10 Dez. 2025 Grünes Wohnen – wie leben wir in der Zukunft?

Das Thema Nachhaltigkeit spielt nicht nur im Verkehr, bei der Ernährung oder Bekleidung eine Rolle. Besonders wichtig ist auch die Frage, wie wir nachhaltig leben können. Häuser zu bauen – das geschah und geschieht immer noch auf Kosten unseres Planeten. Nicht nur, weil die Materialien einen hohen Ressourcenverbrauch sowie Mengen an Treibhausgasemissionen verursachen, sondern auch weil Lebensraum und somit Biodiversität verloren geht. Wie können wir also Wohnen – auch auf städtebaulicher Ebene – so gestalten, dass wir den Schutz der Natur und der Umwelt gewährleisten können? STUBE Hessen hat dazu ein Wochenendseminar veranstaltet, an dem internationale Studierende aus der ganzen Welt teilnahmen. Sie hatten die Möglichkeit aktuelle Projekte der Stadt Wiesbaden kennenzulernen, über neue Möglichkeiten der Stadtentwicklung zu diskutieren und nahmen an einer Exkursion teil, die einen Einblick in nachhaltiges Bauen bot.
Smart City: der digitale Zwilling
„Smart City“ – ein Projekt der Stadt Wiesbaden – stellten Johanne Diehl und Rebecca Wilhelm vom Stadtplanungsamt vor. Ziel dieses Konzepts sei es, die Stadt rundherum grüner, digitaler und nachhaltiger zu gestalten. Dazu wird als Grundlage der Austausch mit den Bürger:innen gesucht, um Wünsche, Erwartungen und Ideen direkt entgegenzunehmen. Ein Arbeiten mit den Menschen liege ihnen besonders am Herzen und bildet das Kernstück. Um das zu ermöglichen gibt es das „Zukunftswerk“ im Luisenforum in Wiesbaden. Jede:r kann dorthin kommen, sich über „Smart City“ informieren und Vorträge, Workshops oder interaktive Mitmachstationen besuchen.


Um die Ziele der Nachhaltigkeit und der Begrünung umsetzen zu können, braucht es zunächst einmal Verbesserungen in vielen Bereichen. Dazu wird ein aktueller Bestand der Dinge benötigt, was wiederum große Mengen an Daten voraussetzt. Diese Daten werden durch viele kleine Projekte erhoben, wie die Referentinnen erzählen. Der „digitale Zwilling“ ist das Endprodukt dessen: ein virtuelles Abbild der Stadt Wiesbaden, der in Echtzeit Daten zu Verkehr, Baustellen, Fahrradstraßen und -begebenheiten, Fußgängerwegen usw. zur Verfügung stellt. Das Projekt „Sparrow Node“ beispielsweise montiert Sensoren an Polizeiautos, worüber Daten über Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beschaffenheit der Straße gesammelt werden. Das Projekt „Gesamtstädtische Wasserbilanz“ dient dazu, alle möglichen Daten zur Wasserzirkulation, -qualität und -vernetzung zu sammeln. Diese und viele weitere Datenerhebungen braucht es, um schließlich den vervollständigten „digitalen Zwilling“ zur Verfügung zu haben. Auf diesen sollen sowohl Bürger:innen als auch alle möglichen Ämter Zugriff haben, damit ein einheitliches Konzept gewährleistet werden kann. Die erste Version des Zwillings ist bereits auf Wiesbaden.de zugänglich und steht zum Ausprobieren frei zur Verfügung. (Die Teilnehmer:innen des Seminars durften die vorläufige Variante kennenlernen, ausprobieren und Nutzungsmöglichkeiten für den privaten und beruflichen Gebrauch erläutern.)
Die Kastel Housing Area – Experimentierräume der Stadt Wiesbaden
Der zweite Workshop behandelte die „Experimentierräume nachhaltiger Stadtentwicklung“ in Wiesbaden. Katerina Kucera vom Stadtplanungsamt im Bereich des Städtebaus erläuterte in diesem Rahmen die Spielregeln nachhaltiger Stadtentwicklung sowie das Konzept des Modellquartiers der „Kastel Housing Area“ (Downloadlink Broschüre). Die Stadt Wiesbaden möchte sog. Experimentierräume schaffen, die dazu dienen, Ideen und konkrete Ansätze bzgl. Nachhaltigkeit umzusetzen und dadurch ausprobieren zu können. Genau solch ein Experimentierraum sei die „Kastel Housing Area“. Sie setzt sich aus alten Kasernen zusammen, welche teilweise noch vom amerikanischen Militär genutzt werden, teilweise auch schon Eigentum der Stadt sind. Diese Area verfolgt fünf Ziele: lebendige Stadt, klimaoptimiertes Stadtgrün, erneuerbare Energien, neue Mobilität und sensibles Wassermanagement. Baumaterial der Gebäude ist hauptsächlich Holz, wodurch weniger Treibhausgase freigesetzt werden. Grünflächen bestehen aus hitzeangepasster Vegetation und bieten einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Zudem beinhaltet das Wassersystem ein Regenwasserversickerungsnetz, das Regenwasser einspart und zu Trinkwasser wiederaufbereitet. Bezahlbarer Wohnraum für mittlere sowie schwache Einkommensgruppen steht außerdem im Vordergrund. Diversität und Durchmischung verschiedener Menschen und Kulturen sollen zu einer lebendigen Stadt führen, die in den Gemeinschaftsräumen Platz findet. Durch die Nutzung von Photovoltaik-Anlagen versorgt sich das Wohnviertel fast ausschließlich selbst mit Energie und führt aufgrund der autofreien Umgebung zu einer niedrigen CO2-Bilanz.
Das Quartier besteht aus einem Gewerbegebiet, einer Schule, einer Kita, Gemeinschaftsräumen, Sportplätzen sowie Wohnhäusern. Sogenannte „Cluster-Wohnungen“ bilden das Herzstück des urbanen Wohnraums: kleine private Wohneinheiten werden zusammengeführt durch einen oder mehrere gemeinschaftliche Räume. Dieser Komplex bietet vor allem Alleinstehenden eine Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und an einem gemeinschaftlichen Leben teil zu haben.
Der Verein „Castanea“
Frau Kucera lud außerdem die Teilnehmer:innen auf eine Führung durch das Stadtviertel ein und erklärte die Räumlichkeiten. Sie erläuterte, dass hier ein Verein ansässig sei, welcher unterschiedliche Projekte anbiete. Die Gründerin des Vereins erläuterte die Idee dahinter: Der Verein zielt darauf ab Kultur, Integration und Begegnung im Quartier für alle Bewohner:innen und Interessent:innen zu fördern. Ein großer Raum im Holzwohnturm, ca. 45 qm, dient dem Austausch und der Begegnung. Neben Veranstaltungen, Tagungen, Kunst- und Sportangeboten werden durch den Verein AGs angeboten. Zentral sei das Miteinander, denn ein gemeinschaftliches Leben sei letztendlich viel lebenswerter als eins alleine.
Vom Land in die Stadt
Immer mehr Menschen zieht es in die Stadt: Laut BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) erhöhte sich der Bevölkerungsanteil in Städten von rund 30 % in den 1950ern auf fast das doppelte, 57 % im Jahr 2022. Laut Prognosen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 rund 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben. Deshalb spielen nachhaltige Städte eine größere Rolle als je zuvor bei der Agenda 2030 sowie dem Pariser Klimaabkommen. Der Energieverbrauch fällt in städtischen Zentren sehr hoch aus – er liegt bei 80 %. Dieselbe Zahl findet sich bei den Bilanzen der Treibhausgase: Rund 80 % werden nur durch Städte freigesetzt. Letztlich produzieren sie etwa 70 % der weltweiten Abfälle.
Deutschland setzt sich laut BMZ aktiv für nachhaltige Stadtentwicklung im Inland sowie auf internationaler Ebene ein. Die Schwerpunkte des deutschen Engagements verteilen sich auf drei Spektren: integrierte Stadtplanung, Governance und Finanzierung. Innerhalb dieser verteilen sich fünf verschiedene zentrale Strukturen, die nachhaltiger, digitaler und effizienter gestaltet werden sollen: öffentliche (Grün-) Flächen, Wohnen und Bauen, Mobilität, Wasser und Abfall. Dabei wird ebenso versucht Armut zu verringern, soziale Ungleichheiten zu bekämpfen und wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern. Denn diese Dinge sind Bestandteil des Konzepts „Nachhaltigkeit“.
Es wird also deutlich: wir brauchen mehr denn je nachhaltige Möglichkeiten, gerade in den Bereichen, in welchen viele Menschen auf kleinem Raum zusammenkommen: den Städten. Diese müssen strukturell verankert werden und jedem/r Bürger:in zugänglich sein. Wir müssen uns vor Augen führen, wie immens dieses Problem ist und so bald wie möglich anfangen, die bestehenden Umstände anders zu gestalten. Denn je länger wir brauchen, desto weniger Zeit bleibt uns für Verbesserung: Die Klimakrise schreitet fort und uns bleibt nur dieser eine Planet.
Vielleicht liegt die Lösung auch in der Effizienz: Denn sobald alltägliche Handlungen durch nachhaltigere und logischere ersetzt werden, beispielsweise durch einfache Mülltrennung oder wenn Fahrradfahren sinnvoller erscheint als Autonutzung, ist die Frage nicht mehr ob, sondern nur noch wann diese vollzogen werden. Also: Wie können wir unser Miteinander und die Strukturen rund um das Thema Wohnen ab jetzt attraktiv und nachhaltig zugleich gestalten?
Text und Bilder: Rosa Busch, Beitragsbild: Unsplash
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