Was wir aus der Krise lernen können

COVID19 legt das öffentliche Leben nahezu lahm in diesen Wochen. Geschlossene Läden, leere Straßen und gesperrte Spielplätze – die Stadt scheint wie ausgewechselt. Nachdem die erste Welle von Hamsterkäufen wieder abgeebbt ist und die ersten Klopapierpackungen wieder in den Regalen zu finden sind, macht sich eine gewisse Stille breit. Ich habe den Eindruck, dass die Krise zum Nachdenken und zur Besinnung anregt. Jeden Tag gibt es neue Informationen, Regeln, Zahlen. Die Lage ist hoch dynamisch – ist einer der von mir zuletzt am meisten gelesenen Sätze. Und auf einmal zeigt sogar die Politik Fähigkeit zum schnellen Handeln.

Der Sozialstaat erwacht wieder

Mit Hochgeschwindigkeit wurde das Rettungspaket im Bundestag verabschiedet, das neben Milliardenhilfen für Unternehmen und Krankenhäuser auch ein Sozialschutz-Paket enthält. Menschen können plötzlich Grundsicherung beantragen ohne ihre Ersparnisse offenlegen zu müssen oder nachzuweisen, dass ihre Wohnung klein genug ist. Mieter*innen dürfen wegen krisenbedingter Schulden nicht auf die Straße gesetzt werden und bedürftige Familien erhalten einen Kinderzuschlag. Die Politik zeigt, dass sie nicht nur Banken rettet, sondern auch Menschen vor dem Fall bewahren will. Der schon fast in Vergessenheit geratene Sozialstaat ist wieder zum Leben erwacht.

Verhaltenskodex: solidarisch

Diesen scheinbaren Gesinnungswechsel sehen wir auch sonst in der Gesellschaft: Solidarität – das Wort, das sonst nur im Vokabular linker Kreise vorhanden ist – heißt nun das Gebot der Stunde. Solidarität mit Menschen, die zur Risikogruppe gehören, wie alte Menschen oder solche mit Vorerkrankungen. Solidarität mit Pflegekräften und Ärzt*innen, mit Kassierer*innen und allen Menschen, die systemrelevante Arbeiten ausführen. Überall hängen Angebote zur Einkaufshilfe aus, wir halten uns an Hygienevorschriften und die Regeln des social distancing, um andere Menschen und uns selbst nicht zu gefährden. Im Fernsehen ruft Jens Spahn dazu auf, den Kassierer*innen freundlich zuzulächeln. Unsere Solidarität reicht von Mitgliedern unseres Familien- und Freundeskreises bis hin zu Fremden – und gibt so Hoffnung, dass der Blick über den Tellerrand künftig sogar noch weiter reichen kann. Möglicherweise sogar bis nach Lesbos?

Das Klima atmet auf

Scheint euch der Himmel auch ungewöhnlich klar? Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit haben zumindest auf das Klima positive Auswirkungen. Produktionsrückgang und gestrichene Flüge reduzieren den CO2-Ausstoß erheblich und verbessern damit maßgeblich die Luftqualität. Zwar sind diese Effekte vermutlich nur eine kurze Verschnaufpause für die Erde, allerdings besteht Hoffnung auf ein Umdenken der Gesellschaft. Die Digitalisierung wird zurzeit enorm vorangetrieben. Homeoffice und Skype- oder Telefonkonferenzen, gegen die sich viele Unternehmen bisher gesträubt haben, wurden möglich gemacht und bewähren sich. Vielleicht bekommen Eltern bald die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten und anderen Menschen kann das Pendeln oder Geschäftsreisen erspart werden. Das würde Kitas und Autobahnen entlasten.

Achtsam durch den Alltag

Für alle mit Hummeln im Hintern ist Achtsamkeit ist eine Lektion, die wir aktuell erlernen können. Achtsamkeit bedeutet im Hier und Jetzt leben, sowohl körperlich als auch mental. Es heißt auf den Moment achten, ohne ihn zu bewerten. Sich nicht in Gedanken um Zukunft und Vergangenheit zu kümmern. Hört sich irgendwie wie Meditation an? Das Konzept stammt ursprünglich auch aus dem Buddhismus, wird mittlerweile aber auch vermehrt in der Medizin erforscht. Wir leben meist so schnell, sind immer in Bewegung und in Eile. Wenn wir keine Verpflichtungen haben, machen wir uns Freizeitstress, fahren weg, lenken uns ab. Für viele ist es eine Herausforderung mit sich alleine zu sein oder einfach nichts zu tun. Um das zu lernen, werden häufig lange Spaziergänge alleine empfohlen – außer Netflix sowieso die einzige Aktivität, die wir aktuell machen können. Sich Zeit nehmen und den Moment leben – Achtsamkeit macht nachweislich glücklicher.

Zeit für grundlegende Fragen

Die aktuelle Zeit lädt ein, um sich auf das Wesentliche zu besinnen. Was brauche ich zum Leben, was macht mich glücklich? Kann ich mich selbst aushalten?

In was für einer Gesellschaft will ich leben? Was läuft schief, was kann verbessert werden? Welche Alternativen gibt es heute schon und kann ich was tun?

Ich hoffe sehr, dass wir aus dem Ausnahmezustand etwas lernen können und etwas Positives aus der Krise mitnehmen können. Es geschieht aktuell ein Bruch in Wirtschaft und öffentlichem Leben. Jetzt ist es an der Zeit zu überlegen, wie wir weitermachen wollen.

Beitragsbild von Dean Moriarty auf Pixabay

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