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Noiva do Cordeiro – ein Dorf ohne Grenzen

Wie wäre es wohl, in einer Gesellschaft zu leben, in der alle wirklich gleichberechtigt sind? Frauen und Männer, die lieben dürfen, wen sie wollen. Keiner wird aufgrund seiner Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder seines Geschlechts ausgegrenzt. Klingt wie eine Utopie in ferner Zukunft, oder? Nicht ganz, denn es gibt so etwas bereits in einem kleinen Dorf in Brasilien: das Dorf Noiva do Cordeiro könnte man wohl als gelebte Utopie bezeichnen. Dort ist Homosexualität genauso akzeptiert wie Heterosexualität, Frauen haben dort einiges zu sagen und können sich selbst versorgen, ohne auf ihre Männer angewiesen zu sein. Doch wie kam es dazu und wie sieht das Leben im Dorf aus? Wir berichten euch heute genauer davon.

Die Entstehung von Noiva do Cordeiro

Das Dorf Noiva do Cordeiro findet seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Damals verliebt sich die verheiratete Maria Senhorinha de Lima in einen anderen Mann und wird von ihm schwanger. Sie wird daraufhin von ihren Eltern verstoßen und flieht mit ihrer neuen Liebe und dem Kind in das heutige Noiva do Cordeiro. Dort bekommen sie acht weitere Kinder und leben in armen Verhältnissen, abgeschottet vom Rest der Gesellschaft. Dies hat vor allem den Hintergrund, dass sie und alle ihre Nachkommen bis in die vierte Generation von der Kirche exkommuniziert, also aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen wurden.

Das heutige Oberhaupt des Dorfes, Delina Fernandes, ist eine von Marias Nachkommen. In den 1950er Jahren kommt ein Priester in das Dort, missioniert viele der Einwohnerinnen und Einwohner, baut eine Kirche und heiratet Delina. Für die nächsten vierzig Jahre müssen die Bewohnerinnen und Bewohner unter strengen Regeln leben. Die Frauen dürfen nur Röcke und lange Haare tragen, haben nichts zu sagen, Radio, Fernsehen und Tanzen sind verboten. Doch in den 90er Jahren reicht es den Frauen: sie vertreiben den Priester gemeinsam, reißen die Kirche ab und Delina wird zum neuen Oberhaupt des Dorfes ernannt. Aufgrund dieser Erfahrungen mit der Kirche ist in Noiva do Cordeiro heute kein Platz mehr für diese Institution, Priester dürfen nicht ins Dorf gebracht werden.

So ist das Leben in Noiva do Cordeiro

Heute leben etwa 300 Menschen in Noiva do Cordeiro. Die Männer arbeiten fast alle im etwa 100 Kilometer entfernten Belo Horizonte und sind deswegen nur am Wochenende im Dorf. Das Leben in Noiva do Cordeiro ist vor allem von Gemeinschaft geprägt. Die Frauen bauen fast alles, was sie brauchen, selbst an. Die Erträge der Ernte teilen sie untereinander auf. Wenn ein Haus gebaut werden muss, packen alle mit an. Auch die Beaufsichtigung der Kinder im Dorf ist gemeinschaftlich geregelt: einmal alle zwei Wochen ist eine Frau für die Versorgung verantwortlich. Genauso wird auch mit der Versorgung der alten Menschen im Dorf verfahren.

Und was passiert, wenn es einmal einen Konflikt gibt? Auch hier ist das Dorf wohl ein Vorreiter, denn es wird kein Gericht oder die Polizei eingeschaltet. Es wird einfach so lange geredet, bis der Streit beseitigt werden kann. Dieser Ansatz ist wohl vergleichbar mit dem Konzept der Transformativen Gerechtigkeit, von dem wir vor kurzem in diesem Beitrag berichtet haben.

Und wohl eines der schönsten Dinge im Dorf: Akzeptanz. Hier gibt es keine Grenzen in der persönlichen Entfaltung. Ob homosexuell, heterosexuell, beides oder nichts von beidem. Hier darf jede und jeder entscheiden, mit wem man sein Leben verbringen möchte.

Eine tolle Fotostrecke mit Impressionen aus Noiva do Cordeiro kannst du dir hier anschauen. Mehr über das Dorf kannst du in einem Beitrag von fluter oder auf dem Ergo-Reiseblog erfahren. Das Dorf ist auch auf verschiedenen Social Media Plattformen wie Facebook oder Instagram zu finden! Wenn du Portugiesisch sprichst, lohnt sich außerdem ein Blick in diese Dokumentation über Noiva do Cordeiro.

Was sagt ihr zu der Lebensweise im Dorf? Meint ihr, dass diese auch weltweit umsetzbar ist?

-Leah-


Das Beitragsbild stammt von Luwadlin Bosman auf Unsplash.com.

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