Ignoranz und das Afrikabild: ‚Sprichst du Afrikanisch?‘

Sprichst du Afrikanisch? Ich habe diese Frage tatsächlich schon so gehört. Aber Hand aufs Herz, wusstest du, wie viele Sprachen in Afrika eigentlich gesprochen werden? Es sind über 2000. Vielen Menschen ist das gar nicht bewusst. Teilweise wissen sie auch nicht, dass Afrika der zweitgrößte Kontinent ist und aus 54 anerkannten Staaten besteht.

Stereotype und gefährliches Halbwissen

Wie kommt es aber dazu, dass wir häufig so wenig wissen und doch meinen, wir kennen uns aus? Oft werden gerade dort, wo wir angeblich etwas über die Welt erfahren, Stereotype reproduziert. Was ich damit meine? Schulen, Medien, Filme, sogar Universitäten tragen (oft unbewusst) dazu bei, bestimmte Klischees in unseren Köpfen zu verfestigen.

Das fängt schon bei der Weltkarte im Schulatlas an, die unsere Welt ganz und gar nicht neutral abbildet. Durch verzerrte Größenverhältnisse scheint Afrika oft viel kleiner als es eigentlich ist. (Kennst du die ‚Perspektivenwechsel‘ Weltkarte, die Bildung trifft Entwicklung unterstützt von Engagement Global als Bildungsmaterial anbietet? Die ‚auf dem Kopf‘ hängende Karte nutzt die PetersProjektion um die Größenverhältnisse realistisch darzustellen.) Und es reicht über Filme, die leider noch immer rassistische Bilder produzieren, bis hin zu den Nachrichten, die immer wieder über dieselben Themen berichten. All das verhindert, dass die Vielfalt des Kontinents und die vielfältigen globalen Zusammenhänge angemessen widergespiegelt werden.

Das Resultat: wir gehen mit dem Gefühl durch die Welt, mehr zu wissen als wir es tatsächlich tun. Außerdem kann es sich gut anfühlen, die eigenen Vorurteile scheinbar bestätigt zu sehen. Es gibt sogar ein psychologisches Phänomen, das es unglaublich schwer macht, die eigene Wahrnehmung der Welt zu verändern und dadurch auch Vorurteile abzulegen. Das Phänomen heißt Confirmation Bias (Bestätigungsfehler auf Deutsch) und es führt dazu, dass wir Informationen suchen und auf eine Weise interpretieren, die unsere Weltsichten bestätigen. In einem Video des YouTube Channels von PsyCuriosity wird das Phänomen ausführlicher erklärt. Willst du mehr über den Zusammenhang zwischen dem Confirmation Bias und Vorurteilen lesen und erfahren, was man dagegen tun kann? Dann kann ich dir diesen Artikel empfehlen.

Welche Bilder siehst du, wenn du an Afrika denkst?

Viele Menschen verbinden Afrika (noch immer) mit Krisen, Krieg, Wüste und Wildnis. Denn das sind die wenigen Geschichten, die erzählt werden. Natürlich gibt es aber viel mehr! Die gute Nachricht: Das Afrikabild hat sich inzwischen etwas verbessert, es ist zum Glück diverser geworden, und es gibt viele Aktionen und sogar Organisationen, die sich dafür einsetzen, ein realistischeres Bild des Kontinents und unserer Welt zu vermitteln.

Das Institut ‚Africa Policy Research’

Olumide Abimbola hat zum Beispiel Anfang des Jahres das Institut ‚Africa Policy Research‘ in Berlin neu gegründet.

In einem Interview in Weltsichten erzählt er über das Institut. Es sollen vielfältige Themen aus afrikanischen Ländern untersucht und dabei gemeinsam mit Partnern in Afrika gearbeitet werden. Dabei richten sie sich nicht nur an politische Entscheidungsträger, sondern wollen durch Podcasts, Veranstaltungen und mehr die öffentlichen Debatten und Medienarbeit über Afrika verändern. Es geht auch darum, Fragen zu stellen, die ein realistisches Afrikabild widerspiegeln. Afrika sollte nicht nur auf Themen wie Sicherheit und Migration reduziert werden, findet Olumide Abimbola, denn es gibt noch viel mehr auf dem Kontinent. „[…] die Menschen leben dort wie überall: Sie wachen morgens auf, sie gehen zur Arbeit, sie haben Kinder, sie heiraten. Was ist damit? Ich bin nicht auf der Suche nach guten Geschichten, sondern nach realistischen Geschichten.“ so Olumide Abimbola.

Die Kunst des Zuhörens

Doch was kann für eine vielfältige und realistische Darstellung Afrikas getan werden? Es ist zum einen wichtig, dass Menschen mit Migrationsgeschichte in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen vertreten sind. Das gilt zum Beispiel in den Medien und der Politik, aber auch in der Wissenschaft. Zum anderen müssen wir unsere Komfortzone der Ignoranz verlassen und unsere Ohren für vielfältige Geschichten öffnen. Eines steht fest: Wir müssen Menschen zu Wort kommen lassen, die ansonsten nicht gehört werden. Wir müssen dafür sorgen, dass keine einseitige, klischeebehaftete Geschichte über Länder und Kontinente geschrieben wird. Wenn ihr dazu eine Anregung sucht, solltet ihr euch unbedingt den berühmten TED Talk von Chimamanda Adichie „die Gefahr einer einzigen Geschichte“ anhören.  

‚Ignorance is bliss‘ sagt man im Englischen. Auf Deutsch würde das ‚Unwissenheit ist Glück‘ heißen. Aber das stimmt so nicht. Zumindest ist das vermeintliche Glück von kurzer Dauer und existiert auf Kosten anderer. Ignoranz ist vielleicht im ersten Moment bequemer, aber ist ganz und gar nicht harmlos. Im Gegenteil, sie schadet anderen und uns selbst. Halbwissen ist gefährlich, denn es gibt uns das Gefühl Ahnung zu haben und Situationen richtig einschätzen zu können. Und es führt zu Entscheidungen, beeinflusst, wie wir die Welt verstehen und wie wir auf sie reagieren. Davon bleiben auch politische Entscheidungsträger nicht verschont. 

Ein realistisches Afrikabild ist auch ein realistisches Selbstbild, denn genauso vielfältig und komplex wie der afrikanische Kontinent sind seine Beziehungen zu Europa und Deutschland. Wir müssen lernen die richtigen Fragen zu stellen, anstatt vorschnell Antworten zu präsentieren. Das bedeutet auch manchmal zuzuhören, anstatt die Experten und Expertinnen immer im ‚Globalen Norden‘ zu vermuten. Erst wenn wir unsere vielfältigen geschichtlichen Verbindungen, die komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge und weltweiten Machtbeziehungen erkennen, können wir globale Probleme tatsächlich verstehen.

-Jules-


Das Beitragsbild stammt von Ante Hamersmit auf Unsplash.com.

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