Wahl in Brasilien

Die Präsidentschaftswahl in Brasilien

Ein gespaltenes Land geht am 2. Oktober 2022 wählen. Zur Wahl stehen elf Kandidatinnen und Kandidaten. In den letzten Wahlumfragen liegt der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit 45 Prozent vorne. Den zweiten Platz belegt mit 37 Prozent der aktuelle Amtsinhaber Jair Bolsonaro. In diesem Beitrag lernt ihr die beiden Kandidaten mit den höchsten Umfragewerten kennen und erfahrt, warum diese Wahl die brasilianische Demokratie auf die Probe stellt.

Jair Bolsonaro

Jair Bolsonaro (67) ist seit über 30 Jahren in der brasilianischen Politik aktiv; seit 2018 ist er Präsident des Landes. Er wird insbesondere durch die Agrarindustrie, Teile des Militärs sowie der Bevölkerung evangelikalen Glaubens unterstützt. Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und von Lebensgrundlagen indigener Bevölkerungen, eine rücksichtslose Corona-Politik, die das Leben von 676.000 Menschen gekostet und zu Hungersnöten in Teilen der Bevölkerung geführt hat, sind einige Folgen von Bolsonaros Regierung. Eine zweite Amtszeit würde Bolsonaro grünes Licht geben, diese Politik fortzusetzen.

Luiz Inácio Lula da Silva

Luiz Inácio Lula da Silva (76) war Gewerkschaftler, hat in den 1980er-Jahren die Arbeiterpartei (PT) gegründet und das Land von 2003 bis 2011 regiert. Lula wurde 2018 wegen Korruption verurteilt, verbrachte 580 Tage im Gefängnis und durfte daher bei der letzten Präsidentschaftswahl (2017) nicht gegen Bolsonaro kandidieren. 2022 darf er sich zur Wahl stellen, da alle Prozesse gegen ihn annulliert wurden. Es stellte sich nach einem langen Verfahren heraus, dass der damalige Bundesrichter Sérgio Moro – der Lula verurteilt hatte – parteiisch agierte. Lulas Wählerinnen und Wähler kommen insbesondere aus den unteren Schichten der Bevölkerung. Mit Lula verknüpfen sie die wirtschaftlichen Fortschritte des Landes während seiner ersten Regierungszeit (2003–2007). Bei einem Wahlerfolg Lulas sollten soziale Fragen, vorrangig die Hungerbekämpfung, in den Vordergrund gestellt und eine engere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und indigenen Bevölkerungen gestärkt werden.

Gespaltenes Land, Fake News und Drohung eines Militärputsches

Das Land ist wie auch vor der letzten Präsidentschaftswahl gespalten: Bolsonaro oder Lula. Die Umfragewerte der anderen Kandidatinnen und Kandidaten liegen weit hinter den beiden zurück. Wie im Jahr 2017 spielen soziale Netzwerke und Instant-Messaging-Dienste im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Die Verbreitung von Fake News ist erneut zu beobachten. Bolsonaro hat nach wie vor einen großen Teil des brasilianischen Militärs hinter sich. Er behauptete während der Wahlkampagne mehrmals, das elektronische Wahlsystem Brasiliens sei nicht sicher. Viele befürchten daher, dass – im Falle einer Wahlniederlage – keine demokratische Amtsübergabe erfolgen wird. In den letzten Wochen erhielt Lula die Unterstützung von Politikerinnen und Politikern anderer Parteien, einige davon sind frühere Gegnerinnen und Gegner Lulas. Sie sagten, sie wollten Lulas Sieg bereits im ersten Wahlgang unterstützen, um die brasilianische Demokratie vor einem Militärputsch zu schützen.

Brasilien ist eine junge Demokratie. Erst 1989 wurde nach 21 Jahren Militärdiktatur wieder demokratisch gewählt. Für Erwachsene zwischen 18 und 70 Jahren besteht Wahlpflicht. Wer nicht wählt, muss eine Strafe bezahlen. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren können wählen. Sollte am 2. Oktober 2022 keine Kandidatin oder kein Kandidat die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreichen, findet vier Wochen später eine Stichwahl statt.

Autor: Carlos dos Santos. Er ist in Brasilien geboren und lebt seit 13 Jahren in Deutschland.


Beitragsbild von Rafaela Biazi auf Unsplash

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