Natur zerstören, um Natur zu retten? Der Nebelregenwald in Ecuador

Nebelregenwald gilt als einer der artenvielfältigsten Orte der Welt. Dort gibt es viele bedrohte und weltweit einzigartige Tier- und Pflanzenarten. Doch nicht nur Artenvielfalt zeichnet den Nebelregenwald aus. In den Böden werden Unmengen an Kupfer vermutet – ein Rohstoff, der besonders für erneuerbare Energie und E-Mobilität benötigt wird. Um die Kupfermengen zu erreichen muss jedoch ein Loch der Größe einer Kleinstadt in den Regenwald gebohrt werden. Regenwald und Artenvielfalt zerstören, um die Umwelt durch erneuerbare Energien und alternative Mobilität zu retten? Ein Paradox, das sich im Nebelregenwald von Ecuador findet und für große Kontroversen sorgt.

Der Nebelregenwald in der Region Intag in Ecuador

Die Region Intag liegt im Norden Ecuadors und ist ungefähr fünf Busstunden von der Hauptstadt Quito entfernt. Obwohl Intag fast 1,5-mal so groß ist wie Berlin, leben dort nur ungefähr 17.000 Menschen, die ihr Einkommen hauptsächlich durch Viehzucht und Landwirtschaft generieren. Die Nähe zum Äquator und die Anden haben einen außergewöhnlichen Nebelregenwald wachsen lassen, in dem eine enorme Artenvielfalt zu finden ist. Dort sind beispielsweise Brillenbären beheimatet, die einzige Bärenart, die in Südamerika lebt. Der Brillenbär ist auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion als gefährdet eingestuft, hauptsächlich wegen Wilderei und Verlust des Lebensraums. Gerade letzteres gefährdet den Brillenbär auch in Intag.

Die Kupfervorkommen im Nebelregenwald

Doch nicht nur Tier- und Pflanzenarten sind in Intag vielfältig zu finden. In der Region werden unter dem Regenwald enorme Rohstoffschätze vermutet: Kupfer, Molybdänerz, Gold und Silber. Dabei gewinnt vor allem Kupfer immer mehr an Wert, da es die Hoffnung in sich birgt, unsere Welt grüner zu machen. Kupfer wird für Windkraft, Solarenergie und E-Mobilität benötigt, da es besonders gut Strom leitet. Daher wird es auch in Handys und Laptops verbaut. Besonders deutlich wird die enorme Nachfrage von Kupfer wohl am Beispiel des E-Autos. Dort ist die drei bis vierfache Menge an Kupfer verglichen mit einem herkömmlichen Benzinauto verbaut, zusätzlich wird der Rohstoff auch noch für die Ladestation und das Kabel benötigt. Dies verdeutlicht, warum das Kupfervorkommen in Intag so wertvoll ist.

Der Kupferabbau auf Kosten des Nebelregenwalds hat vor Ort für extreme Konflikte zwischen Bergbauunternehmen, Einheimischen und der Regierung gesorgt. Seit Jahren versuchen die meisten Einheimischen die Rodung des Regenwalds zu verhindern und haben auch einige private Bergbauunternehmen mit Protesten fernhalten können. Doch einige Einheimische befürworten auch den Bergbau, da sie sich wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand erhoffen. Die Gesellschaft vor Ort ist also gespalten.

Codelco und Decoin

Das chilenische Staatsunternehmen Codelco ist eine der größten Bergbaufirmen, die in der Region Kupfer erschließen wollen. Codelco ist der weltweit zweitgrößte Kupferproduzent und hat bereits erste Probebohrungen in Intag vorgenommen sowie Straßen und Bürogebäude im Intag-Tal errichtet. Dies ermöglichte den Einheimischen bereits einige ökonomische Vorteile, da sie auf den Baustellen arbeiten und in ihren Restaurants und Unterkünften mehr Gäste begrüßen können. Vorerst ist die weitere Erschließung jedoch auf Eis gelegt, da die Umweltverträglichkeitsstudie zu einem möglichen Kupferabbau noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem soll es zu illegalen Abholzungen und Wasserverschmutzung gekommen sein. Seit 2018 ist der Bau einer Mine für die Kupfererschließung also vorerst gestoppt. Die Gefahr für den Nebelregenwald ist damit jedoch noch lange nicht gebannt, da viele Parteien weiter für den Bergbau kämpfen. Weltweit wird das meiste Kupfer in Chile erschlossen, die größte Kupfermine befindet sich in der Atacamawüste. Auch hier wird von enormen Auswirkungen auf die Biodiversität in der Region berichtet.  

Einer der bekanntesten Widerstandskämpfer gegen den Bergbau ist Carlos Zorilla, der für die Umweltschutzorganisation Decoin (Defensa y Conservación Ecológica de Intag) arbeitet. Decoin versucht die Bevölkerung für Naturschutz zu sensibilisieren und kauft Flächen des Regenwalds, um diesen zu erhalten. Zorilla hat sich vor allem durch Gespräche mit BMW große Hoffnungen auf den Erhalt des Nebelregenwalds gemacht. Der Konzern hat sich sogar gemeinsam mit Codelco für eine nachhaltige Kupfergewinnung ausgesprochen. Viel passiert ist jedoch nicht. Das liegt vor allem auch daran, dass Unternehmen in Deutschland nicht öffentlich machen müssen, woher ihre verwendeten Rohstoffe stammen. Gerade hier wird wieder deutlich, wie wichtig ein nachhaltiges Lieferkettengesetz ist, um Unternehmen zu mehr Verantwortung zu zwingen.

Weitere Informationen

Der NDR hat bezüglich des Konflikts im Nebelregenwald eine Fotostrecke erstellt. Ein Blick lohnt sich! Elisabeth Weydt berichtet für den BR von ihren persönlichen Erfahrungen aus der Region und dem Bergbau. Dabei spricht sie viel mit Einheimischen und Bergbauern und -bäuerinnen selbst und berichtet von den Zusammenstößen der verschiedenen Parteien. In einem spannenden Bericht von fluter wird ebenfalls detailliert vom Konflikt in Intag berichtet. Wenn ihr euch einmal selbst in die Situation vor Ort denken möchtet, gibt es ein tolles und interaktives Planspiel zum Rohstoffabbau im Nebelregenwald, das von Intag e.V. und Germanwatch konzipiert wurde. Dort könnt ihr in die Rollen der verschiedenen Akteur*innen schlüpfen und so nachvollziehen, wie es sich anfühlt, mitten in einem Rohstoffkonflikt zu stecken.

Was haltet ihr vom Kupferabbau im Nebelregenwald? Denkt ihr, dass Elektromobilität weiterhin die bessere Alternative ist, auch wenn dafür artenreicher Regenwald zerstört wird? Wie könnte der Konflikt gelöst werden? Oder gibt es überhaupt eine Lösung? Wir freuen uns über eure Meinung in den Kommentaren!

-Leah-


Das Beitragsbild ist aufgenommen von Maik Kleinert und stammt von Unsplash.com.

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