die Festgäste der folgenden Veranstaltung bereit zu stellen und gerade noch rechtzeitig zum Festakt zu escheinen.
Beim Festakt zur Zertifizierung als Grenzenlos-Schule nahm der Klassensprecher unserer Klasse PD 11 A, Alexander Berger, spontan die Gelegenheit wahr, den Festgästen zu erläutern, was die PDK im Rahmen der Nachhaltigkeit bereits auf die Beine gestellt hat und im Weiteren angehen wird. Die Unterstützung des Frauenhauses in Neuperlach durch Kleider- und Spielzeugspenden gehöre unter anderem dazu. Sein überzeugender Beitrag war einen tosenden Applaus wert.
Nachhaltig und international gestärkt ging es nach dem Mittagessen dann in die nächste Lehrortkooperation mit Navigué Soro.
Kinderarbeit im Kakaoanbau und der Cashewproduktion
Navigué stellte sich zunächst mit eigenen Kinderbildern vor. Er erzählte uns von seiner Schul- und Studienzeit in der Elfenbeinküste – aber erst nachdem wir feststellen mussten, dass es sehr schwierig war, ihn in seiner Grundschul- und Abiturklasse zu „orten“.
Mit einem Zahlenquiz testete er dann unser Vorwissen im Bereich Kakao– und Cashewproduktion, um uns danach einen kurzen Abriss über die Kakaoproduktion zu geben. Durch einen Kurzfilm wurde uns klar, dass es heute noch Kinderarbeit und sogar Kindersklaven gibt. Diese erschreckende Erkenntnis wurde nur ein wenig gemildert, als in dem Filmbeitrag auch ein deutscher Schokoladenproduzent zu Wort kam, der nachhaltige Projekte in der Elfenbeinküste begleitet hat. Navigué zeigte uns dann Fotos, die uns erkennen ließen, dass er Teil dieser deutschen Delegation war und Eindrücke aus erster Hand gewinnen konnte.
Der Cashewanbau wurde dann ebenfalls durch einen Film visualisiert. Es ging um ein positives Beispiel von Kooperativen, die einen größeren Teil der Wertschöpfungskette im Land belassen. Danach vollzogen wir in zwei Gruppen den Produktionsprozess der beiden Produkte nach und erklärten ihn uns noch einmal kurz gegenseitig.
Schließlich wurde das Thema Fair Trade und weitere Nachhaltigkeitssiegel eingeführt, als Lösungsmöglichkeit, um die Hersteller von Cashewnüssen und Kakao global fair zu behandeln.
Alles hat seine zwei Seiten, wurde uns dann wieder bewusst, als wir nach einer Diskussion die Vor- und Nachteile von Fairem Handel festhielten. Doch wir nehmen mit, dass wir viel Gutes tun und für mehr globale Gerechtigkeit sorgen können, wenn wir uns als Konsument*innen für faire Lösungen entscheiden.
Bildrechte bei WUS/BSV-MUC, Deking 2019
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