Freiwilliges Engagement weltweit: Gut gemeint ≠ gut gemacht!?

Dieser Text ist Teil der Reihe „Unser Blickpunkt“ des EPIZ Entwicklungspolitisches Informationszentrum Göttingen.


„Wenn du gekommen bist, um mir zu helfen, verschwendest du deine Zeit, aber wenn du gekommen bist, weil deine Befreiung mit meiner verbunden ist, dann lass uns zusammenarbeiten.“ So beschrieb in den 1970ern eine  Gruppe Indigener in Australien ihr Unwohlsein mit dem Konzept „Helfen“.

Aber warum kann das Engagieren für Schwächere, Benachteiligte oder Leidende problematisch sein? Erst recht, wenn Menschen dafür viel Aufwand betreiben? Jedes Jahr reisen beispielsweise über das weltwärts-Programm 3.500 junge Freiwillige aus Deutschland in den Globalen Süden. Für ein Jahr arbeiten sie in gemeinnützigen Organisationen wie ländlichen Schulen oder Kinderheimen – und das meist mit viel persönlichem Einsatz und bewundernswertem Idealismus.

Viele erfahrene Beteiligte zweifeln jedoch gemeinsam mit zahlreichen Wissenschaftler*innen wie Benjamin Haas oder Dr. Kristina Kontzi an der weit verbreiteten Überzeugung, dass „Helfen“ als Freiwillige im Globalen Süden stets unbedenklich ist: Die Kritik bezieht sich dabei meist auf das Problem der unterschiedlichen Machtverteilung: Egal wie sehr sich insbesondere weiße Freiwillige auch bemühen: Eine als gleichberechtigt wahrgenommene Begegnung im Globalen Süden erzählt in fast allen Fällen „das Märchen von der Augenhöhe“. In der Broschüre „Wer anderen einen Brunnen gräbt“ werden zentrale Fragen aufgeworfen: Wer hat Zugang zu Freiwilligendiensten? Wer fühlt sich angesprochen? Wer ist in der Position zu „helfen“? Und welche kolonialen Kontinuitäten gibt es?

Der ASC Göttingen verweist darauf, dass „weltwärts ein Lerndienst für junge Menschen ist. […] Wer sich als europäische*r Retter*in hinaus in die Welt gezogen fühlt, ist hier fehl am Platz. weltwärts bietet vielmehr die Chance […] eine neue Perspektive auf das Leben zu erfahren. Mit diesem neugewonnenen Verständnis kann eine neue Achtung vor Vielfalt entstehen.“

Eindrücklich illustrieren dies die kurzen, humorvollen Videoclips der Initiative „RADI-AID“: Dort werden Stereotype über Afrika ad-absurdum geführt, in einer Quizshow eine Volunteer-Gewinnerin gekürt und im Kampagnenclip „Africa for Norway“ werden diskriminierende Charity-Songs verspottet.

Diese und viele weitere Perspektiven auf internationale Freiwilligendienste – u.a. von glokal, den Zugvögeln, Brückenwind und Global Match – präsentieren das EPIZ und Mitstreiter*innen im Rahmen des in Göttingen stattfindenden Jubiläumsfestivals von weltwärts vom 13. Mai bis 3. Juni. Es geht dabei nicht darum die Einsätze von Freiwilligen zu verdammen, sondern sie inklusiver, machtkritischer und wirkungsvoller zu machen – wie es u.a. ein aktuelles Rahmenpapier  vorschlägt: Hin zu einer „weltweiten Bewegung von Freiwilligen, die sich effektiv für eine Welt einsetzen, in der niemand zurückgelassen wird.“ (International Forum for Volunteering in Development)

Eine weniger hilfesuchende, aber dafür befreiende Zeit wünschen

Chris Herrwig und das EPIZ-Team


Foto von Ben White auf Unsplash

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