26 Jul 2018 BlaBla goes re:publica: Die neuen Rechten im Netz
Heute geht es endlich los mit den Detailberichten zur re:publica 2018! Unser erstes Thema: die neuen Rechten im Netz. Und die großen Fragen: Was macht sie so erfolgreich und was können wir ihnen entgegensetzen?
Die Revolution disst ihre Kinder – alte Linke, neue Rechte und das Internet
Gleich im Eröffnungspanel sprechen die Menschen auf dem Podium darüber, was die Situation heute (Erstarken rechtspopulistischer Kräfte und die Gegenbewegung) mit den sogenannten 68ern gemein hat. Vor 50 Jahren ging es um Entnazifizierung, um das Aufbrechen konservativer Strukuren im Bildungssystem und in der Gesellschaft allgemein. Damals wurde die Auslieferung der Bild-Zeitung gewaltsam verhindert – heute gibt es das BILDblog. Aber niemand geht gegen die publizistische Meinungsmache mehr auf die Straße.
Sind wir politisch nicht mehr interessiert? Haben wir alles erreicht, wofür in den 60ern noch gekämpft werden musste? Nein, natürlich nicht – erstarkende rechte Stimmen zeigen deutlich, dass es auch heute viel zu tun gibt. Nur ist vielleicht das Internet von heute die Straßendemo von damals. Hier spielt sich ein großer Teil der rechten Meinungsmache ab und hier werden auch die Gegenstimmen laut.
Rechte als die neuen Punks?
Rechtspopulisten wie beispielsweise die AfD inszenieren sich als Bewegung, wollen gar Rebellen sein, die „Sex Pistols unserer Generation“. Ihre vermeintliche Revolution besteht darin, einstige Tabus offen auszusprechen, im Sinne von: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen! Dabei zielen sie in Wirklichkeit auf ein emotionales Bedürfnis der Menschen, dazuzugehören. Sie sprechen diejenigen an, die das Gefühl haben, politisch und gesellschaftlich nichts verändern zu können.
Eine Bewegung im eigentlichen Sinne sind die neuen Rechten nämlich gar nicht: Ihr konservatives Denken mit seinem pessimistischen Bild vom Menschen, der potentiell sündig ist und eine feste Führung braucht widerspricht ja gerade der Idee einer Bewegung, einer Rebellion, einer Revolution.
Neue Rechte provozieren also (auch im Internet) ganz bewusst, um die Menschen auf emotionaler Ebene zu erreichen. Und was können wir ihnen entgegensetzen? Wir können versuchen, auf offentsichtliche Provokationen nicht einzugehen, gleichzeitig zu wichtigen Themen aber klar Stellung beziehen. Hierbei hilft es natürlich, über Themen Bescheid zu wissen, um die es geht. Zum Beispiel finden wir in dieser Broschüre wichtige Fakten und Argumente zur Debatte über Flüchtlinge und Asylsuchende in Deutschland und Europa. Und hier findet ihr viele geniale Memes, Gifs, Videos und Sprüche, die ihr gegen Hater im Netz einsetzen könnt!
Warum sind die Rechten so hip im Netz?
Die wahnsinnig inspirierende Ingrid Brodnig (sie hat ein Buch geschrieben mit dem Titeil „Lügen im Netz“) spricht in ihrem Vortrag darüber, wie Rechte im Netz immer größere Räume erobern. Gerade in den letzten drei Jahren ist beispielsweise die Anzahl rechter Accounts auf Twitter stark angestiegen. Trotz fragwürdiger und oft schlichtweg falscher Inhalte finden Rechte also anscheinend immer mehr Gehör.
Das Internet, das vor 20 Jahren einmal den Anspruch hatte, ein offener, vorurteilsfreier Raum zu sein, hat also nicht dazu beigetragen, den Rassismus zu überkommen. Im Gegenteil, es scheint den rechten Meinungsmacher*innen sogar zu helfen.
So hilft das Internet den Rechten
1. Das Internet belohnt hohe Klickzahlen. Hohe Klickzahlen entstehen häufig, wenn wir uns emotional angesprochen fühlen. Rechte Inhalte, die Verschwörungstheorien beinhalten und Sündenböcke suchen, sind immer darauf ausgerichtet, Emotionen zu schüren.
2. Die Technik: Facebook beispielsweise belohnt es, wenn ein Beitrag viele Reaktionen (Smileys) generiert: Dieser Beitrag wirs als wichtig eingestuft. Setze ich also einen Wut-Smiley unter einen AfD-Beitrag, wird dies als Erfolg für die AfD gewertet.
Nationalistische Gruppen waren schon in der Vergangenheit besonders technikaffin, denn über die neuen Medien (früher Radio und Film, heute das Internet) konnten und können sie ihre Inhalte am besten verbreiten. Hier wenden sie einen genialen Marketingtrick an: Sie verkaufen ihre rückwärtsgewandten Ideen als etwas Neues, Revolutionäres (siehe oben). Aktionen wie die Reconquista Germanica wollen mit Hilfe der großen Reichweite des Internets ein Wir-Gefühl erzeugen und so mächtiger und größer werden.
Wer hierzu mehr erfahren will, dem/der sei die Doku „Lösch Dich“ empfohlen.
3. Die Beharrlichkeit: Rechte Parteien schaffen es, mit dauerhaften Strategien und viel Beharrlichkeit langfristig ihre Erzählungen in die Gesellschaft zu bringen. Die österreichische FPÖ beispielsweise war die erste Partei im Land mit einer richtigen Online-Strategie. Sie hatte früh ein eigenes Videoteam und platzierte geschickt Videos im Internet.
Auch die AfD arbeitet mit langfristigen Social Media-Kampagnen – was man von den anderen großen deutschen Parteien kaum behaupten kann. So wissen die Rechten das sogenannte Framing für sich zu nutzen, einen Deutungsrahmen in unserem Gehirn, der Assoziationen weckt. Ein Beispiel: Höre ich die Wörter „kriminell“ und „Flüchtling“ häuft hintereinander, so stellt mein Gehirn irgendwann einen Zusammenhang her. Das Internet eignet sich besonders gut für solche Wiederholungen und so erreichen rechte Inhalte, dass sich der Diskurs langsam in ihre Richtung verschiebt.
Auch Memes, die Popkultur des Internets, haben Rechte im Netz für sich entdeckt, denn sie wissen, dass sie über Humor – genau wie über Wut – viele Menschen erreichen können.
Und was können wir gegen die Rechten im Netz tun?
Brodnig schlägt einen „Respekt“-Button auf Facebook vor. Technik sollte so designt werden, dass sie das Beste und nicht das Schlechteste aus den Menschen herausholt.
Außerdem sollten die Generationen, die nach 68 aufgewachsen sind, nicht so sehr darauf vertrauen, dass sich die Wahrheit schon durchsetzt. Die Rechten kämpfen beharrlich für ihre Sache; alle, die sich ihnen entgegenstellen wollen, sollten ebenso beharrlich für die progressiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte kämpfen.
Nicht zuletzt brauchen auch die großen Parteien mehr eigene sichtbare Ideen, sonst bekommen die Ideen der rechten Parteien zu viel Raum.
Zivilcourage im Netz!
In dieser Diskussion geht es darum, wie sich der Hass im Netz in den letzten Jahren verändert hat. Die Panelist*innen sind sich einig, dass die Trolle schlauer geworden sind: Sie sind organisierter, zielen weniger auf Einzelpersonen als vielmehr auf die Meinungsbildung der Massen. Sie sind politisch motiviert und greifen gezielt die Grundwerte der Demokratie an. Sie ergreifen die Kontrolle über die Kommentarspalten und argumentieren, anstatt nur zu kommentieren.
Die Teilnehmer*innen der Diskussion haben verschiedene Aktionen ins Leben gerufen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. So gibt es zum Beispiel #ichbinhier, eine Facebookgruppe, die gegen Hasskommentare vorgeht. #keingeldfürrechts wollte vor zwei Jahren Werbekunden darauf hinweisen, dass ihre Anzeigen auf rechten Blogs landen könnten. Unter #schauhin wurde seit 2013 gegen Rassismus getwittert und #ausnahmslos wendet sich gegen sexuelle Gewalt und Rassismus.
Wie ihr seht, gab es auf der re:publica 2018 einiges zu lernen und zu erfahren über die Rechten im Netz, was sie so erfolgreich macht und was wir ihnen entgegensetzen können. Also, bleibt laut!
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