Ruanda als Vorreiter für die Gleichberechtigung von Frauen?

Dass Ruanda mit einer Frauenquote von 61,3 Prozent im Parlament (Stand: Januar 2021) weltweit führend ist, wissen vielleicht einige. Auch sonst läuft in Sachen Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Ruanda schon vieles richtig, Ruanda wird oft als Land der Frauen bezeichnet. Doch vor nicht einmal 30 Jahren sah die Sache für Frauen noch ganz anders aus. 1994 fand sich das Land in seinem dunkelsten Kapitel wieder. Der Völkermord in Ruanda kostete Schätzungen zufolge mehr als 1.000.000 Menschen das Leben. In den Jahren nach dem Völkermord überschlugen sich wirtschaftliche, soziale und politische Neuerungen, die vor allem von Frauen initiiert wurden. Bessere Bildungschancen, Führungspositionen, Abschaffung traditioneller Rollenverteilung in der Familie – all das ist in Ruanda möglich geworden. Doch wie kam es zu diesen Änderungen und wie fortschrittlich ist das Land in der Gleichberechtigung von Frauen wirklich?

Der Völkermord von 1994

Bereits vor der Eskalation im Völkermord von 1994 gab es jahrzehntelange Konflikte zwischen den Hutu und der Tutsi-Minderheit. Diese Differenzen gehen vor allem auf die belgische und deutsche Kolonialisierung zurück. Die Ungleichbehandlung der beiden Gruppen hatte die ethno-soziale Spaltung zwischen der damals dominierenden Tutsi-Minderheit und der Hutu-Mehrheit in massivem Ausmaß vorangetrieben. Nach einem bis heute ungeklärten Attentat auf den damaligen Hutu-Präsidenten kam es zur endgültigen Eskalation. Die Regierung rief zum Mord an der Tutsi-Minderheit auf. Militante Hutu ermordeten nicht nur die Tutsi selbst, sondern ebenfalls moderate Hutu. So forderte der Völkermord innerhalb von 100 Tagen das Leben von 800.000 bis 1 Millionen Tutsi, sowie einiger Tausend Hutu. 

Der Weg zu mehr Rechten

Vor dem Völkermord besaßen Frauen in Ruanda kaum Rechte. Man betrachtete sie als Eigentum des Mannes, das auf häusliche Tätigkeiten und ihre Rolle als Mutter beschränkt wurde. Auch der Besuch der Schule wurde vielen vorenthalten, die Bildung von Jungen als Priorität verstanden.

Mit dem Ende des Völkermords hatte sich die demografische Struktur im Land stark verändert. Die Mehrzahl der Toten, Gefangenen und Geflohenen waren Männer. So bildeten Frauen 70% der Bevölkerung. Daher waren diese auch maßgeblich am Wiederaufbau des Landes beteiligt. Viele Frauen gingen erstmals in die Politik und erließen Gesetze, die Frauen mehr Rechte zusprachen. So war es Frauen erstmals erlaubt zu erben, die Bildung von Mädchen und Frauen wurde stärker gefördert und Gewalt gegen Frauen stärker bestraft. Gleichberechtigung wurde fest im Gesetz verankert.

Also ist in Ruanda alles besser für die Frau?

So einfach ist es leider nicht. Viele Aspekte der Gleichberechtigung wurden von oben, von der autoritären Regierung verordnet, wie zum Beispiel die Verankerung der Gleichberechtigung in der Verfassung. Der ruandische Präsident Paul Kagame betont immer wieder, dass eine nationale Aussöhnung nur möglich ist, wenn alle Menschen in Ruanda miteinbezogen werden und setzt sich daher stark für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. Daher könne mit den Frauen nicht einfach mehr als die Hälfte der Bevölkerung ignoriert werden. Doch nicht nur Männer stellen sich gegen die in ihren Augen unbequeme Alternative der Gleichberechtigung. Auch Frauen haben noch Schwierigkeiten, ihre neue Rolle anzunehmen.

Doch der Stein ist ins Rollen gebracht worden

Auch wenn Gleichberechtigung für einige Menschen noch für Kopfschütteln sorgt; bei vielen ist dies bereits fest im Familienleben etabliert. Dies wird vor allem durch die verpflichtenden Ehepaar-Trainings unterstützt. Dort lernen Männer, dass sie sich selbst nichts Gutes tun, wenn sie sich nicht um ihre Kinder kümmern und zudem viel verpassen. Außerdem soll ein stärkeres Bewusstsein dafür entstehen, Ehepartner zu respektieren und Gewalt in der Ehe als ein Tabu zu verstehen. Auch die Ermutigung, Frauen einen Job ausüben zu lassen, ist Teil des Trainings.

Auf dem Arbeitsmarkt ändern sich auch bereits viele Dinge. So gibt es immer mehr Frauen, die ihr eigenes Unternehmen führen oder sich in Berufe wagen, die traditionellerweise von Männern ausgeübt wurden. Auch dort begegnen Frauen jedoch erstmal Vorurteilen und Hürden. Warum? Der reformbedingte Wandel war einfach schneller als der gesellschaftliche Wandel. Diese Änderungen brauchen noch etwas mehr Zeit, um von der ganzen Gesellschaft akzeptiert zu werden. Trainings wie oben beschrieben können dabei helfen, Gleichberechtigung in den Köpfen der Menschen als selbstverständlich zu verankern. Auch wenn noch viel getan werden muss – der Stein ist ins Rollen gebracht worden und Ruanda ist auf einem guten Weg hin zur vollständigen Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Du möchtest noch mehr über die Situation von Frauen in Ruanda erfahren? Dann schau doch mal in diese Reportage von Deutschlandfunk Kultur von 2018 rein. Dort erfahrt ihr in vielen verschiedenen persönlichen Geschichten von Ruanderinnen, wie sie Gleichberechtigung im Land erfahren. Was meint ihr zu Ruanda? Denkt ihr, dass das Land im Fall der Gleichberechtigung ein Vorbild für viele andere Länder, zum Beispiel auch Deutschland sein könnte?

-Leah-


Das Beitragsbild stammt von Dylan Walters von Flickr.com, lizensiert unter (CC BY 2.0) .

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