Was bedeutet es im Bürgerkrieg aufzuwachsen?

„An den Frieden denken heißt, an die Kinder denken.“ – Michail Gorbatschow 

Die neusten Geschehnisse in Myanmar und die damit verbundene Angst, ein Bürgerkrieg könne ausbrechen, erinnern nur allzu schmerzlich an andere Bürgerkriege in der Welt. Zu oft verschließen wir unsere Augen vor den tragischen Schicksalen vieler Kinder in den betroffenen Regionen. Gerade diese brauchen doch Schutz, einen Zugang zu Bildung, ein sicheres Zuhause und eine dauerhafte Versorgung mit Lebensmitteln. Die Realität sieht jedoch anders aus: Weltweit leben rund 426 Millionen Kinder in Konflikt- und Krisengebieten – fast jedes 5. Kind. Was bedeutet Bürgerkrieg für diese Kinder?

Der Syrien-Konflikt

Nicht zuletzt durch eine kurze mediale Aufmerksamkeitswelle wurde den Menschen im März 2021 vor Augen geführt, dass in Syrien seit nun zehn Jahren Bürgerkrieg herrscht. Ein Ende ist nicht in Sicht. Laut UNICEF sind 9 von 10 Kindern auf humanitäre Hilfe angewiesen, Mangelernährung betrifft im Norden Syriens eins von drei Kindern. Viele sind von Sorgen über Armut geplagt, Perspektivlosigkeit belastet die Psyche. Sorgen, mit denen eigentlich kein Kind konfrontiert werden sollte. In ihrer Verzweiflung müssen viele Eltern ihre Kinder arbeiten schicken. Frühe Heirat ist ein trauriges, aber hilfreiches Instrument, um die Familie zu ernähren.

Auch die Bildung der Kinder ist vom langen Bürgerkrieg gezeichnet: Ein Drittel aller Schulen sind zerstört oder beschädigt, fast 2,5 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule.

Bundesentwicklungsminister Gert Müller hat dazu Mitte März Stellung genommen: „Syrien ist die größte Tragödie dieses Jahrhunderts. Nach 10 Kriegsjahren sind 22 Millionen Menschen im ganzen Krisenbogen auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Eine ganze Generation syrischer Kinder kennt nichts als Angst und Not.“ Weiterhin fordert er: „Auf der Syrienkonferenz Ende März müssen alle Geber ihre Anstrengungen verstärken. Und wir brauchen einen neuen Anlauf für einen dauerhaften Frieden. Denn ein ‚weiter so‘ für die nächsten 10 Jahre kann es nicht geben.“ Die Geberkonferenz zeigte sich am Ende jedoch eher als große Enttäuschung: Lediglich 5,3 der notwendigen 8,54 Milliarden Euro kamen zusammen, wobei Deutschland mit 1,7 Milliarden Euro den größten Betrag beisteuerte. Andere Länder wie Großbritannien kürzten ihre zugesagten Mittel sogar noch. Wenn die Weltgemeinschaft die Notwendigkeit der Hilfe für Syrien nicht erkennt, wer hilft dann all diesen vom Bürgerkrieg gezeichneten Kindern?

Die humanitäre Katastrophe im Jemen

Seit 2015 leiden die Menschen im Jemen unter einem Bürgerkrieg, der laut den Vereinten Nationen zur weltweit größten humanitären Katastrophe unserer Zeit geführt hat. Dabei sind Kinder vor allem von Unterernährung bedroht: In diesem Jahr werden nach Informationen von UNICEF schätzungsweise bis zu 2,3 Millionen Kinder unter 5 Jahren an akuter Mangelernährung leiden. Lebensbedrohlich kann diese Mangelernährung für rund 400 000 Kinder werden. Nur durch Spezialnahrung wie Erdnusspaste und therapeutische Milch kann noch geholfen werden.

Der Zugang zu Bildung wird jemenitischen Kindern durch verschiedene Faktoren erschwert. Schulen werden routinemäßig angegriffen. So wird ein Ort, an dem Kinder in einem behüteten Umfeld lernen sollten, zur Gefahr. Fast 2 Millionen Kinder können die Schule nicht besuchen.

Doch auch der Bürgerkrieg selbst hat viele Kinder als Opfer gefordert. Durch Angriffe haben seit 2015 tausende Kinder ihr Leben verloren. Auch Zwangsrekrutierung ist für viele Realität geworden.

Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Save the Children oder UNICEF geben vor Ort alles, um den Menschen zu helfen. Doch auch hier enttäuscht die internationale Unterstützung: Bei der diesjährigen UN-Gerberkonferenz sind weniger als die Hälfte der benötigten 3,85 Milliarden Dollar für den Jemen zusammengekommen. So bleibt wohl auch weiterhin die drohende Hungersnot und das damit verbundene Leiden an der Tagesordnung im Jemen.

Was also tun bei all dem Leid?

Die Zahlen im Jemen und in Syrien sprechen eine eindeutige Sprache. Leid, Todesangst, Hungersnot und fehlende Bildung im Kindesalter führen zu irreversiblen Schäden. All die Erfahrungen, die Kinder in Kriegs- und Krisengebieten machen, zeichnen sie für ihr Leben. Sie sind nicht wieder gut zu machen. Doch nicht nur Syrien und der Jemen sind vom Bürgerkrieg betroffen, weitere Länder wie Somalia oder der Südsudan kämpfen mit den Folgen bewaffneter Konflikte. Am Ende trifft es jedoch immer die Schwächsten: die Kinder.

Was können wir also tun, bei all dem Leid? Wichtig ist wohl vor allem, die Augen nicht zu verschließen und nicht zu vergessen. Sich die Schicksale und Geschichten anzuhören, nicht wegzuschauen. Gegebenenfalls eine Öffentlichkeit schaffen, immer wieder auf die Missstände hinweisen. Wenn ihr gerne finanziell unterstützen möchtet, könnt ihr dies zum Beispiel über UNICEF oder Save the Children tun.

-Leah-


Das Bild ist von Aladdin Hammami auf Unsplash.com und zeigt Aleppo, Syrien.

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