Eiseskälte in Lipa – Was ist da los?!

Das Camp Lipa liegt im Norden von Bosnien und Herzegowina und somit nahe an der Grenze zu dem europäischen Land Kroatien an. Das Camp sollte ursprünglich nur für den Sommer während der Pandemie genutzt werden, da es sich als Standort für die Weiterreise nach Europa gut eignet. Doch die Flüchtenden hatten kaum eine Möglichkeit, einen Asylantrag in der EU zu stellen und saßen fest – und somit war das Camp schnell überfüllt.

Die aktuelle Situation

Im Dezember war ein Feuer in dem Lager in Lipa ausgebrochen. Danach waren etwa 1.000 Menschen ohne Unterkunft, wofür Bosnien und Herzegowina international viel Kritik erntete. Geplant war eigentlich eine Evakuierung in eine Kaserne in die Hauptstadt Sarajevo, die allerdings an dem Widerstand der Bürger*innen und der Kommunen dort gescheitert ist. Die Flüchtenden mussten also in dem vom Brand zerstörten Camp bleiben, trotz eisiger Temperaturen des Wintereinbruchs. Das Militär errichtete direkt daneben neue Zelte, die allerdings noch nicht vollständig benutzbar waren, als sich das Wetter verschlechterte. Ein Mitarbeiter der Organisation „Danish Refugee Council“ sagte in einem Interview mit der Tagesschau, dass die Lebensbedingungen vor Ort gegen die Menschenrechte verstoßen würden. Es gäbe keine Gesundheitsversorgung, keinen Strom und keine sanitären Einrichtungen. Das Lager soll nun bis April wieder neu aufgerüstet und mit fließend Wasser und Strom ausgestattet werden.

Bis dahin sind die Menschen auf sich allein gestellt und können nur auf weitere Unterstützung von Hilfsorganisationen hoffen. Zusätzlich zu den lebensbedrohlichen Umständen, kommt es bei Fluchtversuchen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen an der Grenze. Denn die kroatische Grenzpolizei hindert die Menschen daran, die Grenze zu passieren. Solche, die es schaffen, werden – oft unter Einsatz von Gewalt – wieder abgeschoben. Dass die Außengrenze bewacht wird und geprüft werden muss, ob die Einreise erfolgen darf, entspricht den europäischen Einwanderungsgesetzen. Doch das brutale Zurückdrängen, sogenannte Pushbacks, ist meist illegal, aufgrund der schwierigen Beweisführung rechtlich hoch umstritten und wird von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, dass man auch an der Außengrenze schnelle Asylverfahren beantragen kann. Das Recht auf Asyl ist fest in EU-Regelwerken verankert. Die Realität an der Grenze Bosnien und Herzegowinas sieht jedoch anders aus.

Wie genau diese Realität aussieht? Das Magazin Fluter hat sich vor Ort mit sechs Flüchtenden unterhalten und ihre Geschichten festgehalten, die ihr hier nachlesen könnt.

Die Problematik der Zuständigkeiten

Die EU hat Bosnien eigentlich in den vergangenen Jahren viel Geld zur Unterstützung der Migrationspolitik überwiesen, aktuell 20 Millionen Euro pro Jahr. Da stellt sich die Frage, woran es liegt, dass diese finanzielle Unterstützung nicht da ankommt, wo sie benötigt wird. Das Problem in Bosnien und Herzegowina ist, dass die relativ schwache Zentralregierung in Sarajevo nicht gegen die starken kommunalen Kantone, vergleichbar mit Bundesländern, ankommt. In diesen Auseinandersetzungen werden die Fragen der Zuständigkeit hin und her geschoben. Neben Lipa gibt es noch einige andere Camps, die den Umständen entsprechend wesentlich besser ausgestattet sind und bei denen die Fördergelder tatsächlich auch ihre Wirkung zeigen. Warum trotz lauten Hinweisen auf die extremen Mängel des Camps so wenig unternommen wurde, bleibt also schwammig. Seit Ende Januar wird auch teilweise der Presse der Zugang zu dem Camp von bosnischen Sicherheitsbehörden verwehrt.

Klare Forderungen

Der Leiter der Europa-Abteilung von der Menschrechtsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, sieht ganz klar die EU in der Verantwortung. Er fordert, dass die Menschen sofort evakuiert werden müssen, und zwar nach Europa. Denn sie sitzen in Lipa fest, weil sie gewaltsam völkerrechtswidrig an der EU-Außengrenze Kroatien zurückgeprügelt werden. Damit diese Pushback-Politik aufhört, so sagt Kopp, muss in einem zweiten Schritt endlich ein gemeinsames europäisches Schutzsystem geschaffen werden, zu dem auch legale und sichere Fluchtwege gehören. Das Kernproblem sei, dass es in der EU nur noch eine kleine Koalition der aufnahmebereiten Staaten gäbe. Aber es würden viele Städte und Regionen, nicht nur in Deutschland, existieren, die bereit sind mehr zu tun, um Flüchtlingsrechte und Menschenwürde zu verteidigen. Diese Koalition der Aufnahmebereiten gilt es laut Kopp zu stärken. Das vollständige Interview im Gespräch mit der TAZ findet ihr hier.

Aktiv werden

Wenn ihr selbst aktiv werden wollt, dann könnt ihr beispielsweise in die projektübergreifende Sammelbox der Organisation „Balkanbrücke Supports“ einzahlen. Dort werden Spenden für verschiedene Gruppen vor Ort gesammelt und dann bedarfsorientiert und in Absprache mit den jeweiligen Gruppen entschieden, wohin und in welcher Höhe die Gelder weitergeleitet werden.

Eine konkrete humanitäre Hilfsorganisation in Bosnien ist SOS Bihac. Auch dort findet ihr weitere Informationen und wie ihr selbst aktiv werden könnt.

Darüber hinaus könnt ihr eure Stimme abgeben für die Aktion von Pro Asyl „Nein zu einem Europa der Haftlager für Flüchtlinge!“ oder euch auf der Homepage mehr über eine Mitgliedschaft, Spendengelder oder den Newsletter informieren.

Ansonsten findet ihr hier den Veranstaltungskalender des Bündnisses Seebrücke mit Terminen für eine Online-Vortragsreihe zum Thema „Die EU macht dicht.“ Dort findet ihr auf der Homepage auch Material, falls ihr eigene kleine Aktionen starten wollt.

 

– Ronja –


Das Beitragsbild ist von Alea Horst, die in der Region Bihac, in der das Camp Lipa liegt, fotografiert hat.

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