So nah und doch so fern? – Nachbarn

Wenn’s auch mit der Nachbarin oder dem Nachbarn klappen soll, dann bietet das Buch „Ziemlich beste Nachbarn – Der Ratgeber für ein neues Miteinander“ von Ina Brunk und Michael Vollmann einen guten Überblick über Möglichkeiten des Sich-Annäherns bei schon vorhandener räumlicher Nähe.

Also geht es um Dating?!

Diesmal nicht. Und das obwohl etwa Vollmann auch schon bei Dating-Plattformen seine Startup-Finger mit im Spiel hatte. Hier geht es um mehr oder weniger als Liebe. Wie es einem eben besser gefällt. Das ganz einfache Miteinander, Nebeneinanderher-Wohnen oder -Leben, das steht im Fokus. Etwas gegen Vereinsamung tun und Menschen zusammenbringen, hat sich die nebenan.de Stiftung auf die Fahnen geschrieben.

Was ist nebenan.de?

Falls du es noch nicht kennst, nebenan.de ist wie eine Art Facebook für die eigene Nachbarschaft. Beide Autoren sind Mitgründer eben dieser Nachbarschaftsplattform. Auf dem Cover informiert darüber ein großer, gelber Kreis. Vor dem Aufschlagen des Buches könnte also die Furcht umgehen, dass es sich um schamlose Eigenwerbung handelte. Dem ist aber nicht so. Hier und da wird auf die Möglichkeiten von nebenan.de hingewiesen, Überhand nimmt es aber nicht.

Was denn sonst?

Stattdessen wird anderen Initiativen und Projekten aus Deutschland Raum geboten, die im Fokus Nachbarschaft auftauchen. Hier wird zusammen gegärtnert, Flohmärkte organisiert oder älteren Mitbürger*innen beim Einkauf geholfen. Zwischendurch gibt es auch immer wieder Kurzinterviews mit Wissenschaftler*innen, Politiker*innen oder Projektteilnehmer*innen zum Thema. Das Ganze liest sich locker-flockig und wird immer wieder durch Bilder von Projekten und Aktionen verziert. Als Ratgeber bleibt das Buch aber nicht dabei, nur die Taten anderer vorzustellen. Handliche Listen und regelrechte Rezepte, um selbst aktiv werden zu können, gibt es ebenfalls. Das muss nicht nur zum Spaß geschehen, auch politisches Engagement und Nachhaltigkeitsthemen haben die Autoren im Blick. Alles in allem eine gute Sache, die einem, wie sagt man so schön, den Glauben an die Menschheit zurückgibt.

Also alles klasse?

Leider muss die rosarote Brille auch mal zur Seite gelegt werden, denn wo Menschen aufeinandertreffen, kann es immer auch zu Konflikten kommen. Nicht jede*r will Grenzen einreißen oder möchte sogar zusätzliche aufbauen. Im Buch werden nur erfolgreiche und positive Aktionen vorgestellt, aber es gibt auch Schattenseiten von zu viel nachbarschaftlichem Zusammenhalt. Wo ein Wir ist, gibt es auch immer die Anderen. Ein Blick nach San Francisco verdeutlicht das. Hier wird nextdoor angeboten. Das ist quasi das US-amerikanische Vorbild von nebenan.de. Es bringt ebenfalls Nachbarschaften zusammen, wird aber im vorgestellten Fall wie eine Art Überwachungssystem missbraucht, um Fremde zu kennzeichnen, zu verfolgen und auszuschließen. Vielleicht sind das Einzelfälle und scheinen weit weg, aber möglich ist viel. Also Augen auf im Dschungel der Kommunikationen!

Die Rezension entstand in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle Bildungsauftrag Nord-Süd des WUS. Weitere Buchbesprechungen könnt ihr hier finden.

Photo by Charles L. on Unsplash

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