Bergkarabach: Bericht über einen alten Konflikt

Seit einigen Tagen wird in den aktuellen Nachrichten immer wieder über den Konflikt von Bergkarabach berichtet. Bergkarabach? Wo ist das eigentlich und was soll das für ein Konflikt sein?
Bergkarabach oder auch Republik Arzach liegt im Süden des Kaukasus, auf angeblich aserbaidschanischem Staatsgebiet umgeben von sieben aserbaidschanischen Bezirken, die heute unter armenischer Kontrolle stehen. Die Republik ist stark mit Armenien verflochten und knapp doppelt so groß wie das Saarland. Die 150.000 Menschen, die dort leben, sind zu 99 % Armenier*innen und überwiegend christlichen Glaubens.
1991 erklärte Bergkarabach nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Unabhängigkeit, die bis heute nicht anerkannt wurde. Politikwissenschaftlich bezeichnet man Bergkarabach deshalb als De-facto-Staat.
 

Worum geht es in dem Konflikt um Bergkarabach?

In dem Konflikt geht es vor allem um die Kontrolle von Territorium. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan erheben Anspruch auf das Gebiet von Bergkarabach. Aserbaidschan möchte dabei das in ihren Augen von Armenien besetzte Gebiet zurück, das neben Bergkarabach auch die sieben umliegenden Bezirke betrifft. Armenien ist in erster Linie an einer Aufrechterhaltung des Status Quo interessiert und langfristig an der Loslösung des Gebietes von Aserbaidschan.
Somit treffen in diesem Konflikt zwei völkerrechtliche Prinzipien aufeinander: Das der territorialen Integrität, auf das sich Aserbaidschan beruft, und das Recht von nationaler Selbstbestimmung, auf das sich die armenische Bevölkerung in Bergkarabach beruft.
Die historischen Wurzeln des Konflikts in der Kaukasusregion reichen weit in die Geschichte des Omanischen Reiches, des Zarenreiches sowie der Sowjetunion hinein. Bergkarabach, das schon seit Urzeiten nach Autonomie strebte und in dem sich u. a. viele Überlebende des Genozids an den Armenier*innen ansiedelten, wurde im Zuge des Verfalls des Zarenreiches in die Aserbaidschanische Republik eingefügt. Kurzgefasst bot diese Entscheidung Konfliktpotential über Jahrzehnte des Bestehens der Sowjetunion. Mit dem Ende dieser riefen die Armenier*innen in Bergkarabach ihre eigene Republik aus, was zu einem Krieg führte, der bis Mai 1994 tausenden Soldaten auf beiden Seiten das Leben kostete. Seit 1994 herrscht ein maßgeblich durch Russland vermittelter Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien, doch wird dieser immer wieder durch militärische Ausschreitungen unterbrochen, zuletzt seit dem vergangen Sonntag.

 

Das aktuelle Konfliktgeschehen

Die aktuelle Offensive Aserbaidschans wird vom türkischen Präsidenten Erdoğan massiv unterstützt, was international zu großer Beunruhigung führt. Die Rolle Russlands könnte hier entscheidend sein, da Russland zwar keinen Krieg mit Aserbaidschan anfangen möchte, doch mit Armenien in einer Militärallianz verbündet ist. Nun besteht die Hoffnung, dass Russland als Vermittler zwischen den Konfliktparteien bald wieder für Gespräche sorgt.
 

Berichte aus Bergkarabach

Im Mai 2019 bereiste meine Schwester Maren mit einem Freund zusammen die Republik Bergkarabach. Auf ihrem Weg über Land per Anhalter in den Iran kamen sie durch Zufall in die Region und können darüber berichten. Ich habe Maren ein paar Fragen zu Bergkarabach gestellt.
Maren, wie bist du damals nach Bergkarabach gekommen? Und wie schwer war es in die Region einzureisen?
Ich bin von Armenien nach Bergkarabach gereist und nein es war nicht besonders schwer. Wir sind nämlich zufälligerweise mit einem Kommandeur des Militärs in Bergkarabach mitgefahren und der kannte die Grenzer alle. Zudem ist die Grenze zu Armenien hin auch offen, also der Kommandeur konnte einfach drüberfahren und wir haben ein kostenloses Visum bekommen, in dem wir ein paar Fragen beantworten mussten. Das waren aber lediglich Fragen wie: wo möchten wir hin in der Region, was möchten wir anschauen und warum wir gekommen sind.
 
Und kanntest du die Region schon bevor du dort warst?
Ja, ich wusste, dass es sie gibt und hatte auch den Wunsch dorthin zu fahren. Allerdings war ich mir auch nicht ganz sicher, weil es oft hieß, wer nach Bergkarabach einreist, kann nie wieder nach Aserbaidschan einreisen. Aber man bekommt gar keinen Stempel im Reisepass, weshalb sich die Befürchtung widerlegte.
 
Wie würdest du die Region beschreiben? Wie leben die Menschen dort?
Also es ist nicht stark besiedelt dort, wodurch die Natur noch sehr ursprünglich ist. Die Landschaft und diese Natur zu erleben, hat mir besonders gut gefallen. Insgesamt haben die Menschen dort nicht viel Geld. In der Hauptstadt, Stepanakert, sind mir vor allem die alten Sowjethäuser aufgefallen. Sehr beeindruckt haben mich die vielen alten Kirchen, die man im ganzen Land findet. Zum einen haben wir Menschen getroffen, die sehr gebildet waren und auch sehr gut Englisch sprechen konnten, zum anderen hatten gerade die Menschen auf dem Land kaum Zugang zu Bildung und haben auch keinen nachhaltigen Umgang mit ihrer schönen Natur. Das ist mir aufgefallen.
 
Was hast du von dem Konflikt um Bergkarabach mitbekommen, als ihr dort wart?
Also die Menschen haben uns davon erzählt, vor allem von Familienmitgliedern, die in den kriegerischen Auseinandersetzungen gestorben sind. Mir ist auch aufgefallen, dass viele Menschen dort Narben im Gesicht oder am Körper haben, die von Schusswunden und Verletzungen kommen.
Einmal wollten wir zu einem Dorf fahren. Als wir dort ankamen, bestand dieses Dorf aber nur noch aus Ruinen. Es gibt auch Teile Bergkarabachs, die als gefährlich gelten. Dort, haben die Menschen gesagt, sollten wir nicht hinfahren. Vor allem Gebiete nah zur aserbaidschanischen Grenze. Das Militär ist überall sehr präsent.
 
Danke Maren. Gibt es vielleicht noch etwas was du ergänzen möchtest?
Für mich war das eine tolle Erfahrung auf meiner Reise. Die Gastfreundschaft der Menschen dort hat mich sehr berührt. Für sie ist es auch, glaube ich, ein schwieriger Spagat zwischen einem modernen Lebensstil und einem traditionelleren. Trotzdem waren sie sehr stolz auf ihr Land und ihre Kultur. Wenn wir gemeinsam gegessen haben, spielten die Kinder am Computer „Ballerspiele“ während die Erwachsenen stets auf den Frieden angestoßen haben. Das sagt, finde ich, sehr viel über das Leben der Menschen dort aus.

-Selma-
 
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