Militarisierter Naturschutz

Naturschutz und Gewalt? Das passt doch nicht zusammen! Was kann an dem Schutz von Artenvielfalt und Natur schon falsch sein? Oft wird Natur und Naturschutz automatisch mit etwas Positivem, Unpolitischem, gar Unschuldigem verbunden. Leider ist das nicht immer der Fall. Naturreservate im Globalen Süden sind oft auch Orte der Gewalt. Die Militarisierung der Reservate im sogenannten ‚Krieg gegen Wilderei‘ wird nicht selten von westlichen Geldern finanziert. Diese dunkle Seite des Naturschutzes sehen wir selten, am besten gar nicht. Denn Naturschutz lebt von seinem Image, vom Tourismus und von Spenden.

Affenbrotbäume, Elefanten, ein goldroter Sonnenuntergang – so erleben viele Touristen Naturschutz im Globalen Süden. Was sie nicht sehen (wollen), sind die Konflikte, die sozialen Ungleichheiten und das koloniale Erbe des Naturschutzes. Es wird höchste Zeit, diese Themen sichtbar zu machen und in den Fokus der Debatte zu rücken.

Exklusive Natur

Auch wenn das Image friedlich wirkt, gerade bei ‚klassischen‘ touristischen Naturschutzreservaten kommen viele Interessen zusammen. Interessen, die teilweise historisch verankert sind. Denn der Schutz und das Management dieser Orte geschieht nicht im machtfreien Raum. Warum? Reservate im globalen Süden, die charismatische Tiere schützen, bringen viel Geld. Nicht selten profitieren nur wenige davon, entweder finanziell oder indirekt durch das Privileg, Naturschutz in Form von Tourismus, zum Beispiel, Safaris zu genießen. Verlierer sind oft die vulnerablen Gruppen.

Ist es nicht paradox? Gerade Menschen aus Ländern, die durch ihren Konsum und ihr Wirtschaftswachstum die größte Verantwortung für die Zerstörung unserer Natur tragen, genießen den Besuch in Naturschutzreservaten im Globalen Süden. Ein bisschen heile Welt als Urlaubsziel.

Besonders bedenklich: Reservate sind Erfindungen der Kolonialzeit. Sie waren ein Mittel der Macht, dienten den Kolonialmächten zum Vergnügen und zur Kontrolle der afrikanischen Bevölkerung. Durch sie wurden Lebensweisen kriminalisiert und Menschengruppen in koloniale Abhängigkeit getrieben. Wer sich in die Geschichte verschiedener Reservate einliest, erfährt, wie Menschen vertrieben, Existenzen zerstört wurden. (Bei Interesse kann ich das Buch von Lynn Meskell über den Kruger Nationalpark empfehlen: The Nature of Heritage: The New South Afrika) Kritiker klagen den heutigen Naturschutz im Globalen Süden noch immer als ein Erbe dieser Geschichte an. Das Bild der ‚menschenleeren‘ Natur Afrikas ist ein koloniales Bild und es ist ein künstliches.

Die Militarisierung der Parks

Das Taz-Rechercheprojekt befasst sich mit der komplexen Problematik des militarisierten Naturschutzes in Afrika. Wer mehr über dieses Thema erfahren möchte und an einem kritischen Blick interessiert ist, sollte die Beiträge unbedingt lesen.

Denn auch heute gibt es noch Konflikte um Naturschutzreservate. Die Militarisierung nimmt immer weiter zu. Im Kontext des sogenannten ‚Krieg gegen Wilderei‘ wird das Training der Parkwächter intensiviert, aber auch in bessere Technik investiert. Um illegale Jäger vom Park fernzuhalten, werden mitunter Drohnen, Scharfschützengewehre und Nachtsichtgeräte benutzt. Naturschutz, eine ‚Festung‘, oft finanziert durch den Globalen Norden.

Das Konfliktpotential führt dazu, dass Naturschutzreservate auch immer wieder zu Orten von Menschenrechtsverbrechen werden. Oft leiden Minderheiten und die lokale Bevölkerung nicht nur unter den Land – und Ressourcenkonflikten durch Naturschutz, sondern auch unter den harten Strafen. Hierzu ein Beispiel.

Online-Gewalt und der rassistische Diskurs

Gewalt geschieht jedoch nicht nur innerhalb der Reservate. Das vereinfachte Bild von Naturschutz im Globalen Süden wird oft durch die Sozialen Medien verstärkt. NGOs und andere Organisationen sind außerdem auf ein gutes Image von Naturschutz angewiesen und reproduzieren die Vorstellung einer friedlichen, unberührten ‚Natur‘. Sie nutzen ihre Plattformen, um für ihre Projekte zu werben. Hier wird schnell vereinfacht in ‚Gut‘ und ‚Böse‘ kategorisiert.

Nicht selten (re)produzieren Nutzer und Nutzerinnen der Sozialen Medien diese Gewalt. Das hat auch damit zu tun, dass Diskurse um Themen wie ‚Wilderei‘ stark emotional aufgeladen sind. Teilweise werden hierbei illegale Jäger dämonisiert und entmenschlicht, was manchmal auch im Einklang mit rassistischen Äußerungen geschieht. Der Tod eines solchen Jägers wird nicht selten im Internet gefeiert. Oft werden Gewaltfantasien zum Ausdruck gebracht. Dies befeuert die Stimmung um Wilderei zusätzlich. (Ein tolles wissenschaftliches Paper dazu findet ihr hier.)

Es braucht Stimmen, die sich für ein komplexes Verständnis der Situation aussprechen. Dieser Beitrag hat nicht den Anspruch, alle Seiten des Konflikts zu beleuchten. Vielmehr soll er die Aspekte aufgreifen, die im Diskurs viel zu selten Beachtung findet. Nur durch einen holistischen Blick kann die Gewalt, die in dem Park und im Kontext des Parks geschieht, besser verstanden werden. 

-Jules-


Das Beitragsbild stammt von Patrick Hendry auf Unsplash.com.

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