27 Nov 2020 Im Kampf gegen Gewalt an Frauen
Diese Woche beschäftigen wir uns weiter mit Unrecht gegenüber Frauen. Nachdem es in #ichwill – Über die Relevanz einer gesetzlichen Frauenquote um Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ging, geht es nun um Gewalt gegen Frauen.
Proteste und Protestformen für ein Ende der Gewalt an Frauen weltweit weiterentwickelt und mobilisieren immer mehr Menschen. Leider vor allem, weil die Gewalt zunimmt und gleichzeitig weitgehend ignoriert wird, woher diese Gewalt kommt und wie sie einzuordnen ist. Und da ist eine zentrale Forderung ganz klar, nämlich dass Tötungen von Frauen und Mädchen als das bezeichnet werden müssen, was sie sind: Femizide.
Femizide
In Deutschland wird statistisch gesehen jeden dritten Tag ein Femizid begangen. Täglich kommt es zu versuchten Femiziden. Dies vor allem in Partnerschaften oder Ex-Partnerschaften. Julia Schäfer, Leiterin der Landeskoordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt am hessischen Justizministerium, sagte der Deutschen Welle: „Es ist oft der grausige Höhepunkt einer langen Vorgeschichte. Häusliche Gewalt beginnt schon bei Beleidigungen, Demütigungen und auch dem Ausüben von wirtschaftlichem Druck.“ Dies seien keine Liebesdramen oder Familientragödien, die oft „nur“ als Totschlag eingeordnet werden, sondern es sind Morde. Es geht auch nicht um Einzelschicksale, sondern ein strukturelles gesellschaftliches Problem. Ein solches Verbrechen ist nämlich eine Konsequenz aus Besitzansprüchen und Ungerechtigkeiten auf Grund des Geschlechts – ein Femizid. Punkt.
Zur Dokumentation von Femiziden in Deutschland haben Aktivist*innen eine Femi(ni)zidmap als Online-Datenbank entwickelt.
Psychische und physische Gewalt
Wen ein Femizid alle drei Tage erschreckt hat, sollte jetzt noch einmal tief durchatmen (also wahrscheinlich alle…). Denn alle 45 Minuten wird in Deutschland eine Frau Opfer einer vollendeten oder versuchten Körperverletzung im häuslichen Umfeld. Und diese Daten wurden noch vor den Corona-Lockdowns erhoben. Dazu gibt es mehr auf Pinkstinks.
Wie einen Femizid auch als solchen richtig zu benennen, ist es wichtig, klar von Körperverletzung zu sprechen statt davon, dass dem Mann die Hand ausgerutscht wäre. Genauso handelt es sich um verbale Gewalt, die nicht damit umschrieben werden darf, dass sich jemand im Ton vergriffen habe. Die verbale Gewalt hat sich auch auf den digitalen in einem extremen Ausmaß ausgeweitet. Die Anerkennung der Problematik und eindeutige Benennung ist wichtig – im Umgang mit Betroffenen und auch für einen Weg aus diesen Gewalttaten heraus.
Der Fall des Patriarchats
Auf der Seite von UN Women gibt es noch mehr (erschreckende) Daten zu Gewalt gegen Frauen weltweit. Ich möchte euch einige Protestbewegungen vorstellen, die bereits viel erreicht haben.
Im Sommer 2015 kam in Argentinien eine feministische Bewegung mit dem Motto „Ni una menos“ („nicht eine weniger“) auf. Sie haben es geschafft, dass der Begriff Femizid dort zur Alltagssprache gehört. Unter dem Motto wird mittlerweile weltweit protestiert.
Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern gibt es beeindruckende und Mut machende Bewegungen. Herausgestochen ist seit dem 25. November 2019 eine zweiminütige Performance von vier Frauen in Valparaíso (Chile), die dann auch in Städten wie Bogotá, Brüssel, Mexiko Stadt und Istanbul stattfanden. Seht es euch am besten selbst an: https://www.youtube.com/watch?v=ZLKNWIrj8Lw&feature=youtu.be. Es gibt auch eine deutsche Version wie hier in Frankfurt: https://www.youtube.com/watch?v=4ORjPfK6CeY. Unter One Billion Rising gibt es weitere Videos aus vielen Städten. Die Performance ist beeindruckend, erschreckend und auf den Punkt gebracht.
Am 8. März 2018 fand zum Internationalen Frauentag in Pakistan der erste Aurat March (Aurat ist Urdu und bedeutet Frauen) statt. Immer mehr Frauen trauen sich, an dem jährlich stattfindenden Aurat March teilzunehmen und ihre Rechte als Frauen einzufordern. Auf Al Jazeera und Feminism India gibt es noch mehr Hintergrundinfos. Dieses Jahr gab es viele Versuche den Aurat March durch Drohungen zu verhindern, Amnesty International hat dazu mehr geschrieben. Ein Spruch der Demos ist „my favourite season ist the fall (of patriarchy)“. Auf geht’s!
Wie geht der Kampf weiter?
Es ist schwer zu sagen, wie viel bisher für Frauen erreicht werden konnte. Die Aufmerksamkeit scheint durch vielfältige weltweite Protestformen immer größer zu werden. Es ist gut, dass sich mehr Frauen trauen, sich denen anzuschließen und gemeinsam aktiv zu sein. Sichtbarkeit ist wichtig. Gleichzeitig wirkt der Weg noch sehr lang, denn es scheint, als sei die gesellschaftliche Aufmerksamkeit noch nicht so weit wie gehofft und muss überall ankommen. Es bleibt vor allem zu hoffen, dass sich mehr und mehr Frauen ermächtigt fühlen, sich der Gewalt, die ihnen angetan wird, entgegenzustellen und dem ein Ende zu setzen. Um dem ein wirkliches Ende zu setzen, braucht es eine Gesellschaft, die nicht wegsieht, nicht verharmlost und füreinander da ist. Und letztlich auch brauchbare Gesetze, die die Täter zur Rechenschaft ziehen und Frauen schützen.
Was meint ihr, wie soll der Kampf fortgesetzt werden? Was ist wichtig? Was wurde schon erreicht?
-Marina-
Das Beitragsbild ist von Carlos Figueroa Rojas roa Rojas, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.
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