Menstruation, Bild von Erol Ahmed auf Unsplash

Der Menstrual Hygiene Day oder warum wir mehr über Menstruation reden sollten

Seine Periode haben, menstruieren, seine Tage haben– das alles sind Begriffe, die dasselbe meinen, nur unterschiedlich direkt thematisieren: Frauen* bluten einmal monatlich für durchschnittlich eine Woche, da die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen wird, wenn sich keine befruchtete Eizelle darin befindet. So, jetzt ist es raus. War gar nicht so schwer auszuschreiben.

Billige oder gar kostenlose Periodenprodukte, Stars, die in der Öffentlichkeit mit Blutflecken auf der Hose auftreten – es scheint sich etwas zu tun in der Welt der Menstruation. Heute, anlässlich des „Menstrual Hygiene Day“, möchten wir mit euch einen Blick auf das Thema Menstruation in der ganzen Welt werfen. 

In unserem Artikel von letztem September haben wir euch bereits umweltfreundliche Menstruationsprodukte vorgestellt. Doch das Thema Menstruation hat auch über Nachhaltigkeit hinaus eine große Bedeutung. Für uns hier in Deutschland ist es häufig mit Scham verbunden, „seine Tage“ zu haben. Doch wie ist das in anderen Ländern der Welt? Und was hat dieses Thema überhaupt auf einem Eine-Welt-Blog zu suchen?

Ein paar Beispiele aus aller Welt

 

Stigmatisierung

In vielen Ländern dieser Welt werden Frauen, wenn sie ihre Periode haben, als unrein angesehen. Die Scham, über das Thema zu sprechen, ist weit verbreitet.  In einigen Gebieten Indiens, Nepals oder Venezuelas leben Frauen deshalb währenddessen in sogenannten „Menstruationshütten“, entfernt vom Rest der Gemeinschaft. In manchen Gemeinschaften dürfen Frauen erst nach einem ausgiebigen Bad nach ihrer Menstruation wieder am Gesellschaftsleben teilhaben. Und in manchen Teilen Indiens dürfen Frauen während sie menstruieren keine religiösen Stätten besuchen und kein gesalzenes Essen zu sich nehmen.  

Doch was hat diese gesellschaftliche Stigmatisierung noch für konkrete Auswirkungen auf Frauen, die in diesen Gebieten leben?

Fehlende Aufklärung

Viele Mädchen wissen gar nicht genau, was Menstruation eigentlich ist, bis sie sie zum ersten Mal haben. Bei Plan International berichten Mädchen aus Indonesien, Malawi, Burundi, Nepal und Uganda über dieses Erlebnis. So erzählen sie beispielsweise, dass sie bei ihrer ersten Blutung dachten, sie hätten sich verletzt. Sie hätten sich nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen oder waren überrascht, dass die Blutung mehr als einen Tag andauerte. Diese Verunsicherung zeigt, dass menstruieren häufig ein Tabuthema ist, das Mädchen mit sich selbst ausmachen müssen.

Teure Hygieneprodukte

Der Preis von Periodenprodukten spielt eine zentrale Rolle in der Problematik. Oft haben Familien nicht die finanziellen Mittel, sich diese zu leisten. Eine Abbildung auf der Startseite von der Organisation The Cup zeigt eindrücklich: Das ist ein wirkliches Problem. Zeitungen, alte Socken, Federn, Schwämme oder gar Schulbücher – all das sind Gegenstände, die verwendet werden, wenn das Geld für richtige Hygieneartikel fehlt, um zu verhindern, dass die „durchbluten“. Außerdem steigt durch diese Behelfsprodukte natürlich auch das Infektionsrisiko.

Zwar scheint das Thema im Globalen Norden weniger problematisch zu sein, doch auch hier gibt es „Periodenarmut“, also das Fehlen finanzieller Mittel, um ausreichend Hygieneprodukte zu kaufen. Aus diesem Grund sind mittlerweile bei uns in Deutschland Produkte rund um die Periode durch das Senken der Mehrwertsteuer billiger geworden. Menstruationsartikel wurden zuvor in die Kategorie „Luxusartikel“ eingeordnet, was eine Mehrwertsteuer von 19 % rechtfertigte. Die Mehrwertsteuer  ist nun durch den Druck verschiedener Akteur*innen (mit prominenter Unterstützung von unter anderem Lena Meyer-Landrut, Palina Rojinski und Jan Böhmermann) auf 7 % gesenkt worden, dem Prozentsatz für Artikel des täglichen Bedarfs.

In diesem früheren Artikel von uns könnt ihr euch genauer über die Ideen hinter der Initiative informieren. Und noch ein Positiv-Beispiel: In Schottland werden nun Schülerinnen Binden und Tampons sogar kostenlos zur Verfügung gestellt!

Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt

In manchen Ländern kann die Periode dazu führen, dass Mädchen in dieser Zeit nicht zur Schule gehen dürfen oder wollen. Einige Gründe haben wir euch schon erläutert: Fehlende finanzielle Mittel für Menstruationsartikel und die Angst, sie könnten „durchbluten“. Aber auch Scham und das Gefühl „unrein“ zu sein. Hinzu kommt, dass Schulen häufig nicht über Wasserzugänge verfügen und es keine Toiletten gibt, um Periodenprodukte zu wechseln.

Dadurch verpassen die Mädchen Unterricht und haben häufig Schwierigkeiten, den Schulstoff nachzuholen. Und dies kann unter Umständen in der Zukunft die Chancen, eine Arbeit zu finden, verringern. Ähnliche Probleme haben arbeitende Frauen an ihren Arbeitsplätzen. Es entstehen also auf Dauer systematische Nachteile für die Mädchen und Frauen.

Was tut sich aktuell? Und was können WIR tun?

Doch es gibt zum Glück auch viele gute Nachrichten rund um die weltweite Situation der Menstruation. 2018 engagierten sich laut „Menstrual Hygiene Day“ 310 Organisationen in 134 Ländern, um 27, 2 Millionen Mädchen bei Problemen rund um ihre Periode zur Seite zu stehen.

Menstruationstassen und Aufklärung

The Cup oder Rubycup stellen beispielsweise Menstruationstassen zur Verfügung, verbunden mit einem Aufklärungsprogramm zum Thema Menstruation und Gleichberechtigung. Dadurch soll es Mädchen möglich sein, auch während ihrer Periode zur Schule zu gehen, ohne auf sanitäre Anlagen angewiesen zu sein. Die Personen, die Aufklärungsarbeit leisten, kommen dabei aus einem ähnlichen kulturellen Hintergrund wie die Mädchen. Dadurch wird das Gefühl stärker, dass sie mit ihrer Situation nicht allein sind.

Wenn du The Cup oder Rubycup unterstützen magst, kannst du dies entweder durch den Kauf einer Menstruationstasse der Organisationen tun oder spenden. Auch zahlreiche andere Organisationen wie beispielsweise Plan International, Global Citizen oder die Welthungerhilfe verfügen über Programme zum Thema.  

Auch um Aufklärung mit Bildungsmaterial zu fördern, wird etwas unternommen. Menstrupedia hat einen Erklärcomic für Schulen und NGOs entwickelt, der jungen Mädchen helfen soll, zu verstehen, was in ihrem Körper während der Menstruation vorgeht. Dieser findet bereits in 18 Ländern Verwendung und wurde in 16 Sprachen übersetzt.

Aufklärung – auch für Jungen und Männer!

Das Besondere an dem Programm von The Cup ist, dass sich nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen mit Menstruation und Gleichberechtigung beschäftigen. Denn nur wer die Situation von Frauen versteht, kann sich auch in Zukunft rücksichtsvoll verhalten. Und das wiederum kann das Thema in der Gesellschaft insgesamt präsenter machen und entstigmatisieren.

Kampagnen

THINX, eine Unterwäschemarke aus den USA, fällt häufig durch provokante Werbung für ihre Produkte auf. So simuliert ihr neuer Werbespot der Kampagne MENstruation ein Szenario, in dem nicht nur Frauen, sondern auch Männer ihre Tage haben und vermutet, dass dann das Thema deutlich offener angesprochen würde.    

Ein weiterer Schritt zur Ent-Tabuisierung der Menstruation findet ganz in eurer Nähe statt – auf euren Handys! Vielleicht ist es euch schon aufgefallen: Seit 2019 gibt es den Blutstropfen-Emoji, der es Frauen und Mädchen erleichtern soll, mit anderen über das Thema zu schreiben.

Ihr könnt also mithilfe solcher Kampagnen in eigenen Nachrichten oder Posts, aber natürlich auch im realen Leben das Thema an die Öffentlichkeit bringen und mehr darüber sprechen. Immerhin ist es ein Thema das 50 % der Bevölkerung direkt betrifft und 100 % von uns etwas angeht. 

Menstruation in den Medien

Ein gutes Beispiel dafür ist auch Period. End of Sentence (deutscher Titel: Stigma Monatsblutung). Der Kurzfilm gewann 2019 den Oscar als bester Dokumentarfilm. Wenn ein Thema sogar bei der Oscar-Verleihung präsent ist, will das schon etwas heißen. Der Film ist mittlerweile auf Netflix streambar. Darin begleitet ein Kamerateam Schüler*innen der Oakwood Highschool, Los Angeles, die in Indien mithilfe der Organisation „Girls Learn International“ halfen, ein kleines Unternehmen aufzubauen, um Monatsbinden vor Ort herzustellen.

Info-Veranstaltungen

Ihr wollt noch mehr über das Thema lernen? Hier findet ihr das Programm des heutigen Menstrual Hygiene Day, an dem viele Organisationen und Expert*innen ihr Wissen teilen. Schau vorbei!

Ihr seht also: Es tut sich was. Aber bis jede Frau und jedes Mädchen auf dieser Welt sich traut, offen über ihre Menstruation zu sprechen, liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Habt ihr noch mehr spannende Infos zum Thema? Oder kennt ihr noch andere interessante Kampagnen oder Organisationen? Dann kommentiert gerne diesen Beitrag oder schreibt uns eine Mail!

*Es ist zwar die gesellschaftliche Annahme, aber nicht nur Frauen bekommen ihre Tage. Transmänner zum Beispiel identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt aufgrund körperlicher Geschlechtsmerkmale zugewiesen wurde. Sie identifizieren sich als Mann und bekommen dann vielleicht trotzdem noch ihre Periode. Ob jemand menstruiert oder nicht sagt nichts über das Geschlecht aus.

Weitere Infos und die Quellen dieses Beitrags:

 

https://www.thecup.org/cup-program

https://www.globalcitizen.org/de/content/indian-students-forced-to-show-teachers-underwear/

https://menstrualhygieneday.org/resources-on-mhm/resources-mhm/

https://plan-international.org/sexual-health/menstruation

https://plan-international.org/news/2019-02-08-period-emoji-gets-go-ahead

https://www.worldbank.org/en/news/feature/2018/05/25/menstrual-hygiene-management

https://www.nzz.ch/international/kampf-gegen-perioden-armut-tampons-nun-auch-in-deutschland-billiger-ld.1531584

https://www.refinery29.com/de-de/stigma-monatsblututng-period-end-of-sentence-netflix-doku 

https://de.rubycup.com/ 

https://www.stern.de/politik/weltfrauentag–wo-frauen-wegen-ihrer-menstruation-ausgestossene-sind-9173056.html

https://www.welthungerhilfe.de/menstrual-hygiene-day-2020/

Das Beitragsbild stamt von  Erol Ahmed auf Unsplash. 

2 Comments
  • Henriette Seydel
    Posted at 08:52h, 29 Mai Antworten

    Nicht zu vergessen die gesundheitlichen Konsequenzen vom fehlenden Zugang zu Hygieneartikeln: Denn alternativ werden Blätter, Moose, Kuhdung, Maiskolben oder Stoff genutzt, die in die Unterhose oder Vagina gesteckt werden. Die Anzahl der Vaginalinfektionen steigt durch diese unhygienischen Materialien immens. Auch bei der Verbreitung von HIV/Aids spielen diese eine Rolle.

    Außerdem wichtig: selbst wenn der Zugang zu Tampons, Binden und co. gewährleistet ist: der Zugang zu Toiletten ist es oft nicht. Die Organisation Wash zählt folgende Kriterien für eine „periodfriendly toilet“ auf: saubere, private, geschlechtergetrennte Sanitäranlagen mit Wasseranschluss, Seife und Möglichkeiten einer unauffälligen Entsorgung der benutzten Menstruationshygieneartikel. Sonst sei eine angemessene persönliche Hygiene während der Menstruation unmöglich. Somit sind auch Ansätze von nachhaltigen, wiederverwendbaren und dadurch günstigeren Hygieneartikeln wie Stoffbinden und Menstruationstassen nicht endgültig hilfreich, solange Fragen der Reinigung und Verwendung nicht geklärt sind.

    #MenstruationMatters!

    • EineWeltBlaBla
      Posted at 11:28h, 02 Juni Antworten

      Vielen Dank für diesen interessanten und wichtigen Kommentar! Auf jeden Fall ist die Sanitärversorgung essentiell für die Nutzung von Menstruationshygieneprodukten. Und wie Sie ganz richtig schreiben, sollte diese einen unkomplizierten Umgang mit der Menstruation ermöglichen und damit Scham entgegenwirken.

Post A Comment