Die Macht der Worte

Am vergangenen Sonntag, den 21. Februar 2021, war der Internationale Tag der Muttersprache. Dieser Tag ist ein von der UNESCO ausgerufener Gedenktag zur „Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit“. Vor dem Hintergrund, dass gut die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht ist, hat sich die UNESCO zum einen die Förderung von Sprachen als Zeichen der kulturellen Identität der Sprechenden auf die Fahnen geschrieben. Zum anderen geht es ihr auch um den Fremdsprachenunterricht und Mehrsprachigkeit als Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis und Respekt.

Sprachen sprechen

Wie tief unsere Muttersprache verankert ist, merken wir oft erst in dem Kontakt mit einer Fremdsprache. Während wir versuchen sie zu lernen, merken wir, dass es viel Arbeit bedeutet, sich in dieser neuen Sprache so ausdrücken zu können, wie wir das gerne möchten. Aber auch das Sich-gegenseitige-Verstehen in der eigenen Muttersprache fällt manchmal problematisch aus. Denn die Verknüpfung von Inhalten mit bestimmten Worten oder Ausdrucksformen kann sich sehr unterscheiden und wenn nicht nach diesem Inhalt gefragt wird, können die Gesprächspartner*innen sehr schnell aneinander vorbeireden. Die Konsequenzen dieser Missverständnisse können dabei extrem verschieden ausfallen, im schlechtesten Fall diskriminierend und verletzend. Vor allem auch in den Kontexten von öffentlichen Social-Media-Räumen, in denen die Gestik, Mimik und der Tonfall zu den Wörtern wegfällt, wird es oft unübersichtlich, was wie gemeint war. 

„Political Correctness“

Begriff

Der Begriff „Political Correctness“ bezeichnet zunächst, laut Duden, eine Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird.

Ein Beispiel bei Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern: Bürger wird zu Bürger*innen. Ein anderes Beispiel bei der Bezeichnung einer ethnischen Herkunft: Eskimo wird zu Inuit.

Herkunft

Tatsächlich tauchte der Begriff „Political Correctness“ bereits Ende der 80er- Anfang der 90er-Jahre auf – allerdings als Kampfvokabel konservativer Kreise. Denn er war zunächst ein Abwehrbegriff, der sich gegen ein neues Denken an den Hochschulen in den USA gerichtet hat, an denen der Lehr- und Lernstoff in die Kritik geriet. Die Studierenden verlangten nämlich eine Ausweitung des Lehrstoffs auf weibliche und außereuropäische Autoren und die Einbeziehung von Minderheiten und wollten nicht länger nur die Werke „toter, weißer europäischer Männer“ analysieren.

Aktuelle Debatten

Seitdem wird der Begriff sowohl von liberalen als auch konservativen Seiten immer wieder aufgegriffen und unterschiedlich verwendet. Der Sozialwissenschaftler Armin Nassehi spricht von einer Art Kulturkampf – und zwar einem Kulturkampf um angemessene Sprechweisen. Denn es sei auffällig, sagt Nassehi, dass die politisch-gesellschaftliche Rechte bei all ihrer Kritik an Political Correctness das gleiche Muster der Sprach- und Identitätspolitik verfolge wie die Linke. Während die Linke sich also um eine Sprache des Respekts vor „Anderen“ bemüht, schafft die Rechte eine Sprache des „Eigenen“ – beispielsweise bei der Freude an den Vokabeln „Volk“ oder „völkisch“. Auf der einen Seite steht mit der Aussage, dass etwas „politisch nicht korrekt“ oder „politisch inkorrekt“ sei, das Verständnis, dass eine Norm verletzt wurde, eine Äußerung (oder Handlung) allgemeinen moralischen Normen zuwiderhandelt oder gar ein Tabu gebrochen wurde. Auf der anderen Seite wird der Begriff der „politischen Korrektheit“ als Kampfbegriff gegen zu viel Rücksichtnahme oder gegen einen politischen Gegner verwendet oder gezielt genutzt, um sprachlich-diskriminierend Feindbilder aufzubauen. 

Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fasst die Intention des anti-diskriminierenden Sprachgebrauchs so zusammen: „Entscheidend ist bei der politisch korrekten Sprache das Ziel, durch eine Bewusstmachung sprachlicher Diskriminierung eine Bewusstmachung tatsächlicher Diskriminierung zu erreichen. […] Politisch korrekte Sprache kann dabei helfen, strukturelle Ungleichheiten aufzudecken.“

Respektvolle Sprache

„[…] Denn dass wir mittels Sprache unsere Welt gestalten, dass sich vor allem in unseren Wortschätzen, in der Art und Weise unseres mündlichen Ausdrucks und in der unserer schriftlichen Textgestaltung unser Wissen, unsere Überzeugungen und unsere Werte spiegeln, ist selbstverständlicher Teil der Lebenserfahrung. […] Ebenso selbstverständlich ist, dass das Gesprochene und Geschriebene wieder zum Motor für unser Handeln werden kann.“

In diesem Zitat aus dem Handbuch „Sprache und Wissen“ wird die Reichweite deutlich, die die vielen verschiedenen Bereiche der Kommunikation und des zwischenmenschlichen Verhaltens durchdringt. Die respektvolle Kommunikation sollte auf einer gendersensitiven und diskriminierungsfreien Sprache basieren, die verständlich, barrierefrei und höflich ist. Denn Worte haben eine enorme Macht.

Vielleicht kann die Aussage von dem Autor und Musiker David Mayonga alias Roger Rekless hilfreich sein, einen Mittelweg zwischen einer absoluten Ignoranz und einer Über-Korrektheit gegenüber eines achtsamen Sprachgebrauchs zu finden: „Political Correctness ist für mich kein eingrenzender Rahmen wie ein Regelgefängnis, sondern es ist eher ein Leitmotiv, an dem sich die Leute orientieren sollten, sprachlich. Wie ich mich ausdrücken kann, ohne dass ich Menschen verletze. Und das ist was Gutes.“

Auch der Handlungsvorschlag von Anatol Stefanowitsch bietet eine Möglichkeit, um über den eigenen Sprachgebrauch nachzudenken: „Stelle andere sprachlich nicht so dar, wie du nicht wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle.“ Denn jeder Mensch sollte das Gesetz aller Kommunikation berücksichtigen: Bedeutung wird immer sowohl bei Sender*in als auch bei Empfänger*in hergestellt.

Informiert euch

Hier findet ihr einen Beitrag über zwei kontroverse Perspektiven eines Journalisten und eines Philosophen zu der Frage, ob wir Political Correctness brauchen.

Hier findet ihr einen Beitrag zu der Frage, ob und warum das so häufig verwendete Wort „man“ gegendert werden sollte.

Hier findet ihr mehrere Videos zum Thema „Politisch korrekt?!“.

 

– Ronja –


Das Beitragsbild ist von Patrick Fore auf Unsplash.

No Comments

Post A Comment