Die Zukunft von Bangladeschs Textilproduktion – Warum wir endlich globale Lieferkettengesetze brauchen

Im Rahmen der diesjährigen Fashion Revolution Week haben wir vor kurzem bereits über die Tragödie von Rana Plaza, einer eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch berichtet. Als Reaktion auf das Unglück wurde 2013 das sogenannte Bangladesch-Abkommen verabschiedet, eine verbindliche Vereinbarung zum Brandschutz und zur Gebäudesicherheit zwischen Gewerkschaften, Einzelhandel und großen internationalen Marken. Diese Vereinbarung ist jedoch im Mai 2021 ausgelaufen und wird momentan nur durch eine dreimonatige Verlängerung einiger Marken weitergeführt – die Befürchtung in Bangladesch, in der Textilproduktion wieder mehr Gefahren ausgesetzt zu sein, ist entsprechend groß.

Das Bangladesch-Abkommen

Das Bangladesch-Abkommen wurde erstmals 2013 als Reaktion auf die Trägodie vom Rana Plaza beschlossen. Bei dem Unglück verloren über 1.100 Menschen ihr Leben, weitere 2.000 wurden verletzt. Das Gebäude, in dem große Marken wie C&A oder Primark produzierten, stürzte ein, nachdem zuvor bereits Risse im Gebäude von den Arbeiterinnen und Arbeitern bemängelt wurden. Trotzdem wurden sie zur Arbeit gezwungen, viele bezahlten mit ihrem Leben. Das Unglück sorgte für internationales Entsetzen. Gerade deshalb gelang es wohl, so schnell ein Abkommen zu unterzeichnen – die großen Textilmarken waren deutlich unter Druck geraten.

2013 verabschiedet und 2018 erneuert, soll das Bangladesch-Abkommen für bessere Sicherheitsstandards sorgen. Regelmäßige unabhängige Inspektionen, die Überwachung von notwendigen Sanierungen, Sicherheitstrainings und die Berücksichtigung von Beschwerden der Arbeitenden sollen eine erneute Katastrophe verhindern. Seit der Verabschiedung des Abkommens sind bereits mehrere tausend Mängel aufgenommen worden. Interessant ist auch, dass sich Stakeholder auf einer Website über den Status der Fabrik, in der produziert wird, informieren können. Dieses Abkommen, an dem sich ursprünglich über 200 Marken beteiligt hatten, ist jedoch zum 31. Mai ausgelaufen. Noch läuft eine dreimonatige Verlängerung, die von 56 Marken mitgetragen wird. Doch die Sorge wächst – was passiert nach dem Auslaufen des Abkommens?

Das deutsche Lieferkettengesetz und was es wirklich bringt

Acht Jahre nach Rana Plaza ist in Deutschland am 11. Juni 2021 nun endlich ein Lieferkettengesetz verabschiedet worden, das Unternehmen zu mehr Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette verpflichten soll. Doch das Gesetz hat viele Lücken. Die Initiative Lieferkettengesetz versteht das Gesetz passenderweise als „Noch nicht am Ziel, aber endlich am Start”. Damit soll betont werden, wie wichtig der Einsatz vieler Nichtregierungsorganisationen und Individuen war, um ein Lieferkettengesetz endlich auf die Tagesordnung des Bundestags zu bekommen, das Gesetz aber noch lange nicht weitreichend genug ist.

Gute erste Ansätze

Positiv ist, dass das Gesetz in Deutschland endlich einen Paradigmenwechsel anstößt. Nicht mehr länger freiwillige Corporate Responsibility (Unternehmensverantwortung), sondern gesetzliche Rahmen, die Menschenrechtsverstöße verhindern sollen. Außerdem legt das Gesetz Sorgfaltspflichten sowie bestimmte umweltbezogene Pflichten fest. All diese gesetzlichen Regulierungen sollen von soliden behördlichen Durchsetzungen kontrolliert und Nichteinhaltung sanktioniert werden.

Doch noch viel Arbeit

In Hinblick auf die Reichweite der Sorgfaltspflicht, die Beteiligung Betroffener am Sorgfaltsverfahren und die Wiedergutmachung erfüllt das Gesetz noch nicht die Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP). Auch die umweltbezogenen Leitlinien gehen zum Teil nicht weit genug und berücksichtigen weder Biodiversität noch Klimaauswirkungen. Betroffene haben keine Anspruchsgrundlage, vor deutschen Gerichten Schadensersatz einzuklagen. Einer der größten Kritikpunkte ist aber wohl, dass all die Richtlinien des Lieferkettengesetzes erst ab 2023 gelten und dann nur für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden (ab 2024: 1.000 Mitarbeitende). Auch sind Unternehmen nur zur Kontrolle ihrer unmittelbaren Zulieferer verpflichtet, für mittelbare Zulieferer ist dies lediglich bei Bedarf notwendig. Viele fordern deshalb Nachbesserungen.

Warum wir eine globale Lösung brauchen

Eine europäische Lösung zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette lässt noch auf sich warten. Das Europaparlament hat am 10. März 2021 jedoch einen ersten Gesetzesvorschlag verabschiedet. Die fraktionsübergreifende Mehrheit im Parlament hat dafür gestimmt. Der europäische Vorschlag ist in vielen Teilen tiefer greifend als das deutsche Gesetz. Nach dem Europaparlament muss jetzt die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf verabschieden. Dies ist für Juni 2021 geplant.

Auf internationaler Ebene gibt es die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Leitprinzipien sind in drei Säulen eingeteilt: (1) die Pflicht des Staates, Menschenrechte zu schützen, (2) die Verantwortung der Unternehmen, Menschenrechte zu achten und (3) ein Zugang zu gerichtlicher und außergerichtlicher Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen. Diese sind aber nur Leitlinien und stellen keinen völkerrechtlichen Vertrag dar. Die Nationen sind so nur angehalten, die Prinzipien in Nationale Aktionspläne umzusetzen.

Leider gibt es weiterhin täglich Verstöße gegen Menschenrechte entlang der Lieferkette. Viel zu häufig sind dabei Kinder betroffen – weltweit sind nach aktuellen Schätzungen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und UNICEF 160 Millionen Mädchen und Jungen von Kinderarbeit betroffen. Die Corona-Pandemie hat diese Situation noch verschärft. Dabei ist im Nachhaltigkeitsziel 8 der UN das Ziel festgeschrieben, bis 2030 jegliche Form der Kinderarbeit abzuschaffen. Das Ziel 8 fordert außerdem im Allgemeinen menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Um dieses Ziel wirklich erreichen zu können, braucht es jedoch noch mehr Anstrengungen, starke gesetzliche Regelungen und verantwortliches Handeln von Wirtschaftsverbänden. Bangladesch hat doch eindeutig gezeigt, dass verantwortliches Handeln auf freiwilliger Basis nicht ausreichend ist. Um weitere Katastrophen wie Rana Plaza zu verhindern und menschenwürdige Arbeit zu ermöglichen, brauchen wir deshalb starke internationale sowie nationale Lieferkettengesetze!

-Leah-


Das Beitragsbild stammt von J Williams auf Unsplash.com

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