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Wofür wir am Frauen*kampftag auf die Straße gehen

Frauen*rechte sind Menschenrechte – mit diesem Slogan demonstrieren Frauen* weltweit diesen Sonntag auf den Straßen. Verschiedene Netzwerke und Organisationen rufen am internationalen Frauentag zum Streik auf gegen Geschlechterungleichheiten, Diskriminierung und Gewalt an Frauen*. Die Forderungen sind weltweit unterschiedlich, doch alle kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle Menschen uneingeschränkte Gleichbehandlung und Gleichberechtigung erfahren, unabhängig von Geschlecht, kultureller oder ethnischer Herkunft sowie  sexueller Orientierung.

In diesem Blogbeitrag stelle ich euch wesentliche Forderungen von Frauen* aus verschiedenen Teilen der Welt vor und zeige die Vielschichtigkeit von feministischen Themen auf. Denn Feminismus ist nicht gleich Feminismus, auch wenn der westliche sich gerne in den Vordergrund drängt.

Pay gap, Sexismus und Paragraf 219a – womit Frauen* in Deutschland zu kämpfen haben

Frauen* in Deutschland sind immer noch zu einem geringen Anteil in Führungspositionen vertreten. Im Bundestag liegt der Anteil von Frauen* bei nur 30 % – das entspricht dem Niveau von 1998. Im Schnitt verdienen Frauen* 22 % weniger als Männer und ihre Arbeit wird oft nicht anerkannt. Zu Hause übernehmen Frauen* Stunden von Haushalts-, Erziehungs- und Pflegearbeit. Und auch wenn ein heterogeschlechtliches Paar sich vornimmt diese Arbeiten zu teilen, so fallen diese doch spätestens mit dem zweiten Kind zur großen Mehrheit wieder auf die Frau* zurück. Noch dazu leisten manche von uns diese Aufgaben auch noch schlecht bezahlt für andere Haushalte. Wir sind täglich von Sexismus betroffen, müssen uns verletzende Witze oder Kommentare anhören. Überall auf der Welt sind Frauen* von körperlicher Gewalt betroffen und werden durch Übergriffe klein gemacht. Nicht zuletzt bleibt unser Selbstbestimmungsrecht über unsere Körper weiterhin eingeschränkt durch die Paragrafen 218 und 219a zum Werbeverbot von Schwangerschaftsabbrüchen, welches auch die Informationsfreiheit darüber stark einschränkt. Eine ausführliche Kritik zu den Paragrafen findet ihr hier.

Frauen* unterliegen immer noch gesellschaftlichen Normen, die uns als Objekt degradieren, das schön aussehen, den Mund halten, immer freundlich und sexuell verfügbar sein soll. Die patriarchale Gesellschaft drängt uns in die Rolle des „zweiten Geschlechts“, wie Simone de Beauvoir schon 1949 feststellte und ihre Aussage stimmt leider immer noch. Damit gemeint ist die vorherrschende Idee in den Köpfen, dass der Mann und männliche Attribute als Norm gelten, während die Frau* zum passiven Gegenüber wird. Somit hat Frau* noch nicht die volle Menschlichkeit eines Mannes erreicht und ihr wird die aktive Handlungsfähigkeit aberkannt. In dem Video „Be a lady they said“ stellt Cynthia Nixon sehr direkt dar, mit welchen widersprüchlichen Anforderungen Frauen* jeden Tag konfrontiert sind.

Race und Gender – wie Hautfarbe die Lebensrealitäten von Frauen* beeinflusst

Als weiße Frauen* sieht man uns oft als schwach und hilfsbedürftig an, was uns im Gegenzug auch viele Vorteile bringt. Diese Annahmen werden oft auf alle Frauen* übertrage – zu unrecht. Frauen* of Colour sind weltweit mit Mehrfachdiskriminierungen konfrontiert: Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts sowie aufgrund ihrer Hautfarbe. Als in den USA die ehemalige Sklavin Sojourner Truth 1851 während der Ohio Women’s Rights Convention (Frauenrechtskonvention) hörte, wie die männlichen Anwesenden Frauen* das Wahlrecht vorenthalten wollten aufgrund ihrer Schwäche, stand sie auf und hielt ihre berühmte Rede Ain’t I a Woman? (Bin ich etwa keine Frau?). Sie zeigte anhand ihres eigenen Lebens, in dem sie kein bisschen weniger hart behandelt wurde als die männlichen Slaven, dass Frauen* nicht per se schwach sind. Zugleich widerlegte sie damit die herrschenden Geschlechternormen und zeigte gleichzeitig, dass Frauen* of Colour eine ganz andere Lebensrealität lebten als die weiße Mehrheitsbevölkerung.

Der Begriff Intersektionalität, der diese Mehrfachdiskriminierung beschreibt, kommt erst allmählich in das Bewusstsein von weißen Menschen. Auch im Feminismus sind Beiträge von Menschen of Colour an den Rand gedrängt und Diskurse von Meinungen der weißen Menschen geprägt. Beispielsweise haben westliche Frauen* jahrzehntelang darum gekämpft arbeiten gehen zu dürfen, Frauen* of Colour mussten das schon immer neben ihrem eigenen Haushalt tun und wurden dafür sogar noch klein gemacht. Ihre Arbeit machte sie weniger zur Frau* und entzog ihnen umso mehr den Anspruch auf Schutz, der sonst für (weiße) Frauen* galt. So wurden sogar Vergewaltigungen von Frauen* of Colour lange nicht verfolgt. Für alle, die sich mehr mit diesem Thema auseinandersetzen möchten, kann ich das Buch „Schwarzer Feminismus“ von Natasha Kelly empfehlen. Es behandelt Grundlagentexte der Intersektionalität, die in dem Buch zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden.

Frauen*kämpfe in anderen Teilen der Welt

Frauen* of Colour machen weltweit auf ihre jeweiligen Lebensrealitäten und Diskriminierungserfahrungen aufmerksam. Ni una menos (deutsch: nicht eine weniger) ist eine weltweit bekannte lateinamerikanische Frauen*bewegung, die gegen Frauen*unterdrückung kämpft. Ihr Ursprung liegt in Argentinien, wo eine massive Gewaltwelle und Mordrate an Frauen* Millionen von Menschen im Juni 2015 zum ersten landesweiten Protesttag auf die Straßen brachte. Sie streikten gegen Femizide, häusliche Gewalt sowie strukturelle und staatliche Gewalt gegen Frauen. Die Femizide, also geschlechtsspezifischen Tötungen von Frauen, waren ursprünglich das Hauptmotiv der Aktivist*innen. In Lateinamerika gibt es täglich mehr als 17 Femizide, wovon die meisten durch Partner oder Ex-Partner begangen werden. Heute stehen auch Themen wie Geschlechterungleichheiten und Abtreibungsverbote im Fokus. Schwangerschaftsabbrüche sind in fast allen lateinamerikanischen Ländern verboten.

Häusliche Gewalt tritt in jedem Teil der Welt auf. 2017 wurden laut UN in Asien 20.000 Frauen* von Partnern oder Familienangehörigen getötet, in Afrika 19.000, auf dem amerikanischen Kontinent 8.000, in Europa 3.000 und in Ozeanien 300. Diese Gewalt resultiert meist aus Gender-Stereotypen, die dem Mann das Recht auf Sex oder Dominanz über die Frau* zusprechen. Kulturelle Praktiken wie Mitgift / bride price verstärken diese Ansichten zusätzlich, da Frauen* zur Ehe verkauft werden. In Indien machen Mitgift-Morde 40–50 % aller Femizide aus.

Steinigungsurteile oder Steinigungen ohne Urteile sind in den vergangenen Jahren aus den Ländern Afghanistan, Nigeria, Iran, Irak, Jemen, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt geworden.

Eine weitere schreckliche Praktik von Gewalt an Frauen* war und ist die Zwangssterilisation. Besonders hoch ist die Rate an indigenen Frauen in Lateinamerika. Ab ca. den 60er Jahren förderten u.a. die Weltbank, der IMF, die UN und die Entwicklungshilfeagentur USAID diese Praktik als Geburtenkontrolle. In den Jahren 1990 bis 2000 wurden alleine in Peru 300 000 Frauen und 22 000 Männer zwangssterilisiert. Auch in Indien galt Sterilisation als Priorität der Entwicklungshilfe, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Zwischen 1975 und 1977 wurden in einem einzigen Jahr über acht Millionen Inder*innen gegen ihren Willen sterilisiert. Zwangssterilisation war und ist auch in anderen Ländern vertreten, wie Brasilien, China, Schweden und Deutschland. Bei uns war die Hochzeit natürlich während des Nationalsozialismus.

Ein Ruf nach mehr Schwesterlichkeit

Die oben genannten Beispiele sind nur ein Ausschnitt von Diskriminierungen, Gewalt und Ungerechtigkeiten, die Frauen* begegnen und spiegeln bei weitem nicht die tatsächliche Breite an Themen wieder. In unseren westlichen Diskursen über Feminismus und feministische Themen bleiben diese Realitäten oft außen vor, obwohl wir den Anspruch haben für alle Frauen* zu kämpfen. Diese Ignoranz schwächt unsere Frauen*bewegung, denn nur wenn wir vereint kämpfen, können wir etwas bewegen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Frauen* of Colour, Trans*frauen und andere nicht-weiße/hetero/cis Frauen* sich von der dominanten weißen Frauen*bewegung abgrenzten, da sie sich nicht vertreten gefühlt haben. Daher ist mein Plädoyer für den diesjährigen Frauen*kampftag, dass wir uns die Realitäten von Frauen* weltweit ins Bewusstsein rufen und uns solidarisch und schwesterlich mit allen Frauen* in eine Reihe stellen.

Beitragsbild von Giacomo Ferroni auf Unsplash

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