Direkte Hilfe zur Selbsthilfe – Das 1.000 Dollar-Projekt in Kenia

Vielleicht habt ihr selbst schon einmal Geld an eine Hilfsorganisation gespendet und euch gefragt, wie viel davon wirklich vor Ort ankommt. Und wer bestimmt eigentlich, wie diese Spendengelder verteilt werden? Was wäre nun, wenn ihr wüsstet, dass euer gespendetes Geld von einer Organisation direkt an einen einzelnen Menschen überwiesen wird? Und diese Person komplett selbständig darüber verfügen könnte? Klingt einfach – aber auch besonders? Wir möchten euch so eine besondere Organisation vorstellen, die eine andere Perspektive, eine andere Herangehensweise aufzeigt.

Im Vergleich

Viele Organisationen, wie beispielsweise WWF, Plan International, UNICEF, Care und World Vision zählen Studien nach zu den transparentesten Organisationen. Das bedeutet, es wurde überprüft: Wie offen sie über ihre Vision und Strategie, ihre Aktivitäten und die Wirkung dieser Arbeit informieren und diese offenlegen. Also wie transparent auch ihr nachverfolgen könnt, was mit eurem Spendengeld passiert. Eins ist allerdings bei all diesen Organisationen gleich und das ist die Perspektive. Ja, sie versuchen in den Ländern durch ihre Projekte Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Und ja, sie gehen auf die Bedürfnisse der tatsächlichen Bewohner*innen vor Ort ein und helfen die Lebensbedingungen zu verbessern. Aber die Bestimmungen über den Bau von Brunnen oder die Verteilung von Schulmaterialien werden schlussendlich oft von den Organisationen  allein entschieden.

GiveDirectly

Anders funktioniert die 2009 von Studierenden der Universitäten Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology gegründete Organisation GiveDirectly. Auf der Suche nach dem effektivsten Weg Armut zu bekämpfen, beschlossen sie, den Menschen Geld direkt per Handytransfer zu überweisen.

Das Konzept

Diese Geldtransfers sind dabei an keinerlei Bedingungen geknüpft und die Empfangenden müssen das Geld nicht zurückzahlen. Außerdem ist das Geld somit nahezu sicher vor Korruption und kommt auch tatsächlich dort an, wo es gebraucht wird. Die Idee dahinter ist, dass die Empfänger*innen somit selbst entscheiden können, wofür sie es verwenden. Von den Spenden, die an GiveDirectly fließen, verwendet die Organisation nur 15 % für sämtliche administrative Zwecke, inklusive der Gehälter aller Mitarbeitenden – ein außergewöhnlich niedriger Wert. 85% einer Spende gehen damit direkt an Menschen in Armut.

Das 1.000 Dollar-Projekt in Kenia

2014 startete eine Gruppe von Wissenschaftler*innen mit der Organisation GiveDirectly ein Forschungsprojekt in Kenia. Das Projekt sollte über mehrere Jahre hinweg neue Daten für diese andere Art der finanziellen Unterstützung in Afrika und ihrer Auswirkungen zusammentragen.

Dafür wurden 10.500 arme Haushalte in Hunderten Dörfern des Siaya County, der kenianischen Region zwischen Viktoriasee und der Grenze zu Uganda, identifiziert. Satellitenaufnahmen von Strohdächern waren eines der Auswahlkriterien. Jeder dieser Haushalte erhielt einmalig umgerechnet 1.000 Dollar  – ein Betrag, der etwa dem jährlichen Durchschnittseinkommen einer Familie in Kenia entspricht. Das Geld wurde innerhalb einiger Monate in drei Raten über ein bargeldloses Handy-Bezahlungssystem namens M-Pesa ausgezahlt. Empfänger*innen, die kein Mobiltelefon besaßen, konnten ein einfaches Smartphone bei GiveDirectly erwerben.

In etwa der Hälfte der 653 untersuchten Dörfer fanden keine Zahlungen statt. Sie dienten als Kontrollgruppe, um die Effekte für die gesamte Gemeinschaft messen zu können.

Die Wirkung

Bedingungslose Geldtransfers kamen in der Entwicklungszusammenarbeit lange Zeit nicht zum Einsatz, weil befürchtet wurde, dass die Empfänger*innen das Geld für Alkohol, Drogen und ähnliches ausgeben würden. Aber dieses Projekt in Kenia zeigt deutlich, dass dies nicht der Fall ist. Die Auswertung von den Studien weist eindeutig darauf hin, dass sich das GiveDirectly-Programm in Kenia sogar positiv auf das körperliche und psychologische Wohlbefinden der Zahlungsempfänger*innen auswirkt.

Denn was haben die Bewohner*innen in den Dörfern eigentlich mit ihrem Geld gemacht?

Die meisten haben zuerst ihre regendurchlässigen Strohdächer durch Wellblechdächer ersetzt und sich somit ein großes Stück Lebensqualität gesichert. „Wir haben uns eine Kuh gekauft“, sagt Odhiambo, eine der Empfängerinnen, „außerdem Schuluniformen und Bücher für die Kinder.“ Ihr Mann hat in ein gebrauchtes Motorrad investiert, um als Taxifahrer genug Geld für den Schulbesuch seiner Kinder zu verdienen. Auch die ständigen Geldsorgen und der damit verbundene psychische Stress wurden weniger. Und durch die Gründung kleiner Unternehmen vor Ort wurde auch die regionale Gesamtwirtschaft angekurbelt und hat dafür gesorgt, dass am Ende tatsächlich alle Bewohner*innen des Dorfes gemeinsam von den direkten Finanzspritzen profitieren.

Fazit

GiveDirectly hat eindeutig nachgewiesen, dass ihr Konzept der direkten Hilfe zur Selbsthilfe nachhaltig funktioniert. Außerdem ist dieser Ansatz gut umsetzbar und kann theoretisch ohne großen Aufwand in viele andere Länder übertragen werden.

Wenn ihr neugierig geworden seid, könnt ihr die Dokumentation vom WDR zu diesem Projekt anhören, die noch bis zum 13. April 2021 verfügbar ist. Oder wenn ihr weiterlesen oder selbst spenden möchtet, geht das hier.

– Ronja –


Das Beitragsbild ist von Shane Rounce auf Unsplash.

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