15 Feb 2019 Kultur – Was soll das sein?
Das Wort „Kultur“ hört man sehr oft. Trotzdem wissen einige Leute nicht, was damit eigentlich gemeint sein soll. Falls du zu ihnen gehörst, ist das nicht schlimm, sondern gut so. Schwierig finden wir eher diejenigen, die ein genaues Bild von Kultur haben. Rund um den Begriff existieren viele seltsame Vorstellungen, die oft schon Jahrhunderte alt sind. Trotzdem stolpert man ständig über sie, auch in den Medien. Deswegen räumen wir mit drei Missverständnissen über Kultur auf.
1. Missverständnis: Kultur ist an Orte gebunden
Sehr verbreitet ist die Vorstellung, dass es in jedem Land eine charakteristische, einheitliche Kultur gäbe. In der Tourismus-Branche wird diese Idee gerne zu Werbezwecken genutzt. Aber auch Politiker*innen, die am rechten Rand auf Stimmenfang gehen, vertreten solche Ansichten. Ganz aktuell ist die Idee von der ortsabhängigen Kultur nicht, denn sie stammt aus der Kolonialzeit.
Die eroberten Gebiete sollten in kleinere Verwaltungseinheiten unterteilt werden. Forscher*innen suchten nach vermeintlichen Gemeinsamkeiten in Sprache, Religion oder Lebensweise der Einheimischen, bezeichnete sie als „Volk“ und zogen auf der Landkarte einen Strich um die von ihnen bewohnte Fläche. Die Grenzziehung entsprach der Lebensrealität der Menschen nicht im Geringsten und verursacht bis heute Probleme.
Die Idee von bestimmten Kulturen an bestimmten Orten geht meist mit dem Wort „Volk“ einher. Eigentlich bezeichnet dieser Begriff nur die Staatsbürger einer Nation. Soweit kein Problem. Leider wird er oft mit fragwürdigen Vorstellungen kombiniert. Beispielsweise existiert die Meinung, dass ein Volk eine Gruppe sei, die neben der angeblich gleichen Kultur auch biologische Gemeinsamkeiten habe und schon seit Urzeiten an ihrem Wohnort verwurzelt sei. Deswegen besitze sie einen Landanspruch. Nationalistische Bewegungen auf der ganzen Welt definieren ihr vermeintliches „Volk“ über eine vermeintliche „Kultur“.
Wegen diesem Missverständnis denken manche Leute, dass jeder Mensch gemäß seiner Herkunft einer bestimmten Kultur zugeordnet werden könne. Daraus leiten sie ab, wie sich diese Person verhalten wird. Damit sind wir beim nächsten Punkt.
2. Missverständnis: Kultur bestimmt das Handeln von Menschen
Ein weiterer Trugschluss ist, dass der Charakter und das Handeln eines Menschen von seiner Kultur bestimmt werden. Also: Wenn jemand aus dem und dem Land kommt, wird er oder sie sich so und so verhalten. Einfach, weil das dort angeblich ein Teil der Kultur ist. Auch diese Idee ist völlig falsch. Denn Kultur ist nichts Allmächtiges, das den Menschen steuert. Das Verhalten eines Menschen wird von vielen Faktoren bestimmt. Neurowissenschaften, Soziologie und andere Disziplinen kümmern sich um diese Fragen, aber nicht die Kulturwissenschaften.
Sie haben erkannt, dass ihre Vorgänger im 19. und 20. Jahrhundert mit ihren rassistischen Aussagen über das Wesen von „Kultur/en“ und „Völkern“ die verheerendsten Ideologien wissenschaftlich untermauert haben. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Idee von verschiedenen Entwicklungsstadien, in denen „Kulturen“ sich befinden.
3. Missverständnis: Kultur hat Entwicklungsstufen
Wer glaubt, jedes Land habe eine Kultur, fängt irgendwann an, zu vergleichen. Im Ergebnis werden sie dann nach ihrer vermeintlichen jeweiligen Fortschrittlichkeit in Entwicklungsstufen eingeteilt. Manche werden als fortschrittlich bewertet, andere als unterentwickelt. Im alltäglichen Sprachgebrauch findet sich diese Ansicht in Worten wie „Entwicklungsland“ oder „Entwicklungshilfe“ oder auch „Entwicklungszusammenarbeit“. Zusätzlich geht man bei dieser Darstellung davon aus, dass die unterentwickelten Kulturen eine Art Vorläufer der fortschrittlichen Kulturen sind. Der Blick zu ihnen ist demnach der Blick in die Vergangenheit.
Die These von verschiedenen Entwicklungsstufen von Kulturen stammt aus den 1870er Jahren. Einige Jahre zuvor hatte Darwin seine Evolutionstheorie veröffentlicht. Die Erkenntnisse aus der Biologie übertrug man auf die Kulturwissenschaften. Heraus kam rassistisches Gedankengut, das heute noch Gehör findet.
Dazu gibt es nur eins zu sagen: Wir leben alle im Jahr 2019 und die globalen Antworten auf die Herausforderungen der Zeit sind verschieden, sollten aber gleichberechtigt nebeneinander stehen!
Was ist Kultur denn jetzt?
Nachdem wir jetzt geklärt haben, was Kultur alles nicht ist, müssten wir hier eigentlich eine Definition geben, was Kultur stattdessen ist. Leider ist das nicht einfach. Da jede*r eine andere Vorstellung von Kultur hat, verwendet man den Begriff am besten nicht. Meistens kann man mit anderen Worten viel detaillierter beschreiben, was man meint. Wer auf schwammige Begriffe wie „Kultur“ zurückgreift, sucht nach einfachen, umfassenden Erklärungen für komplexe Phänomene.
Es ist auch nie eine gute Idee, verallgemeinernde Aussagen über ganze Gruppen zu machen. Die Wissenschaften, die sich mit Kultur beschäftigen, richten ihren Blick heute mehr auf Individuen. Sie versuchen ihre Perspektive einzunehmen und zu verstehen, wie sie alltägliche Dinge bewerten, welchen Stellenwert Traditionen für sie haben und wie sie sich selbst beschreiben.
Auf diese Art und Weise laufen sie nicht Gefahr, stereotype, flache, falsche Bilder von ganzen Gruppen als wissenschaftliche Erkenntnis für die Nachwelt festzuhalten.
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