Frauenfußball: Leidenschaft verbindet, was andere trennen wollen

„Spielen die Frauen wieder? – Das kann ich mir nicht anschauen, dass sieht immer so langsam aus…“ Dieser Satz stammt nicht vom Stammtisch, sondern von meiner Mutter und ist vor einigen Jahren ausgesprochen worden.

Dazu muss ich sagen, meine Mutter war stets eine starke, unabhängige Frau und ist es bis heute. Sie ist mit 17 von zu Hause ausgezogen, weil sie sich nicht vorschreiben lassen wollte, wann, wie und vor allem wen sie heiraten soll. Sie hat geheiratet, allerdings standesamtlich – für eine ehemalige Klosterschülerin ist das fast so schlimm wie konvertieren. Sie hat ihr ganzes Leben gearbeitet und ganz nebenbei zwei Kinder großgezogen. Sie drohte ihrer eigenen Mutter mit Kontaktlosigkeit, wenn sie es wagen würde, ihren Enkel im Vergleich zu seiner Schwester zu bevorzugen. Sie war und ist mein großes Vorbild – nicht nur, aber besonders weil sie als starke Frau vielen Widerständen zum Trotz stets ihre Träume verfolgen und die meisten verwirklichen konnte. Ich habe mich schon damals gefragt: Warum sagt meine Mutter so etwas?

Frauenfußball ist älter als MANN denkt

Meiner Meinung nach liegt der Grund dafür ebenso sehr auf der Hand, wie er schwierig zu verstehen ist. Es war schlicht ungewohnt, ein Fußballspiel der Frauen live im Fernsehen zu schauen, und ist es – so ehrlich muss MANN sein, bis heute immer noch.

Wenn ich möchte, kann ich mir an einem Wochenende die gesamten Niederungen des Männerfußballs in seiner Gänze anschauen. Alles, was ich dafür brauche, ist Zeit und Geld für die circa 3.571 benötigten Streaming-Dienste. Schon kann ich zwischen 3. Bundesliga und englischer Premier League hin und her zappen. Ich kann aber auch einfach beim nächstgelegenen Amateurverein 22 Holzfüßen – so wie ich auch einer bin – bei einem Verbrechen an Ball und Boden zuschauen.

Möchte ich allerdings Frauenfußball live verfolgen, ist das – außerhalb von Welt- oder Europameisterschaften – deutlich komplizierter. Der Streaming-Dienst DAZN wirbt seit neustem damit, die deutsche Frauenbundesliga und die Champions-League der Frauen live zu übertragen – dabei entsteht schnell der Eindruck, als würde da eine komplett neue Sportart beworben. Nicht weil „Frauenfußball“ so viel langsamer ist, sondern weil es so vermarktet wird, als wäre es DIE NEUERSCHEINUNG unserer Zeit. Nur zur Info: Der „1. Deutsche Damen Fußballclub“ wurde von Lotte Specht 1930 gegründet. Die Frauen des 1. FC Köln kicken bereits seit 1948 – damit sind sie älter als rund ein Viertel der 1. und 2. Herrenbundesliga.

Erwartungen, die sich selbst bestätigen

Nichtsdestotrotz scheint es, als würde das Klischee von der Unverträglichkeit zwischen Frauen und Fußball erst so langsam verschwinden. Damit wären wir wieder bei der anfangs formulierten Aussage: „Frauenfußball sieht langsamer aus als Männerfußball“. Dass dies so pauschal formuliert gar nicht stimmen kann, liegt auf der Hand, oder sollte es zumindest.

Wie ich kürzlich auf einem Workshop zur Wirkung von Worten und Bildern innerhalb von Bildungspartnerschaften erfahren durfte, werden vor allem Bilder häufig gemacht und angeschaut, um gängige Klischees zu bestätigen. Beispielsweise „brauchen“ viele Touristen auf Afrika-Tour dringend ein Bild von einer Giraffe, da sie ja sonst nicht „beweisen“ könnten, dass sie in Afrika gewesen sind.

Ich denke, das selbe Denkmuster finden wir auch in der Betrachtung von Frauenfußball. Viele Menschen schauen Frauenfußball in der ERWARTUNG von langsamerem und dilettantischerem Sport und meinen sich dann bestätigt zu sehen. Allerdings ist 1–5 Frauenfußball-Spiele im Jahr anzuschauen (wenn überhaupt…) nun wirklich keine ernstzunehmende Stichprobe. Natürlich gibt es im Frauenfußball auch langweilig anzuschauende Spiele, aber die gibt es im Herrenfußball – ich spreche aus Erfahrung – ebenso oft…. Nur scheint der Großteil der ZuschauerInnen dies dort nicht zu erwarten und als Ausnahme abzuspeichern.

FC. St. Pauli & Samba Queens – Gemeinsam gegen Klischees

Wir stehen also vor dem Problem, mit einem Klischee aufräumen zu müssen, das älter ist als die meisten Fußballinteressierten. Wie schwer das ist, dürften vor allem die meisten Leserinnen aus persönlicher Erfahrung und aus vielen verschiedenen Lebenssituationen kennen – aber auch viele Leser dürften zumindest eine Vorstellung davon haben.

Doch so schwer es auch ist mit veralteten Weltansichten aufzuräumen, irgendwo muss man beginnen. Was uns zurück zu meiner Mutter führt. Ein Anfang muss es sein, dass Frauen und Mädchen selbst es nicht mehr „komisch“ finden Fußball zu spielen oder anderen Frauen und Mädchen beim Fußballspielen zuzuschauen. Zu diesem Thema hat die Frauenfußballmannschaft des FC St. Pauli in Kooperation mit den „Samba Queens“ aus Dar es Salaam (Tansania) ein cooles Projekt auf die Beine gestellt, welches den Frauenfußball zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit nutzen möchte.

Das Projekt „Women Football in Tanzania and Germany“ findet im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Saalam statt. Beide Teams setzen sich während des Projektverlaufs intensiv mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft und mit den kulturellen Unterschieden beider Länder auseinander, ebenso mit der damit eng verbundenen Kolonialgeschichte – ein Aspekt, der schnell vergessen wird in Bezug auf Geschlechterungerechtigkeit.

Die Besuche der Fußballerinnen in der jeweiligen Heimatstadt des anderen Teams stellen das Herzstück des Projekts dar. Während dieser Besuche erarbeiten beide Teams in gemeinsamen Workshops Inhalte zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, deren Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Durch gemeinsames Fußballtraining lernen sich die Teams besser kennen, wachsen zusammen und stärken auf diese Weise das Selbstvertrauen ihrer Mitglieder.

Meiner Meinung ist dies genau der Ansatz, der gewählt werden muss. Wenn die eigene Wahrnehmung stimmt, dann fällt es auch automatisch leichter mit den ewig gestrigen Weltansichten von Fußballpatriarchen umzugehen. Was natürlich nicht bedeutet, dass es gut ist diese einfach zu ignorieren, aber mit geringem Selbstbewusstsein ist es schwieriger sich ihnen entgegenzustellen.

Falls ihr euch für das Projekt „Women Football in Tanzania and Germany“ interessiert, dann folgt doch einfach diesem Link und schaut es euch an, es lohnt sich. Was meine Mutter angeht, kann ich berichten, dass sie ihre Meinung mittlerweile auch geändert hat. Nach der Vorrunde der sowieso mehr als fragwürdigen Winter-WM der Männer in Katar – die darüber hinaus für die deutsche Nationalmannschaft denkbar schlecht verlief – saßen wir im Wohnzimmer meiner Eltern zusammen. Meine Mutter zuckte mit den Schultern und sagte: „Naja, immerhin können wir im Sommer wieder die Frauen gucken. Das sieht irgendwie schneller aus und immerhin gewinnen die auch mal“. Das beweist: Es bedarf keines Interesses für Fußball, um den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Fußball zu erkennen. 

Liebe Grüße

Euer Basti


Foto von Kenny Eliason auf Unsplash

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