Islamischer Feminismus

Wer an Feminismus denkt, denkt vielleicht primär an „westlichen” oder „weißen” Feminismus. Doch Feminismus ist vielschichtig und in den verschiedensten Formen zu finden, die sich vom westlichen Feminismus unterscheiden: Black Feminism, christlicher Feminismus, African Womanism oder islamischer Feminismus. Während Black Feminism vielleicht mehr Menschen ein Begriff ist, scheint der islamische Feminismus vielen fremd oder sogar in sich widersprüchlich zu sein. Doch islamischer Feminismus ist alles andere als ein Widerspruch und findet immer mehr Gehör und Anhänger*innen.

Die Entwicklung des islamischen Feminismus

Einer der ersten öffentlichen Befürworter für Frauenrechte in islamischen Gesellschaften war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der ägyptische Jurist Qasim Amin. Dieser setzte sich besonders für die Abschaffung der Seklusion (purdah) von Frauen ein, in dem er argumentierte, dass Frauen ihrer islamischen Pflicht als Lehrerinnen und Vorbilder für ihre Kinder nicht nachkommen können, wenn sie keine Bildungsmöglichkeiten haben. Diese Argumentation wird noch heute vielfach von islamischen Feminist*innen genutzt, um für bessere Bildungschancen zu kämpfen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts begannen immer mehr Frauen, aktiv für ihre Rechte und Gleichstellung einzustehen.

Islamischer oder muslimischer Feminismus?

Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen islamischem und muslimischem Feminismus. Während islamischer Feminismus in seiner Argumentation auf den Koran zurückgreift, verstehen sich muslimische Feminist*innen als muslimisch und feministisch und begründen ihre Bestrebungen nach Geschlechtergleichheit nicht zwingenderweise mit dem Islam. Oftmals sehen sich diese beiden Richtungen jedoch auch in Konflikt zueinander. Gruppierungen wie Sisters of Islam oder Individuen, die sich mit dem Islam und Feminismus auseinandersetzen, werden von bestimmten islamischen Feminist*innen nicht gehört oder akzeptiert und finden eher Anklang bei säkularen muslimischen Feminist*innen.

Was möchte islamischer Feminismus erreichen?

Das zentrale Ziel des islamischen Feminismus ist die Schaffung einer gendergerechten Gesellschaft, in der Frauen sowohl ihre Religion frei ausüben können als auch gleiche Rechte besitzen. Dabei wird sich auf den Koran gestützt, in dem (Frauen-)Rechte bereits aufgegriffen werden. Es geht also um eine Wiedererlangung verlorener Gleichberechtigung. Diese Erkenntnis ist jedoch nur durch eine feministische Aufarbeitung des Korans möglich. Dabei ist islamischen Feminist*innen auch eine konkrete Unterscheidung von Religion und patriarchalen Traditionen besonders wichtig. Während diese Grundidee meist in allen Formen des islamischen Feminismus zu finden ist, gibt es dennoch länderspezifische Themen. In Ägypten kämpfen Aktivist*innen beispielsweise für die Zulassung von weiblichen Richterinnen, während sich Feminist*innen im Iran für die gesetzliche Gleichstellung mit Männern einsetzen.

Strategien islamischer Feminist*innen

Wie bereits erwähnt, ist die Grundlage der Argumentation für Gleichberechtigung der Koran, die Heilige Schrift der Muslime. Dieser fungiert auf mehreren Ebenen als Argumentationshilfe. Viele islamische Feminist*innen fordern eine Neuinterpretation der Schrift und verweisen dabei auf die Frauenfeindlichkeit bestimmter Fiqh-Auslegungen (islamisches Recht). Außerdem wird viel auf das Umfeld des muslimischen Propheten Mohammads verwiesen. So predigte die Frau Mohammeds, Aicha, beispielsweise, was Feminist*innen als Argumentationsgrundlage für die Forderung der Ernennung von Frauen als Mufti (islamische Rechtsgelehrte) nutzen. Oft versuchen Gegner*innen die Argumente und Verweise zu entkräften, indem sie ihnen vorwerfen, eine Art „westlicher Import” zu sein. Da islamische Feminist*innen jedoch den Koran und die Religion als Ganzes als Grundlage für die Gleichberechtigung verwenden ist dieser Vorwurf nicht stichhaltig.

Wichtige Aktivist*innen und feministische Organisationen

Eine bekannte islamische Feministin ist die marokkanische Ärztin Asma Lamrabet. In zahlreichen Büchern fordert sie eine Neuauslegung des Korans und setzt sich für islamischen Feminismus ein. Außerdem ist sie seit 2005 Leiterin des Zentrums für Frauenstudien im Islam in Rabat. Sie verfolgt einen besonderen Ansatz, der auf gegenseitigem Austausch mit anderen monotheistischen Religionen beruht. Durch den Dialog mit christlichen und jüdischen Theolog*innen sucht sie Gemeinsamkeiten in feministischen Bestrebungen innerhalb der Religion. Auch sie stützt sich stark auf das Argument, dass bereits Mohammad Frauenrechte und Partizipation unterstützt hat. Mehr über ihre Ansätze könnt ihr in diesem Interview nachlesen.

Eine weltweit bekannte feministische Organisation ist die malaysische Gruppierung Sisters in Islam. Diese setzt sich für Frauenrechte innerhalb des Islam ein und fordert universelle Menschenrechte. Auch sie stützen ihre Forderungen auf die Auslegung des Korans. Auf der Website der Sisters in Islam kannst du noch mehr über die Organisation und ihre Ziele erfahren.

Wie du dich noch mehr informieren kannst

Eine Zusammenstellung der Hintergründe, Ziele und Strategien des islamischen Feminismus gibt es hier. Wie sich islamischer Feminismus von anderen Feminismen unterscheidet steht im Mittelpunkt dieses Artikels. Kann Feminismus islamisch sein? Dieser Frage geht auch das Online-Magazin Qantara nach. Hier könnt ihr den Artikel lesen.

-Leah-


Das Beitragsbild ist von Jen Theodore auf Unsplash.com.

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