Credit: ©2016CIAT/GeorginaSmith

Der Klimawandel in Bildern — Warum Foto nicht gleich Foto ist

Klimawandel. Ein Wort, das bedrohlich über unserer Welt zu schweben scheint und gegen das gefühlt tausend kleine Lösungen existieren, aber keine davon auszureichen scheint. Ein Wort, zu dem uns traurige Bilder von Eisbären auf Eisschollen allein im Meer und verdorrte Felder in den Kopf kommen. Oder? Steckt nicht eigentlich noch viel mehr dahinter?

Bilder der Klimakrise

Climate Visuals, ein Projekt der europäischen NGO Climate Outreach, hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimawandel mit realen Bildern zu zeigen. Diese sind größtenteils frei verfügbar unter Creative Commons-Recht. Dabei geht es den Fotograf*innen darum, das Thema so in den Medien darzustellen, dass sich Menschen davon angesprochen fühlen und weiter damit beschäftigen wollen.

Die Fotograf*innen und Forscher*innen von Climate Visuals warnen beispielsweise davor, zu dramatische Bilder zu verwenden. Auf dieser Webseite gibt es deshalb zu jedem Bild eine genaue Beschreibung, wer und was zu sehen ist und unter welchen Umständen das Bild aufgenommen wurde. Bilder aus verschiedenen Kategorien werden gezeigt, so zum Beispiel emotionale Bilder von Binnengeflüchteten, die aufgrund der Klimakrise ihren Heimatort verlassen mussten. Aber auch Fotos konkreter Lösungen zu Klimaproblemen, wie beispielsweise Bilder von neu gepflanzten Bäumen, Solaranlagen oder Plastikrecycling und viele mehr sind auf der Seite zu finden.

Sieben Grundprinzipien der Klimakrisen-Fotografie

Die Bilder stammen aus verschiedenen Quellen, haben aber eines gemeinsam: Sie entsprechen den sieben Grundprinzipien der Klimakrisen-Fotografie, die aus einem bisher einmaligen Forschungsprojekt in den USA, Deutschland und dem Vereinigten Königreich zur Wirkung von Klimawandelbildern abgeleitet wurden. Hier werden diese kurz erläutert, übersetzt aus diesem Dokument:

1. Zeige reale Personen, keine gestellten Szenen
Die Studie zeigte deutlich, dass Teilnehmer*innen reale Situationen den gestellten Bildern vorziehen. Letztere wurden häufig als übertrieben oder gar manipulativ wahrgenommen.

2. Erzähle neue Geschichten
Kommen wir nochmal zu dem bereits erwähnten Eisbärfoto. Natürlich reagiert der/die Ansehende darauf, jedoch hat sich gezeigt, dass „klassische“ Bilder weniger den Diskurs über das Thema fördern und leichter zu Genervtsein führen. Bilder, durch die nicht direkt ersichtlich ist, inwiefern sie konkret mit Klimawandel zu tun haben, erregen Interesse und fördern den Diskurs.

3. Zeige die Ursachen des Klimawandels in ihrem ganzen Ausmaß
Oftmals wird die Verbindung zwischen dem eigenen Verhalten und dem Klimawandel nur bedingt verstanden. Dieses Forschungsprojekt hat gezeigt, dass Menschen den Zusammenhang tendenziell besser nachvollziehen können, wenn das Gesamtausmaß klar wird, also beispielsweise eine volle Autobahn statt eines einzelnen Fahrers gezeigt wird. 

4. Klimawandelauswirkungen sind stark emotional
Bilder der Auswirkungen des Klimawandels riefen deutlich stärkere Reaktionen hervor als solche von Lösungen oder Ursachen. Sie können jedoch auch leicht emotional überfordern, weshalb eine Kombination mit den Lösungen oder Ursachen vielleicht ein guter Ansatz sein könnte.  

5. Zeige lokale (aber ernste) Klimawandelauswirkungen
Der Bezug zu einzelnen, persönlichen Situationen, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, sollte durch das Bild klar werden. Doch das Ausmaß sollte dadurch nicht vernachlässigt werden. Es ist also ähnlich wie bei Punkt 3 ein Mittelweg zwischen Einzelschicksalen und den großen Auswirkungen zu suchen.

6. Vorsicht mit Protestbildern
Dieser Punkt ist besonders interessant: Unter den Teilnehmenden wurden Protestbilder als besonders negativ wahrgenommen. Bilder „typischer, westlicher Umweltaktivist*innen“ riefen nur bei solchen Personen Interesse und Stoff für Diskussionen, die sich selbst als Umweltaktivist*innen bezeichnen. Sind jedoch protestierende Personen zu sehen, die direkt vom Klimawandel betroffen sind und meist im Globalen Süden leben, so war die Reaktion positiver.

7. Verstehe deine Zielgruppe
Natürlich hängen die Reaktionen auf die Bilder von der vorherigen Einstellung zum Klimawandel ab. Dabei wird grundsätzlich festgestellt, dass Personen aus dem politisch rechten Spektrum  skeptischer auf Themen der Klimakrise reagieren. So werden Bilder von indirekten Klimawandelauswirkungen beispielsweise von politisch rechteren Personen deutlich weniger emotional bewertet, während konkrete praktische Lösungen zum Klimawandel (z.B. Bilder von isolierten Häusern) in dieser Gruppe fast durchgehend positive Bewertungen zeigten. 

Die ausführlichen Ergebnisse der Studie findet ihr hier.

Klimawandel verbildlichen, aber bitte ohne Stereotype

Spannend also, wie einzelne Bilder schon verschiedene Botschaften vermitteln! All das heißt natürlich nicht, dass man nur noch Bilder nach diesen sieben Standards auswählen sollte. Insbesondere die Tatsache, dass besonders Bilder betroffener Menschen des Globalen Südens positive Wirkung zeigen, sollte nicht heißen, dass nur noch Menschen aus diesen Herkunftsstaaten gezeigt werden, da dies das Thema ebenfalls abstrahieren würde.

Doch die Studie gibt Aufschluss darüber, wie das Thema Klimawandel generell in den Köpfen der Menschen visualisiert ist, welche Stereotype dazu existieren — und wie weiterhin ein Diskurs zum Thema aufrechterhalten werden kann. Außerdem liefern die Bilder allerhand Gesprächsstoff, neue Erkenntnisse und sind teilweise schlichtweg faszinierend.

Einen ähnlichen Ansatz gibt es auch zum Thema weltweite Einkommensungleichheit: Wenn ihr diese in Fotos sehen möchtet, dann schaut doch mal in diesem Beitrag zum Projekt „Dollar Street“ nach. Auch diese Bilder regen ein Auseinandersetzen mit dem Thema an und zeigen es aus einer persönlichen, spannenden Perspektive.  


Photo Credit: ©2016CIAT/GeorginaSmith

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