Bunte Mülltonnen

Was passiert eigentlich mit unserem Müll? Betroffene Gegenstände berichten aus ihrem Leben

Wieviel Müll fällt in Deutschland an?

Recycling ist in aller Munde. Dass es besser ist, Plastik zu vermeiden und stattdessen wiederverwendbare Behälter zu verwenden, hat mittlerweile von Kiel bis München wahrscheinlich schon so gut wie jeder mitbekommen. Und dennoch fielen deutschlandweit 5.722 Tonnen Plastikmüll im Jahr 2017 an. Dazu kommen die anderen Abfallarten, Restmüll, Papiermüll, Sondermüll und Biomüll, sodass insgesamt für die sogenannten „haushaltstypische Siedlungsabfälle“ eine Müllmenge von 46.151 Tonnen im Jahr 2017 zusammenkam.

Grafik über Anteile an Hausmüll

Grafik über Anteile an Hausmüll, Quelle: Umweltbundesamt

Das ist also der Müll, den wir deutschen Haushalte produzieren. Der Anteil dieser Siedlungsabfälle an allem Abfall, der in Deutschland insgesamt anfällt, ist aber verschwindend gering. Er macht gerade mal 13% aus. Den mit Abstand größten Anteil macht Bauschutt aus (60%)  (Umweltbundesamt).

Die Reise des Mülls: Dreieinhalb Erfahrungsberichte

Doch was passiert eigentlich genau mit dem Tonneninhalt, nachdem die Müllwagen damit gefüttert wurden? Und was heißt eigentlich Recycling konkret für die einzelnen Müllsorten? Diesen Fragen gehen wir in diesem Artikel nach. Und weil sich die Wiederverwendungsquote je nach Mülltyp doch sehr unterscheidet, berichten wir über jeden einzeln. Also, nicht wir, sondern unsere Korrespondent*innen Pepe, Tina, Charlie und der kurzangebundene Bob. Schnallt euch an, wir gehen auf Müllautofahrt! 

Papier: Pepe der Pappkarton

Pappkarton-Verkleidung

Hallo, ich bin Pepe. Ich bin ein Pappkarton. Also bald war ich einer. Jetzt bin ich nämlich unterwegs zum Müllwerk, mit Zeitungen, anderen Pappkartons und jubelnd entsorgten Matheschulunterlagen. Wo’s hingeht fragt ihr euch? Unser erstes Ziel ist das Recyclingwerk. Hier muss ich Abschied nehmen von einigen meiner Reisebekanntschaften, denn wir werden jetzt nach Papierarten getrennt. Aus meiner dunklen Pappe kann sich nämlich logischerweise kein helles Schreibpapier herstellen lassen.

Wir Kartons werden dann als nächstes meist in speziellen Kartonrecycling-Anlagen weiterverarbeitet. Dazu werden wir in kleine Teile zerteilt (keine Sorge, wir sind das gewohnt!) und mit Wasser zu einem Brei aufgeweicht. Daraufhin werden mit Filtern Verunreinigungen entfernt, dem Brei das Wasser entzogen und schließlich das Resultat auf lange Bahnen zum Trocknen gebreitet (Recycling Vision B.V.). Fertig ist das Rohmaterial für die nächste Generation!

Bei meinen Cousins, den Papieren, läuft das Ganze ähnlich ab. Bei ihnen ist allerdings der Zwischenschritt notwendig, durch chemische Reinigung Tinte von ihnen zu entfernen (bei dem Mischen mit Wasser). Außerdem muss für blütenweißes Papier der Papierbrei zusätzlich durch Wasserstoffperoxid oder Sauerstoff gebleicht werden (Utopia).

Klingt als wären wir unsterblich? Naja, zugegebenermaßen nicht ganz. Nach sieben Durchgängen ca. ist dasselbe Papier dann doch ein bisschen dünn geworden und es müssen neue Holzfasern zugesetzt werden (Utopia). Und dann geht’s von vorne los!

15 Mio. Tonnen Papiermüll wurden 2017 in Deutschland produziert.  Mit Stolz kann ich euch sagen: Wir, die Papierfamilie, besteht zu 76% aus recyceltem Papier. Und kauft man 2,5 KG recyceltes statt neu produziertes Druckerpapier, rettet man 5,5 Kg Bäumen das Leben und spart 7,5 Kilowattstunden Energie, was der Energie für 525 Tassen Kaffee entspricht (Umweltbundesamt).

Plastik: Tina die Plastikflasche

Plastikflasche im Meer

Tina mein Name, ich bin eine Plastikflasche und berichte euch heute von meiner Reise im Müllwagen. Es ist nicht meine erste Reise, vorher war ich schonmal als Plastikflasche hierher unterwegs. Das ist also quasi schon mein zweites Leben. Ich bin recycelt und stolz drauf.

Anfangs war ich mir nicht sicher, ob ich als recycelter Gegenstand anders behandelt werde? Die Antwort lautet: Anders behandelt zwar nicht, aber ich gehöre zu einer Minderheit. Insgesamt fielen 2019 3,1 Mio. Tonnen Plastikmüll an. Davon werden aber nur 16-45% recycelt, je nach Definition. Da ist also noch Luft nach oben, ich kann mich ja fast schon glücklich schätzen, eine zweite Chance bekommen zu haben!

Ihr fragt euch jetzt sicher: Wie haben die das gemacht, aus Tina 1 Tina 2 zu machen? Also, es gilt: Aus je mehr verschiedene Materialien ein Produkt besteht, desto schwieriger ist es zu recyceln. Der Plastikmüll wird ganz zu Anfang maschinell voneinander getrennt. Und dabei ist es für die Maschine besonders schwer, Produkte aus verschiedenen Kunststoffen einer Kategorie einzuordnen. Diese wandern häufig direkt in die Verbrennungsanlage. Hier eine Liste, was aus welchem Plastik recycelt wird:

  • PET (z.B. Plastikflaschen) -> Plastik-Granulat -> Stoffprodukte, aber auch teilweise neue Flaschen
  • Getränkekartons -> recyceltes Papier und Aluminium
  • PP (Polypropylen, z.B. Joghurtbecher) -> Granulat -> Folien
  • PE -> Plastik-Granulat -> Folien, Plastiktaschen

 

Doch traurig, aber wahr: Mehr als die Hälfte von uns wird nicht recycelt, sondern verbrannt, im Idealfall um Energie für andere Produktionsprozesse zu gewinnen. Dabei hätten so viele von uns doch noch gut als anderes Plastikprodukt eingesetzt werden können! Zudem wird meist nicht dasselbe Produkt aus recyceltem Plastik hergestellt, sondern „downgecycelt“. Das bedeutet, dass weniger aufwendige Produkte aus dem Granulat hergestellt werden.

Ein Großteil des restlichen nicht-recycelten und nicht-verbrannten Plastikmülls wurde bis 2019 nach China transportiert. Genauer gesagt 750.000 Tonnen. Doch das bevölkerungsreichste Land der Welt hat einen Importstopp verhängt, denn zu viel Müll verursacht dort Umweltprobleme. Zwar werden weiterhin nicht unerhebliche Mengen nach Osteuropa, Kambodscha und Vietnam exportiert (und dort größtenteils verbrannt), doch es war spätestens nach dem Importstopp klar: Die EU musste sich mehr um Recycling und Müllvermeidung kümmern.

Es tut sich also doch was in unserer Welt: Die Kunststoffstrategie der EU hat bereits bewirkt, dass Einwegplastikprodukte wie Strohhalme, Plastikteller oder -geschirr nicht mehr verkauft werden dürfen. Bis 2030 sollen sogar alle Kunststoffverpackungen recycelbar sein. In Deutschland wird diese Strategie unter anderem mit dem Verpackungsgesetz von 2019 umgesetzt. Dort werden die Quoten festgelegt, bis zu wieviel Prozent der Verpackungen aus verschiedenen Materialien dem Recycling zugeführt werden müssen. Bei uns sollten das 58,5% sein. Zudem setzt sich Deutschland im EU-Parlament für ein Pfandsystem für Flaschen ein, in der Hoffnung, Recycling so ankurbeln zu können.

Außerdem gibt es mehr und mehr Unternehmen und Organisationen, die sich dafür einsetzten, dass aus Plastikprodukten beispielsweise Schmuck, Rucksäcke, Klamotten oder Yogamatten werden. Teilweise werden dafür sogar meine Verwandten aus dem Meer geholt. Ihnen wird also quasi das Leben gerettet!

Diese Informationen habe ich aus meinen eigenen Erfahrungen und bei der Zeit, der Landbell AG für Rückhol-Systeme, Utopia, der Süddeutschen Zeitung und dem NABU recherchiert. 

Elektroschrott: Charlie der Computer

Ich bin Charlie. Charlie der Computer. Wenn mich Jemand fragt, woher ich komme, antworte ich immer: aus aller Welt. Meine Festplatte kommt zum Beispiel aus Thailand, Cobalt für meinen Akku aus dem Kongo und zusammengebaut wurde ich schließlich in China.

Soviel Aufwand, so viele schuftende Hände von euresgleichen, müssen belohnt werden. Blöderweise haben das manche von eurer Spezies noch nicht so ganz kapiert. Ich erkläre euch also mal, wie ihr dafür sorgen könnt, dass so viele meiner Bestandteile wie möglich weiterverwendet werden und die Umwelt geschützt wird. Denn manche von uns enthalten giftige Bestandteile…

Zunächst einmal: Werft uns BITTE nicht in normale Mülltonnen! Sonst kriegen unsere Bestandteile nämlich keine zweite Chance und werden direkt mit eurem Restmüll verbrannt. Wir gehören auf den Wertstoffhof.  Eine Liste von anderen Freunden, die ich dort getroffen habe und die ihr bitte zukünftig auch wieder dorthin fahren solltet, findet ihr hier.

45% von uns wurden 2017 recycelt. Und so läuft das ab:

  1. Giftige Bestandteile werden entfernt und entsorgt.
  2. Unserer wertvollen Metallbestandteile werden von darauf spezialisierten Firmen entfernt (manchmal per Hand, manchmal durch maschinelle Zerkleinerung und Sortierung) und dann weiterverwendet, zum Beispiel jeweils zur Stahl-, Aluminium oder Kupferproduktion. Diese drei Metalle werden mittlerweile mehr durch Recycling als aus Erzen gewonnen. Durch elektrochemische Prozesse werden seltene, wertvolle Metalle wie Gold oder Silber von anderen getrennt und ebenfalls wiederverwertet.
  3. Übrig gebliebener Kunststoff ist meist unrein (siehe Tinas Erklärung), weshalb er als Füllstoff für andere Plastikprodukte verwendet werden kann (stoffliche Verwertung) oder als Brennstoff, z.B. bei der Stahlproduktion (thermische Verwertung)

Diese Infos habe ich bei Stiftung Warentest nachgelesen. Hier in Deutschland liegen wir knapp über dem EU-Durchschnitt mit dem Recycling von unseresgleichen. Oft gelobt wird die Schweiz, in der Verkäufer und Konsumenten eine Abgabe zahlen, mit der unser Recycling gezahlt wird. Deshalb werden dort auch 16 kg von uns recycelt, während es in Deutschland nur 9kg pro Einwohner*in sind (NABU).

Viele von uns haben aber nicht so viel „Glück“ bequem in Deutschland wiederverwertet zu werden. Denn einiges an Elektroschrott Deutschlands wird von darauf spezialisierten Händlern ins Ausland exportiert, als „Second-Hand-Ware“, obwohl dieser Handel illegal ist (seit 2015 dürfen offiziell nur noch wirklich funktionierende Geräte exportiert werden). Im Zielland werden dann noch funktionierende meiner Freunde weiterverkauft.

Doch nicht-funktionierende werden häufig unter schlechten Umweltbedingungen in Müllverbrennungsanlagen verbrannt, besonders bekannt ist Agbogbloshie in Ghana. Auf eben diesen Anlagen sind wiederum viele Menschen unterwegs (Schätzungen zufolge bis zu 10.000 allein in Agbogbloshie), um den weggeschmissenen „Schrott“ nach wertvollen Bestandteilen abzusuchen und so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei setzen sie sich aber giftigen Dämpfen und einer illegalen, konkurrenzgetriebenen Industrie aus. Um zu gewährleisten, dass Bestandteile meiner Freunde unter guten Bedingungen weiterverwendet werden, läuft dort aktuell ein Recyclingprogram der GIZ.  Mehr darüber lesen könnt ihr beim Göttinger Tagblatt oder beim Deutschlandfunk nachlesen.

Bauschutt: Bob der Betonklotz

Betonklötze

Ich bin Bob. Ich gehöre zur allgemein bekannten Sippe der Betonklötze. Aber reden ist nicht so meine Stärke. Ich rate euch diesen Artikel zu lesen, um zu erfahren, wie es mir und meinen Freunden ergeht. Nur so viel vorweg: Wir, die Bauschutt-Gruppe, machen allein schon 60% des Gesamtabfalls aus!!

Wir danken unseren Korrespondent*innen für ihre Einblicke in ihre persönlichen Lebensumstände und hoffen, dass sie euch zum Nachdenken angeregt haben und ihr etwas von ihnen lernen konntet.

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