Eine Zukunft beim Thema Mobilität? Eine Welt ohne Autos.

„Das kann ja keine Zukunft sein, die wirklich attraktiv ist: Autos, die keinen fossilen Brennstoff mehr, sondern stattdessen einen elektrischen Antrieb haben. Das ist ja noch keine Zukunft. Das ist nur verlängerte Gegenwart. Eine richtige Zukunft bei dem Thema Mobilität – wäre eine Welt ohne Autos.“

So lautet die Perspektive von dem Soziologen und Zukunftsforscher Harald Welzer in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Er ist der Meinung, dass die Lösung nicht sein kann, einfach nur den Brennstoff auszutauschen und die restlichen Strukturen so zu belassen, wie sie gerade sind. Das wird keine nachhaltige Veränderung bringen. Denn allein der potenzielle Raumgewinn, der momentan von Autos und all den Parkplätzen besetzt ist, birgt allein schon so viele Möglichkeiten, den urbanen Lebensraum ökologischer, sozialer und sicherer zu gestalten. Eine interessante Illustration dazu, wie wenig Platz in Städten oft für Fußgänger*innen bleibt, hat der schwedische Künstler Karl Jilg entworfen.

Die Mobilitätswende in Ballungsräumen

In diesem letzten Jahr ist der unwahrscheinliche Fall aufgetreten, dass der Flugverkehr ähnlich gering war wie im Jahr 1955. Und es war tatsächlich möglich, die Wichtigkeit der Gesundheitspolitik vor die Wirtschaft zu stellen. Sind da nicht vielleicht die Weichen gestellt, um endlich auch den Klimawandel auf der Prioritätenlisten nach ganz oben zu setzen? Also: raus mit den Autos aus den Städten!  

Die Befreiung der Innenstadt von motorisiertem Individualverkehr – das fordert auch die Klimabewegung Fridays for Future. Und zwar einerseits in Form eines wesentlichen Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs, in Verbindung mit einer Preisreduktion auf einen Euro pro Tag im Rahmen eines Jahrestickets. Und andererseits in Form des Ausbaus der Fahrradverkehrsinfrastruktur. Das Konzept der Entlastung und der Umstrukturierung wird in Städten, wie Oslo, Madrid, Helsinki, Kopenhagen, Hamburg und Chengdu bereits in verschieden Projekten umgesetzt.

Auch die Netzwerke von Carsharing und einem öffentlichen Fahrradverleihsystem breiten sich in den Innenstädten aus und bieten die Möglichkeit, Mobilität zu teilen.

Der ausbleibende Hype um E-Autos

Aus Sicht der Belastung durch Abgasemissionen machen Elektroautos theoretisch schon Sinn – wenn man sie richtig „betankt“. Auf den ersten Blick weisen Benzin- und Dieselautos eine schlechtere Klimabilanz gegenüber der elektrischen Alternative auf. Lädt man ein Elektroauto jedoch mit Kohle- oder Atomstrom, so können diese eine ähnlich schlechte Klimabilanz wie die konventionellen Pkw aufweisen. Hinzu kommt der große Mangel einer vorhandenen Infrastruktur, bezogen auf die Verteilung von Ladestationen, für die Nutzung von E-Autos. Auch die Batterie und die damit verbundene geringe Reichweite ist ein weiterer Schwachpunkt. Vor allem da auch die Herstellung aus Lithium und Nickel sehr konfliktreich ist.

Der ländliche Raum

Man darf bei der Diskussion allerdings nicht vergessen, dass der mediale Blick auf die Mobilitätswende oft auf den urbanen Raum begrenzt ist. Die Notwendigkeit von Autos auf dem Land ist eine andere. Während in den Städten das Auto die Palette an Ausdrucksmöglichkeiten verschiedener Individualitäten widerspiegelt und als Symbolträger (für Status oder Freiheit) fungiert – so ist das Auto auf dem Land oft essenziell, um die weniger dichte Infrastruktur nutzen zu können. Da der ÖPNV auf dem Land oft starr und lückenhaft organisiert ist, ist der Pkw mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent aller Wege fast über sämtliche Lebensphasen der Bewohner*innen hinweg das vorrangige Verkehrsmittel im ländlichen Raum. Wobei sich diese beiden Gegebenheiten wiederum gegenseitig bedingen.

Zeit für Utopien

Um wieder zurück zu dem Ausgangspunkt zu kommen: Die eben genannten Punkte sind wohl in den Augen von Harald Welzer alles nur Aspekte einer „verlängerten Gegenwart“. Die Idee von einer Welt ohne Autos beinhaltet keine konkreten Lösungsansätze – dafür aber eine Möglichkeit als Wegweiser zu funktionieren. Wie der Historiker Rutger Bregman in seinem Buch „Utopien für Realisten“ formuliert: „Das utopische Denken kann jedoch einen anderen Weg einschlagen. Man kann eine Utopie als grobe Skizze begreifen, die keine fertigen Antworten liefert, geschweige denn endgültige Lösungen. Aber – sie wirft die richtigen Fragen auf. Denn das wahre Problem unserer Zeit ist nicht, dass es uns nicht gutginge – sondern, dass wir uns nichts Besseres vorstellen können.“

Somit ist die Zukunftsvision einer Welt ohne Autos wertvoll, wenn auch auf den ersten Blick langwierig umzusetzen. Denn um überhaupt einen anderen Weg des Denkens in den Köpfen der Menschen zu ermöglichen, braucht es manchmal Utopien.

 

-Ronja-


Das Beitragsbild ist von Febiyan auf Unsplash.

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