Die OM10 in Göttingen – eines von vielen Commons-Projekten im Rahmen des Mietshäusersyndikats

(Fair)teilen und zusammen nutzen: Gemeingüter weltweit und bei uns vor Ort

Dieser Text ist Teil der Reihe „Unser Blickpunkt“ des EPIZ Entwicklungspolitisches Informationszentrum Göttingen.


„Der Kapitalismus ist nicht zukunftsfähig. Wenn wir glauben, die Welt durch nachhaltigen Konsum vor der Klimakatastrophe zu retten, betrügen wir uns selbst.“ Mit diesen Worten beschreibt Prof. Kohei Saito, warum er den Wandel hin zu einem „Degrowth-Kommunismus“ für sinnvoll hält.

Aktuell bedeuten Fortschritt und Entwicklung bei uns meist Ausbeutung von Arbeitskraft und natürlichen Ressourcen – viel im Globalen Süden. Das ändert sich auch bei Ansätzen von „grünem Wachstum“ oder einem „New Green Deal“ kaum: Die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Indigenen in Bolivien, Chile und Argentinien durch den Lithium-Abbau zur Herstellung von Elektro-Auto-Batterien ist eines von vielen Beispielen. Daher schlagen Unterstützer*innen der „Commons-Bewegung“, die sich im deutschsprachigen Raum rund um das Commons-Institut finden lässt, eine commons-basierte Gesellschaft vor: Besitz statt Eigentum und Menschen tragen bei statt zu tauschen. Bereits existierende Beispiele sind Wikipedia oder auch am Gemeinwohl orientierte Bibliotheken. 

Derlei Projekte brechen konsequent aus der Logik von Märkten aus. Dies ist in der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen („SDGs“) bisher selten der Fall. Daher setzen sich Akteure wie das International Science Council dafür ein, dass die Transformationen im Rahmen der SDGs noch mehr commons-orientiert und partizipativ geschieht. Dazu beteiligten sie sich auch an der von der International Association for the Study of the Commons (IASC) organisierten großen Konferenz zum Thema in Nairobi. Kohei Saito ist weniger optimistisch und beschreibt die SDGs polemisch gar als „Opium des Volkes“. Er setzt sich für Gesellschaftsmodelle ein, die ihre Wirtschaft durchgängig am Gemeinwohl orientieren. Dazu hält er die Vergesellschaftungen großer Ölkonzerne, Banken und der digitalen Infrastruktur für notwendig – sowie im Lokalen den Aufbau von solidarischen Gemeinschaften. 

Davon gibt es auch bei uns in Deutschland einige Modellprojekte wie das tauschlogikfreie „Utopische Salzderhelden“, die partizipative flause oder die zahlreichen solidarischen Landwirtschaften. Auch das Mietshäuser Syndikat, welches Häuser in Gemeineigentum überführt, zählt dazu. Die Lebensgemeinschaft „gASTWERKe“ unterhält Verbindungen zum indischen grassroots Netzwerk Vikalp Sangam, welches sich explizit gegen das dominante Entwicklungsparadigma stellt und eines von vielen Beispielen für commons-basiertes Zusammenleben im Globalen Süden ist. 

Eine Gesellschaft, die auf „Commons“ basiert, ist also weit davon entfernt bloß eine ferne Utopie zu sein: Dies zeigt auch der Erfolg des aktuellen Buches des erwähnten Kohei Saito, welches sich in Japan über 500.000 mal verkaufte. Die Zukunft wird zeigen, ob auch die grade erschienene deutsche Übersetzung für ähnliche Aufmerksamkeit bei uns sorgen wird 😉 

Einen mit Gemeingütern reich gefüllten Jahresendpurt wünschen Chris Herrwig und das EPIZ-Team

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