27 Jul 2021 „South-South Cooperation” als Zukunftsmodell der Entwicklungszusammenarbeit?
Woran denkt ihr bei dem Begriff „Entwicklungszusammenarbeit”? Die meisten Menschen denken vermutlich an vertikale Beziehungen zwischen Ländern des Globalen Nordens, die den Ländern des Globalen Südens „helfen“. Diese Form der Entwicklungszusammenarbeit hat eine lange Tradition. Doch ist sie noch zeitgemäß? Vermehrt treten auch andere Akteurinnen und Akteure im Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit auf, allen voran China. Welche Möglichkeiten und Herausforderungen bringt dies mit sich? Was sind „South-South Cooperation“ und bedeuten sie, dass Partnerschaften zwischen diesen Ländern gleichberechtigter sind?
Vom 16. bis 18. Juli durfte ich an dem Wochenendseminar „South-South Cooperation: Equal Partners?“ von STUBE Hessen in Fulda teilnehmen, bei dem es in drei Workshops um diese Fragen ging. STUBE Hessen ist ein studienbegleitendes, entwicklungspolitisches Programm für Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika, die in Hessen studieren. Das vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) geförderte Projekt des World University Service (WUS) , brachte 24 Personen aus elf Ländern zusammen, um einen Beitrag zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 17 der Agenda 2030 zu leisten: das Schaffen von „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“.
Die Rolle Chinas
Zum ersten Workshop „The `Dragon`s Gift´: How China redefines development geographies“ wurde Dr. John Njenga Karugia als Referent eingeladen, der an der Goethe-Universität Frankfurt und der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt. Es ging um die Rolle Chinas in Bezug auf Partnerschaften mit afrikanischen Staaten. Während westliche Akteurinnen wie die EU und USA Entwicklungszusammenarbeit an Bedingungen (wie Menschenrechte oder Demokratie) knüpfen, betont China die gemeinsame koloniale Vergangenheit und vermittelt oft das Bild des „bösen Westens“. Oft besteht die Ansicht, dass westliche Staaten den Vorsprung als „entwickelte Länder“ haben und deshalb wissen, was andere Länder brauchen. China hingegen scheint eher auf die wirklichen Bedürfnisse reagieren zu können. Natürlich kommen auch die Angebote der chinesischen politischen Elite nicht „kostenlos“ daher: Afrikanischen Ländern wird zwar zugetraut, eigene Entscheidungen treffen zu können, aber nur so lange ein bestimmtes Projekt auch vollendet wird. Damit das funktioniert, sendet China nicht einfach Geld an Länder bzw. ihre Regierungen, sondern eigene Ingenieurinnen und Ingenieure und Materialien, um Einfluss zu verbreiten und Abhängigkeiten entstehen zu lassen wie dies in Sri Lanka und Tansania zu beobachten ist.
Formen der Entwicklungszusammenarbeit
Ein zweiter Workshop „Global Partnerships for Sustainable Development – A „North-South-Perspective” unter der Leitung von Komla Mawufemo Digoh hat die Formen von Entwicklungszusammenarbeit unterschieden. Während Nord-Süd-Beziehungen meist durch ein hohes Budget an finanzieller und technischer Hilfe für die Empfängerländer gekennzeichnet sind, kennen die Geberländer den Bedarf nicht ausreichend. Süd-Süd-Beziehungen hingegen bieten den Vorteil, dass man anderen durch eigene Erfahrungen helfen kann; jedoch fehlen hier manchmal die Mittel. Zunehmend spielt auch eine dritte Form der Zusammenarbeit eine Rolle, die die Eigenschaften der vorherigen verbindet: eine dreiseitige Beziehung zwischen Ländern des globalen Nordens (EU, USA, Japan), den ehemaligen „Entwicklungsländern“ bzw. BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Saudi-Arabien) und den „Empfängern“ bzw. Ländern des globalen Südens.
„Humanitäre Interventionen“
Beim dritten Workshop „Responsibility and conflict: Saving our own people?” informierte uns Dr. Alex Reichwein von der Justus-Lieblig-Universität Gießen über die Berechtigung von und zu „humanitären Interventionen“. In der UN-Charta ist der Begriff nicht weiter definiert, aber de facto ist die Entscheidung über legitime Interventionen von den ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat (P5) der Vereinten Nationen abhängig. Das dahinterliegende Motiv ist die „Responsibility to Protect“ (R2P). Für Reichwein ist der Begriff nur eine Beschönigung für Machtpolitik: Westliche Staaten intervenieren in Ländern zwar mit dem geäußerten Ziel, Demokratie einzuführen, doch bisher hat sich die Lage dadurch stets verschlimmert. Andererseits intervenieren westliche Staaten aber auch nicht, wo es eigentlich nötig wäre, um Beziehungen mit anderen Akteurinnen und Akteuren nicht aufs Spiel zu setzen (z.B. im Jemen wegen Saudi-Arabien). Besonders nach dem im Zuge des nach dem Anschlag am 11. September 2001 beginnenden „Antiterrorkrieges“ hat sich die Motivation hinter Interventionen von „humanitär“ zu „ideologisch motiviert“ gewandelt.
Was ich mitnehme
Das Seminar hat mir vor allem eins gezeigt: alles geschieht im globalen Kontext und über den Tellerrand der westlichen Perspektive zu schauen geht am besten durch das gemeinsame Gespräch – und das: nicht nur virtuell. Beim Essen und Zusammensitzen habe ich Menschen kennengelernt, die andere Dinge erlebt haben, als ich das jemals tun werde. Trotzdem verbindet uns so viel und Lösungen lassen sich nicht ohne Zusammenarbeit finden. Wir alle haben eine Verantwortung und Position, aus der heraus man (globale) Zustände beeinflussen kann. Wenn Machtpolitik bedeutet, dass politische Entscheidungsträgerinnen und -träger stets rational und eigenorientiert entscheiden, braucht es das Engagement der Zivilgesellschaft, die sich nicht nur um die eigenen Belange schert. Lernt einander kennen und werdet aktiv – ohne die Mobilisierung vor allem westlicher, europäischer Massen verändert sich nichts!
-Mara Schaffer-
Das Beitragsbild wurde uns mit freundlicher Genehmigung von STUBE Hessen zur Verfügung gestellt.
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