Diskriminierung und Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit

Diskriminierung und Rassismus innerhalb von Entwicklungsorganisationen werden heute öffentlich thematisiert, in der Praxis aber oft trotzdem nicht ausreichend angegangen. Nicht nur ist die Entwicklungszusammenarbeit in Bezug auf ihren Ursprung und heutige Praktiken kritisch zu betrachten – sie verfehlt es auch innerhalb ihrer Organisationen häufig, Diskriminierung am Arbeitsplatz als das Problem anzuerkennen, das sie ist.

Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist die moderne Version der „Entwicklungshilfe“. Es sind Bemühungen gemeint, mit beispielsweise technologischer Unterstützung wirtschaftlich schwächeren Ländern zu verbesserten Grundeinkommen zu verhelfen. Diese Absichten resultieren in der EZ häufig in dem Selbstverständnis, in erster Linie „Gutes zu tun“. Ganz so einfach ist das aber nicht, weil gerade dieses Selbstverständnis in den Entwicklungsorganisationen oft konkrete Auseinandersetzungen mit Diskriminierung und Rassismus verhindert.

Haltung und Abwehr: Rassismus? Hier?

Tupoka Ogette, Autorin des Werkes „Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen“, formuliert die Herausforderung in einem Interview so: 

Einerseits ist die Geschichte des Rassismus immanent mit der Existenz von entwicklungspolitischen Organisationen verknüpft. […] Andererseits herrscht aber gerade in Entwicklungsorganisationen oft das Selbstverständnis, besonders Gutes zu tun und damit auch zu den besonders Guten zu gehören. Vor allem zu denen, die absolut nicht rassistisch sein können. Diese beiden Dinge passen leider schlecht zusammen, wenn es dann um rassismuskritische Selbstreflexion gehen soll, da diese Forderung dann nicht selten große Abwehr auslöst oder gar eine rassismuskritische Auseinandersetzung ganz verhindert.

Interview mit Tupoka Ogette

Wie diese Abwehr konkret aussieht, kann am Beispiel der Studie „Racism, power and truth: Experiences of people of colour in development“ über Entwicklungsorganisationen in England nachvollzogen werden.

Diskriminierung am Arbeitsplatz

In der Studie des British Overseas NGOs for Development (Bond) von 2021 stellt sich heraus: Entwicklungsorganisationen sind keineswegs frei von rassistischer Diskriminierung. Vielmehr zeichnet sich ein ernüchterndes Bild über die Erfahrungen mit Diskriminierung in der Entwicklungszusammenarbeit ab. Dass es sie gibt, wird theoretisch anerkannt, oft werden sie aber nicht konkret und gezielt aufgearbeitet und manchmal auch gänzlich ignoriert. Bond vernetzt zahlreiche NGOs im Entwicklungsbereich im Vereinigten Königreich und hat zum Zweck der Studie 150 davon untersucht.

In den untersuchten Organisationen erstreckt sich Diskriminierung demnach von Bewerbungsverfahren über das eigentliche Arbeitsleben und die Aufstiegschancen von People Of Colour. Die Befragten berichten demnach, dass Rassismus als Problem auch häufig verharmlost oder ganz ignoriert wird. Anstatt das Erlebte ernst zu nehmen, wird es in „unconscious bias“, also unbewussten oder „automatischen“ Vorurteilen verortet. So lassen sich Diskussionen über systemischen Rassismus und bewusste Vorurteile oft vermeiden. Die Studie ist online unter www.bond.org.uk zugänglich.

Die Studie ist zwar neu, die Erkenntnis, dass Diskriminierung und Rassismus in der EZ überall vorkommen, ist es eher nicht. Dementsprechend gibt es Lösungsansätze und auch Reaktionen in den Entwicklungsorganisationen. Rassismuskritische Arbeit kann in der EZ verwirklicht werden, wie Tupoka Ogette zeigt. 

Rassismuskritische EZ

Für sie gehört zum Angehen der Probleme zuerst einmal die Anerkennung, dass rassistisches Denken weniger Abweichung und mehr Normalität ist. Dies resultiert aus gesellschaftlicher Sozialisierung, in der Rassismus unreflektiert und manchmal unbewusst weitergegeben wird. In Organisationen müssen sich die Anerkennung dessen und entsprechende Reflexionsprozesse wiederfinden: Das geht beispielsweise mit externen Berater:innen und der Priorisierung von Rassismuskritik am Arbeitsplatz. Rassismuskritisches Denken muss in den Arbeitsalltag integriert werden und einen festen Platz in den Strukturen der Organisationen einnehmen.

Die EZ kann sich nicht durch ihr Selbstverständnis aus der Verantwortung ziehen, auch intern Diskriminierung zu bekämpfen. Es müssen innere Kulturen gefördert werden, die für die Ursprünge und Ziele der EZ sensibel bleiben, und obendrein Diskriminierung in den eigenen Reihen erkennen und entfernen können. Es könnte ein Schritt sein hin zu einer EZ, die als Ganzes sensibler für Diskriminierung und Rassismus wird.

-Pauline-


Photo von Amy Elting auf Unsplash

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