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Von den Gärten des Grauens zum Artensterben

Ok zugegeben, der Titel stellt das Thema Artensterben zu einfach dar. Die mit Schotter „geschmückten“ Vorgärten, wie sie immer mehr in deutschen Kleinstädten zu finden sind, sind nicht die primäre Ursache für die Tatsache, dass in den nächsten Jahrzehnten etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten drohen auszusterben. Zu diesem Ergebnis kamen jüngst 150 Wissenschaftler*innen aus 50 Ländern. In der IPBES-Studie (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) haben sie eine alarmierende Inventur der Erde zusammengefasst. Doch ganz unschuldig sind die „Gärten des Grauens“ nicht. Die Zunahme von versiegelten Flächen schränkt massiv den Lebens- und Fortpflanzungsraum vieler Arten ein.

Nochmal von vorne: Was haben die Wissenschaftler*innen herausgefunden?

In dem Bericht legen sie dar: Wenn es zu keinen grundlegenden Änderungen bei der Landnutzung, beim Umweltschutz und der Eindämmung des Klimawandels kommt, sind in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine Million Arten vom Aussterben bedroht.

Das sind einige der wichtigsten Erkenntnisse der IPBES-Studie:

  • 85 Prozent der Feuchtgebiete sind bereits zerstört
  • Neun Prozent aller Nutztierrassen sind ausgestorben
  • Zwischen 1980 und 2000 holzte der Mensch 100 Millionen Hektar tropischer Regenwald ab – weitere 32 Millionen Hektar allein zwischen 2010 und 2015
  • 23 Prozent der Landfläche gelten als ökologisch heruntergewirtschaftet und können nicht mehr genutzt werden
  • Durch die Zerstörung von Küstengebieten wie Mangrovenwäldern ist die Lebensgrundlage von bis zu 300 Millionen Menschen gefährdet

Wer ist schuld? (Ihr ahnt es.)

Ja genau, wir! Der Mensch und seine massiven Eingriffe in die globalen Ökosysteme sind die Hauptverursacher dieses Zustands. Vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft, die Abholzung der Wälder und der Ressourcenabbau sind die Treiber dieses rapiden negativen Wandels. Wir greifen in den Lebensraum von Pflanzen und Tieren ein, bauen Straßen und Siedlungen, sodass sie kaum eine Chance haben, ihren Lebensraum zu erhalten. Wir plündern die Ressourcen und vermüllen Wasser, Boden und Luft. Die Menschen nehmen alles, was geht, und ignorieren die Konsequenzen. Wenn wir die Überhitzung der Erde nicht aufhalten, könnte sie allein rund fünf Prozent der Arten auslöschen. 99 Prozent der Korallenriffe würden dabei mit großer Wahrscheinlichkeit absterben.

Die Studie ist die wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungen. In den kommenden eineinhalb Jahren sollen knapp 200 Regierungen über ein neues Uno-Rahmenabkommen zu Bewahrung der biologischen Vielfalt verhandeln. Die Wissenschaftler*innen betonen, dass die internationale Zusammenarbeit der Staaten Voraussetzung dafür ist, das Artensterben zu stoppen. Die Politik braucht Naturschutzziele, die sich auch auf das Handeln der Wirtschaft und der Gesellschaft auswirken.

Das Grauen hat einen Namen

Versiegelung von Flächen? Immer weniger Grünflächen? Da fällt mir direkt ein Phänomen ein, was sich immer öfter in deutschen Kleinstädten finden lässt: Schottergärten. Ihr habt sie bestimmt auch schon mal gesehen. Statt eines Rasens mit Hecke oder Büschen, schmücken Eigenheimbesitzer*innen ihre Vorgärten mit Kies, Geröll oder Splitt. Pflanzen – Fehlanzeige. Der künstlich gestaltete Garten soll ordentlich sein und einen geringen Pflegebedarf haben.

Beginnt hier das Artensterben? Instagram-Post des Accounts "Gärten des Grauens".
Instagram-Post des Accounts „Gärten des Grauens“.

Der Facebook- und Instagram-Account „Gärten des Grauens“ sammelt Fotos der Schotter- und Kiesarrangements  aus ganz Deutschland – mit einem satirischen Zwinkern. Klar, die Gestaltung des Vorgartens ist Geschmackssache. Aber einen „Bach“ mit blauen Kieselsteinen modellieren? Naja ok, Geschmackssache eben. Hinter dem Account steckt jedoch nicht nur Satire. Der Biologe Ulf Soltau hatte die Idee für die Seiten bei Facebook und Instagram. Er sieht in ihnen neben der „Geschmacksverirrung“ auch eine Gefahr für den Artenschutz, denn sie bieten der Natur keinen Lebensraum.

Ein ökologischer Schandfleck

Der NABU berichtet, dass gerade Vorgärten und kleine Grünflächen eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt und das Klima in der Stadt haben. Sie bilden „Ökologische Trittsteine“ für Pflanzenarten, Insekten und Vögel. Diese sind z.B. auf der Suche nach Nahrung und Nistplätzen und wandern dafür von Trittstein zu Trittstein. Grünflächen versorgen uns mit sauberer, frischer Luft. Die Kies- und Steinflächen dagegen heizen sich auf, speichern Wärme und strahlen sie wieder ab.

Bei jetzt.de erzählt Ulf Soltau, dass solche Gärten oft sogar illegal seien. Es gibt auch bei Gärten Landesbauordnungen, in denen steht, dass sie begrünt oder bepflanzt werden müssen. Die Schottergärten spiegeln für ihn die Entfremdung des Menschen von der Natur wider. Mit seinem Account möchte er mithilfe der Satire das Umweltbewusstsein der Menschen fördern.

Ulf Soltau mit seinen „Gärten des Grauens“ und die Wissenschaftler*innen der IPBES-Studie sind sich einig: Die Öffentlichkeit muss sich den Schutz der Biodiversität auf die Fahnen schreiben, um das Artensterben aufzuhalten.

Bildquelle: Wikimedia Commons Urheber: BBirke (CC BY-SA 4.0)

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