Nature Connected Youth – Ein Projekt, das zum Fühlen anregte

Es gibt eine Erfahrung, die in der weltweit verbreiteten Corona-Pandemie viele teilen – Isolation. Die Worte „Quarantäne“ und „Lockdown“ sollten meines Erachtens zu den (Un)worten des Jahres erklärt werden. Durch Einschränkungen und Verunsicherungen leidet unser Kontakt zu anderen, insbesondere auch interkulturelle Austauschmöglichkeiten sowie das Zusammentreffen von diversen sozialen Kreisen wird erschwert bis unmöglich, es verstärken sich Separationsprozesse.

Diese gemeinsame Erfahrung von Isolation bzw. Einschränkungen im persönlichen Alltag hat uns alle im Online-Jugendaustausch Nature Connected Youth zwischen deutschen und türkischen Teilnehmenden begleitet. Vor diesem Hintergrund und den Herausforderungen, denen wir alle durch die Corona-Krise gegenüberstehen, war es eine Freude, sich einer Ressource bewusst zu werden, die uns beinahe selbstverständlich auch in der Krise zur Verfügung steht und uns Halt und Ruhe geben kann: nämlich unsere Verbindung zur Natur und damit auch zu uns selbst. Letztendlich stellt man fest, dass man sich als Mensch nicht entkoppeln kann von „der“ Natur. Wir sind Teil, wir sind selbst Natur und wir schaffen Bewusstsein über unsere Umwelt. In der modernen Gesellschaft entsteht insbesondere in Anbetracht der Klimaveränderungen oft der Eindruck, wir hätten uns entkoppelt und lebten nicht mehr im Einklang mit unserer Natur. Der Gedanke, ob es ein Entkoppeln von uns selbst ist, da wir unweigerlich Teil von Natur sind, hat mich während des Projektes beschäftigt

Doch wie haben wir uns mit der Verbindung zur Natur auseinandergesetzt? 

Ob durch Vogelbeobachtung, einen achtsamen Spaziergang oder das Schreiben eines Gedichtes (Haiku, eine traditionelle japanische Gedichtform): wir bekamen einige Anregungen, um die uns umgebenden Naturorte besser zu erkunden. Biomimicry – so nennt sich beispielweise die Wissenschaft, welche innovative Lösungen aus der Natur ableitet. Gib ein Schlagwort in dieser Suchmaschine ein und du findest gegebenenfalls eine Antwort auf deine Frage aus der Natur: www.asknature.org.

Wie schon erwähnt, fand der Jugendaustausch nur online statt. Wie das war? Nun ja, jeden Morgen gab es herzlich geführte Zoom-Sessions, Aktivitäten und dann ein Wiedersehen zum Austausch am Nachmittag. Die Online-Party am Samstagabend war für einige von uns die erste digitale Party überhaupt und hat uns ganz spielerisch ordentlich in Fahrt gebracht. Der Icebreaker funktioniert also auch virtuell. Die Atmosphäre war sehr offen und man könnte sagen, wir haben uns gegenseitig dazu verholfen, unsere Verbindung zur Natur emotional und gedanklich wahrzunehmen. Bei den täglichen Aktivitäten war man nicht allein, wenn man das nicht wollte, denn im Gepäck gab es immer eine Whatsapp-Gruppe, in der Bilder von den Ausflügen, Musik und Gedanken geteilt wurden.

Meine Empfehlung: unsere Playlist bei Spotify namens Nature Connected Youth. Und somit war meine Woche gefüllt von farbigen Herbstbildern, Ausblicken auf Wälder, Strände, windige Seen, grüne Hinterhöfe, begleitet von musikalischen Klängen und, nicht zuletzt, Vogelgeräuschen.

Wie habe ich das Projekt erlebt?

Ich war neugierig, ich war neugierig, denn es hat mich sehr interessiert, wie ein Austausch online stattfinden kann. Wie es sich anfühlt, über den PC, Gemeinschaft und das Thema Natur zu erleben? Als ich Teil des Projektes werden durfte, fühlte ich mich zunächst etwas fremd. Das Beobachten oder gar Zeichnen von Natur hatte ich bisher lieber Biolog*innen und Naturforscher*innen überlassen und selbst nicht als erstrebenswert erachtet. Doch was passiert, wenn wir „out of our box“ gehen? Wir erste Ängste und Bedenken überwinden? Wir erweitern unseren Erfahrungsschatz und fühlen uns im Nachhinein bereichert.

Ursprünglich stellte ich mir vor, ich würde vor dem PC sitzen, ich würde ein paar Vorträgen lauschen und mir dann einen Kaffee machen und meinem Alltag nachgehen, aber im Austausch entstand nicht nur eine besondere Gruppengemeinschaft, sondern auch Ideen, die meinen Alltag nachhaltig begleiten.  Fortwährend hat (nicht nur) mir das Jahr 2020 stetige Veränderung gebracht, ob es neue Regularien waren, auf die ich mich einstellen musste oder persönliche Vorhaben, die ich dadurch nicht nur einmal abändern durfte. Das Einzige, was bestehen bleibt, die stetige Veränderung (Tadaa). In dieser Zeit nicht den Fokus auf negative Sachen durch permanente Einschnitte zu richten, sondern trotz äußerer Irritation innere Ruhe zu finden, dabei hilft mir die Verbundenheit zur Natur. Und zu wissen, dass diese Ressource (hoffentlich!) beständig bleibt, das macht sie so wertvoll.

Ein Blick darüber hinaus

Was es im Hinblick auf die digitale Begegnung noch anzumerken gibt, ist eine Sache, die im Feedback Thema wurde. Aufgrund der Corona-Situation verlagert sich das soziale Geschehen ins Internet. Wir können in dieser Situation dankbar dafür sein, dass uns die Möglichkeiten der Vernetzung und Verbindung über eine virtuelle Welt zur Verfügung stehen.
Dennoch gibt es dabei zwei Aspekte, die nicht außer Acht geraten dürfen. Zuerst die Notwendigkeit einer individuellen Datensensibilität – alles, was wir in dem Online-Jugendaustausch geteilt haben, wurde digital vermittelt, teilweise über Messenger wie Whatsapp oder Plattformen wie Zoom. Damit ist letztlich nichts mehr nur dem intimen Moment zwischen Menschen überlassen, sondern wird für unbestimmte Zeit Teil des digitalen Datenmeers. Zweitens, es gibt Menschen, welche nicht die Möglichkeit erhalten digital an solchen Projekten teilzunehmen, ob das nun an persönlichen Umständen oder strukturellen Bedingungen wie Armut liegt. Denken wir nur daran, wie es obdachlosen Menschen in einem Lockdown gehen muss, wenn sich der Raum des Geschehens zurückzieht ins Private und Digitale. Wir können diese Menschen nicht außer Acht lassen und deshalb muss bei uns allen nicht nur eine Selbstfürsorge, sondern auch die Solidarität in Verbindung zu unseren Mitmenschen steigen.

Vorschlag: Gib deinen 10. Groschen, wenn du kannst, an Hilfebedürftige. Die Krise verstärkt die soziale Separation, Armut und prekäre Verhältnisse nehmen zu, Bildungsunterschiede können sich verstärken, soziale Integration wird zunehmend eine Herausforderung. Dies sind Dinge, zu denen ich mir Gedanken mache, während ich selbst dankbar bin an einem solchen Projekt teilnehmen zu dürfen. Es stellt sich für mich die Frage des Weitergebens von dem, was ich erhalten habe. Letztendlich gehören wir alle zur Natur und zu dem gewaltigen Kreislauf eines Ökosystems. Wir können uns nicht entkoppeln, nicht von Nachbar*innen und nicht von dem Baum und den Vögeln im Hinterhof.

Im Projekt Nature Connected Youth gab es die ideale Verknüpfung zwischen einem edukativem Teil rund um Natur und Umwelt und einem Austausch auf persönlicher Ebene.

-Elisa Wellner-

Hintergrund:

Der digital angeleitete, deutsch-türkische Jugendaustausch „Nature Connected Youth“, der vom 19. bis 28. Oktober 2020 stattfand, wurde von der deutsch-türkischen Jugendbrücke gefördert und von den Organisationen NEDEN und DENK GLOBAL! umgesetzt.

2 Comments
  • Selma
    Posted at 10:40h, 10 Dezember Antworten

    Sehr schöner Text, der zum Nachdenken anregt. Vor allem die beiden Denkanstöße zum Schluss nehme ich mit. 🙂

    • EineWeltBlaBla
      Posted at 14:49h, 10 Dezember Antworten

      🙂

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