Titelseite des Halbzeitbereichts der Agenda 2030

Halbzeit der Agenda 2030: Können wir die SDGs noch erreichen? SDG-Reihe Teil 2

2015 einigten sich alle Mitgliedstaaten der UN auf die Agenda 2030 und die darin formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung. Seit dem Inkrafttreten 2016 haben die Staaten mit der Umsetzung der 17 SDGs begonnen. Im September 2023 war Halbzeit der 15-jährigen Laufzeit der Agenda2030 und die Staats- und Regierungschef*innen aus aller Welt kamen in New York zum „SDG-Gipfel“ zusammen. Dort zogen sie eine Halbzeitbilanz ihrer Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Das Global Policy Forum (GPF) gibt diesen Kontext:

„Die Agenda 2030 ist tatsächlich ein Meilenstein des Multilateralismus. Heute wirkt sie angesichts des weltweiten Vormarsches nationalistischer Kräfte, des Ukrainekrieges und der verschärften Rivalität zwischen den USA und China wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Aber auch 2015 war die Welt keineswegs heil. Bereits im Jahr zuvor hatte Russland die Krim annektiert, was im März 2014 Sanktionen der EU und den Ausschluss Russlands aus dem Kreis der G8-Staaten zur Folge hatte. Dennoch gelang es, zur gleichen Zeit in New York die SDGs auszuhandeln und im Jahr darauf mit der Agenda 2030 im Konsens zu verabschieden. Dies zeigt, dass diplomatische Einigungen auch in Zeiten geopolitischer Konfrontationen möglich sind. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich die Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der Agenda 2030 und ihrer Nachhaltigkeitsziele seit 2015 erheblich verändert haben.“

(GPF, 2023: S. 6-7)

Einordnung

Zur Halbzeit der Agenda 2030 erweist es sich als schwierig, alle 17 Ziele bis 2030 zu erfüllen. GPF zitiert Wissenschaftler*innen, die von einer „Polykrise“ sprechen, mit der die Umsetzung der 17 SDGs zu kämpfen hat.

„Die Welt befindet sich seit einigen Jahren im Dauerkrisenmodus. Neben der COVID-19-Pandemie und dem globalen Klimanotstand mit seinen Extremwetterereignissen beeinträchtigen seit Februar 2022 die geopolitischen und ökonomischen Folgen des Ukrainekriegs die (Über-) Lebensbedingungen großer Teile der Menschheit. Am deutlichsten zu spüren ist das bei der Ernährungssicherheit und der Energieversorgung. […] Die Vereinten Nationen warnten vor der bislang schwersten Krise der Lebenshaltungskosten in diesem Jahrhundert. […] Die steigenden Zinsen haben in den Ländern des globalen Südens eine neue Welle von Schuldenkrisen ausgelöst. UN-Generalsekretär António Guterres spricht in diesem Zusammenhang von einer Kaskade miteinander verknüpfter globaler Krisen und Konflikte, die die Zielsetzungen der Agenda 2030 gefährden“.

(GPF, 2023: S. 7)

Wie ist der Stand der Dinge?

Das BMZ spricht von einer ernüchternden Halbzeitbilanz. Laut dem UN-Generalsekretär Guterres in dem Halbzeitbericht der Agenda2030 (24.04.2023) ist die Weltgemeinschaft weit davon entfernt ihre selbst gesteckten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung auf unserem Planeten zu erreichen. Zu Beginn der Agenda 2030 sah es noch gut aus und es gab Fortschritte: Die extreme Armut und die Kindersterblichkeitsrate sind stetig gefallen, HIV und Hepatitis gingen immer mehr zurück, einige Ziele für mehr Geschlechtergerechtigkeit hatten positive Resultate, auch der Zugang zu Elektrizität in den ärmsten Ländern der Welt stieg an (Special Report, Guterres, 2023: S. 6).

Diese Fortschritte seien aber sehr fragil und zu langsam gewesen. Die Corona-Pademie, der Krieg in der Ukraine und mehrfachen durch den Klimawandel verursachten Katastrophen dämmten den bereits stockenden Fortschritt (Special Report, Guterres, 2023: S. 6). Die 17 SDGs sind also ein „promise in peril“ (ein Versprechen in Gefahr) und laut dem UN-Generalsekretär zur Halbzeit in „deep trouble“ (großen Schwierigkeiten).

Das GPF fasst zusammen, dass

„bei den etwa 140 Zielvorgaben, für die Zahlen vorliegen, […] die Regierungen nur bei etwa 12 Prozent auf dem richtigen Weg [sind]. Bei den anderen Zielen sind die Fortschritte zu langsam oder der Trend weist in die falsche Richtung. Das betrifft beispielsweise die Ziele zur Armutsreduzierung, zur Bekämpfung des weltweiten Hungers und zur Überwindung der Geschlechterungleichheit“

(GPF, 2023: S. 11-12).

Laut der Auswertung von rund 140 der 169 Unterziele für nachhaltige Entwicklung ist die Weltgemeinschaft bei lediglich einem Prozent der globalen Entwicklungsziele auf dem richtigen Weg. Trotz der Fortschritte bei ca. der Hälfte der Ziele reicht das nicht aus, um die SDGs bis 2030 zu erreichen. Dazu kommt, dass sich der Trend nach unten fortsetzt. (BMZ, 2023)

Was also tun?

Auf dem New York Gipfel 2023 schlug der UN-Generalsekretär einen Rettungsplan für die Menschen und den Planeten („Rescue Plan for People and Planet“) vor. Da in dem Halbzeitbericht erkannt wird, dass der Mangel an Fortschritten universell ist, wurden fünf Handlungsempfehlungen mit einer Reihe an Maßnahmen vorgeschlagen:

1. Die Staats- und Regierungschef*innen sollten sich erneut zu beschleunigter, nachhaltiger (sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene) Handlung verpflichten, um das Versprechen der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erfüllen.

2. Die Regierungen sollten konkrete, integrierte und gezielte Strategien und Maßnahmen vorantreiben, die zur Beseitigung von Armut, Verringerung von Ungleichheit und zum Ende des Kriegs gegen die Natur dienen, wobei der Schwerpunkt auf der Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen und auf der Stärkung der Schwächsten liegt.

3. Die Regierungen sollten die nationalen und subnationalen Kapazitäten, Rechenschaftspflicht und öffentliche Institutionen stärken, um beschleunigte Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

4. Die internationale Gemeinschaft sollte sich auf dem SDG-Gipfel für die Umsetzung des Aktionsplans von Addis Abeba neu verpflichten und die Ressourcen und Investitionen mobilisieren, die die „Entwicklungsländer“ benötigen, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, insbesondere diejenigen, die sich in besonders schwierigen Situationen befinden und die akut gefährdet sind.

5. Die Mitgliedstaaten sollten die kontinuierliche Stärkung des Entwicklungssystems der Vereinten Nationen und die Fähigkeit des multilateralen Systems stärken. Ziel ist die Bewältigung neuer Herausforderungen und die Bewältigung von Lücken und Schwächen im Zusammenhang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung in der internationalen Architektur, die seit 2015 aufgetreten sind.

Halbzeit der Agenda 2030 – Ergebnisse des 2023 Gipfels:

Auf dem Halbzeit-Gipfel der Agenda 2030 in New York (September 2023) stellte der UN-Generalsekretär den Halbzeitbericht vom Frühjahr 2023 noch einmal vor.

„Das wichtigste Ergebnis des Gipfels ist eine politische Erklärung, die in mancher Hinsicht über ihre Vorgängererklärung von 2019 hinausgeht. Sie unterstreicht, dass wir unseren Kampf gegen den Hunger beschleunigen und ganze Ernährungssysteme in Betracht ziehen müssen. […] Wer allerdings anlässlich der SDG Halbzeitbilanz konkrete finanzielle Zusagen erwartet hat, wird enttäuscht sein: Sie haben es nicht in das Abschlusspapier geschafft. Immerhin werden die Geberländer aufgefordert, ihre Zusagen für die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit zu erfüllen: Mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) sollen für die öffentlichen Mittel für Entwicklungsleistungen (ODA) aufgewendet werden.“

(Welthungerhilfe)

Was passiert in Deutschland?

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veröffentlichte diese Pressemitteilung bezüglich der Position von Deutschland:

„Deutschland setzt sich dafür ein, dass alle Staaten ihre Anstrengungen zur Erreichung verstärken können, Lösungskapazitäten ausbauen und besser voneinander lernen. Der zweite Weltnachhaltigkeitsbericht (2023) liefert die wissenschaftliche Grundlage dafür.“

Das BMZ und das BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit) luden im Mai 2023 in Folge der Veröffentlichung des Halbzeitberichts der UN zur fünften deutschen Agenda-2030-Konferenz mit dem Titel „Transformation beschleunigen, Ungleichheit reduzieren: Gemeinsam bringen wir die Agenda 2030 auf Kurs!“ ein. Dort wurden mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft sowie des Bundestags und der Bundes- und Landesministerien Ideen für eine beschleunigte und ambitionierte Umsetzung der Agenda2030 zusammengetragen. In ihrer Pressemitteilung schrieben die Ministerien:

„Dabei geht es darum, wie globale Umweltprobleme bewältigt und gleichzeitig soziale Ungleichheiten abgebaut werden können. Denn wachsende Ungleichheiten bremsen Transformation und machen die Gesellschaft anfällig für Krisen. Ein besonderer Fokus galt dieses Jahr den Zielen 6 „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ und 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ und damit auch der Rolle der Kommunen in Deutschland, die Zielerreichung durch lokales Handeln voranzubringen.“

(BMZ, 2023)

Diese Konferenz mit einer Sammlung der Ideen für eine beschleunigte Umsetzung der SDGs war ein erster wichtiger Schritt, um die Verbesserung der Lebensstandards auf der Welt zu verbessern. Was jedoch auch dazugehört, ist die Umsetzung der Ideen und Ziele durch die Gesetzgebung. Das heißt, ein Teil der Verantwortung liegt bei der deutschen Regierung, die Gesetze verabschieden muss, um diese Ziele zu verwirklichen. Ein anderer Teil der Verantwortung liegt bei den Bürger*innen Deutschlands: Sie können diejenigen Politiker*innen wählen, die die SDGs auch wirklich umsetzen wollen. In dieser Bundestags-Debatte vom 24. Januar 2024 erkennt man eindeutig, welche Parteien wo Deutschlands Platz in dem globalen Geflecht der Verantwortung sehen und was sie meinen, wie eine nachhaltige Entwicklung von Deutschland aus gestaltet werden soll.

Weiterführendes auf unserem Blog:

Hier geht es zu Teil 1 unserer Themenreihe über die SDGs: Was sind eigentlich die Sustainable Developement Goals? Teil 1.

Besonders empfehlen wir das taz-Interview mit Imme Scholz. Sie ist Ko-Vorständin der Heinrich Böll Stiftung und für die UN hat sie den Weltnachhaltigkeitsbericht 2023 mitverfasst.

Quellen:

2030agenda: https://www.2030agenda.de/de/halbzeitbilanz.

BMZ: https://www.bmz.de/de/agenda-2030/halbzeitbilanz.

BMZ: https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/halbzeitbilanz-der-agenda-2030-staerkeres-engagement-noetig-153774.

Der Halbzeitbericht des UN-Generalsekretärs: The Sustainable Development Goals Report Special edition. (PDF)

Deutsche Übersetzung des Halbzeitberichts: https://www.globalpolicy.org/sites/default/files/download/Halbzeitbilanz%20der%20Agenda%202030.pdf. (PDF)

Portal Globales Lernen: https://www.globaleslernen.de/de/im-fokus/sustainable-development-goals-sdg/halbzeitbilanz-der-agenda-2030-die-globalen-nachhaltigkeitsziele-auf-dem-pruefstand.

SDG Knowledge Hub: https://sdg.iisd.org/news/un-secretary-generals-report-outlines-rescue-plan-for-people-and-planet/.

Video der 5. Deutschen Agenda2030-Konferenz: https://www.youtube.com/watch?v=YWym6eBielw.

Welthungerhilfe: https://www.welthungerhilfe.de/aktuelles/aktuelle-artikel/sdg-halbzeitbilanz-17-nachhaltigkeitsziele.

Beitragsbild: Ausschnitt der Titelseite des Halbzeitberichts: Global Policy Forum, 2023. Rechte an der Gestaltung: www.kalinski.media.

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