Fisch-Siegel MSC – Nachhaltigkeitstraum oder doch nur ein leeres Versprechen

Ein Gastbeitrag aus dem Lologramm, einer preisgekrönten Schülerzeitung aus Düsseldorf (mehr zum Lologramm unter dem Artikel):


Können wir nun tatsächlich auch beim Essen auf Nachhaltigkeit achten oder ist diese Vorstellung zu schön, um wahr zu sein?

Von Christina Groß

Nachhaltigkeit wird für Menschen heutzutage ein immer wichtigeres Thema, selbst wenn es um unseren Lebensmittelkonsum geht. Doch warum sollte man auch beim Kauf von Meeresprodukten darauf achten, wo genau diese eigentlich herkommen? Die Antwort darauf bietet scheinbar der Marine Stewardship Council (MSC).

Der Marine Stewardship Council setzt sich dafür ein, unser Essen nachhaltig zu fangen und zu uns zu bringen. Wir haben es alle wahrscheinlich schon einmal gesehen, ob bewusst oder unbewusst – das Marine Stewardship Council-Logo. Es befindet sich mittlerweile auf ca. 15 % der Verpackungen von Fisch und Meeresfrüchten weltweit, doch ist es auch tatsächlich eine glaubwürdige Quelle zum Identifizieren nachhaltiger und nachhaltig gefischter Lebensmittel?

1997 wurde das Zertifizierungsprogramm MSC zum Schutz der weltweiten Meere und der Fischbestände gegründet. Seitdem arbeitet die gemeinnützige Organisation mit Hilfe von Spenden daran, die weltweite Fischereiindustrie nachhaltiger zu machen und somit Fischbestände und deren Lebensräume zu schützen und zu bewahren. Seit längerer Zeit jedoch hagelt es für die Organisation einiges an Kritik, nicht zuletzt zweifeln viele, darunter auch Greenpeace, an der Authentizität des Logos.

Was hat es nun mit dem MSC auf sich?

Der MSC ist eine Organisation, die Fischereien weltweit auf dem Weg in die Nachhaltigkeit unterstützt. Dabei geht es unter anderem darum, Lebensräume zu erhalten und Bestände nicht zu überfischen. Der Marine Stewardship Council möchte nicht verbieten, Fisch zu konsumieren, sondern den gesamten Prozess, der zum Konsum führt, so nachhaltig und umweltfreundlich wie möglich gestalten.

Warum sind Organisationen wie der MSC nötig?

Zum einen ist die weltweite Verschmutzung der Ozeane nicht, wie oft fälschlicherweise geglaubt, hauptsächlich auf Plastikmüll der Normalverbraucher*innen zurückzuführen, sondern auf Fischernetze und Fischerei-Abfall. Laut WWF besteht mindestens ein Drittel des weltweiten Plastikmülls aus Fischereigeräten wie etwa Fischernetzen.
Aber nicht nur das, auch Beifang ist ein Faktor, der beim Fischen täglich anfällt. Unter Beifang versteht man die Fischarten, die nicht der Art angehören, die von den Fischern gefangen wird. Ein Beispiel dafür: Für ca. 1 kg Shrimps kommen etwa 5 bis 20 kg Beifang mit in die Netze. Global gesehen fallen so pro Jahr etwa 300.000 Kleinwale und Delfine, 250.000 gefährdete und vom Aussterben bedrohte Schildkröten und 300.000 Seevögel als Beifang an.

Organisationen wie der MSC setzen sich also langfristig nicht nur für gesunde, nachhaltige Lebensmittel für uns ein, sondern dazu auch noch für einen Erhalt der Meeres-Population und deren Lebensräume. Gäbe es solche Organisationen nicht, würden wir nicht nur eine deutlich eingeschränktere Auswahl an Lebensmitteln haben, sondern hätten dazu auch noch große Probleme mit unserem weltweiten Sauerstoffhaushalt, da Phytoplankton, welches einer der „Hauptproduzenten“ unseres Sauerstoffes ist (neben dem Regenwald, der bekanntlich jetzt schon zu weit abgeholzt wurde), zusammen mit der Fauna des Ozeans verschwinden wird.

Außerdem setzt sich eine Unterorganisation des MSC, der Ocean Stewardship Fund, dafür ein, mit rund einer Million Euro pro Jahr Projekte in Ländern wie Indonesien, Indien, Mexiko und Südafrika zu finanzieren, zu unterstützen und Fischereien und Forschungen in diesen Ländern voranzubringen und nachhaltiger zu machen.

Was ist das Problem mit MSC?

Oberflächlich betrachtet scheint der Marine Stewardship Council also eine äußerst positive Organisation zu sein, was in manchen Punkten vielleicht durchaus so ist – leider jedoch nicht in allen.
In den letzten Jahren kamen immer wieder Missstände in Fischereien, welche das Nachhaltigkeitslogo auf ihren Produkten tragen, ans Licht und schreckten somit viele Konsument*innen ab. Nicht zuletzt erschien auf dem Streaming-Giganten Netflix die Dokumentation ‚Seaspiracy‘ von und mit Ali Tabrizi, welche erschreckende Bilder auf die Bildschirme zuhause warf. Von Schwarzmarktverkäufen von Haiflossen bis zu Piraterie und verschmutzten Fischfarmen zeigte die Dokumentation alles und erregte damit großes Aufsehen.
Eines der Probleme mit dem MSC ist, dass die Zertifizierungen offenbar zu früh ausgegeben werden – unter anderem weil die Organisation daran über Lizenzgebühren Geld verdient. So erhalten manche Fischereien schon das Logo, ohne wirklich gänzlich nachhaltig zu arbeiten. Auch ist es manchmal der Fall, dass nur eine bestimmte Art von einem Unternehmen nachhaltig gefischt wird, alle Produkte sich jedoch mit dem Logo schmücken.
In der Dokumentation wollte sich die Organisation dazu nicht äußern und verweigerte jedes Interview, wohl aufgrund der Befürchtung, in einem falschen Licht gezeigt zu werden.

Kritische Stimmen

Die transnationale gemeinnützige Organisation Greenpeace sieht den MSC kritisch. Zwar zeigen Händler*innen und Konsument*innen Interesse daran, nachhaltige Produkte zu kaufen und deren Macher*innen zu unterstützen, jedoch sei der Marine Stewardship Council in dieser Frage nicht glaubwürdig genug. Man wünscht sich mehr Transparenz und einen angemessenen Zertifizierungsprozess, damit das Logo auch wirklich nur auf nachhaltigen Produkten erscheint.

Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanfischung in Kiel spricht davon, dass „Bestände […] zu hart befischt“ werden. So waren 2015 „drei Fischbestände mit MSC-zertifizierten Fischereien außerhalb sicherer biologischer Grenzen, also viel zu klein“.

Die Reaktion des MSC

Im März 2021 meldete sich der Marine Stewardship Council doch noch, um angebliche Fehlinformationen aus ‚Seaspiracy‘ zu berichtigen. In diesem Text wird erwähnt, dass der MSC die zertifizierten Fischereien nicht selbst kontrolliere, sondern dass „durch unabhängige, fachkundige Gutachterstellen“ bewertet werde, ob die Zertifizierung ausgestellt oder behalten werden kann oder nicht. Der MSC räumt jedoch ein, dass in der Vergangenheit nicht immer alles richtig gelaufen sei und die in der Dokumentation gezeigten Fischereien teilweise ihr Siegel verloren haben. Auch bestätigt die Organisation, unter anderem durch Lizenzgebühren finanziert zu sein, versichert jedoch, dass keine Gewinne erzielt werden können und jegliche Einnahmen immer in die Nachhaltigkeit zurückfließen .

Fazit

Was ist nun als Fazit aus diesem Debakel zu ziehen? Sollte man gleich damit aufhören, Fisch und Meeresfrüchte zu essen, oder gibt es doch noch einen Weg, wirklich nachhaltig zu konsumieren? Diese Frage sollte zunächst einmal jede*r für sich selbst beantworten. Eine Zertifizierung auf Produkten ist sehr wahrscheinlich nie zu 100 % zuverlässig und es kann somit immer sein, dass gerade bei dem Fisch, den man sich zum Abendessen gekauft hat, die Regeln zur Zertifizierung nicht eingehalten worden sind. Niemand muss komplett aufhören, Fisch zu konsumieren. Es ist dennoch wichtig, sich im Klaren zu sein, was da auf dem Teller liegt und wie es dahin gekommen ist. Nicht ohne Grund sind die Themen Überfischung und Beifang eng verbunden mit dem Thema Klimakrise. Jeder kann und sollte zumindest versuchen, sich beim Einkauf bewusst zu machen, wo die Produkte herkommen und für sich abwägen, ob dieser Kauf wirklich nachhaltig wäre. Denn eins ist sicher: Wenn wir nichts tun und einfach weitermachen wie bisher, dann wird die Erde in ein paar Jahren schon unverkennbar verändert sein.


Das Lologramm, die Schülerzeitung der Lore-Lorentz-Schule in Düsseldorf, schreibt seit 2013 über alles, was die Redakteurinnen und Redakteure bewegt. Zum einen ist das natürlich das Schulleben, zum anderen aber auch Themen wie Nachhaltigkeit, Mental Health, Popkultur, freie Meinungsäußerung oder Fluchterfahrungen. Das „Dr. Winter-Team“ beantwortet außerdem regelmäßig mal mehr, mal weniger ernstgemeinte Fragen, die Leserinnen und Leser einreichen. Dadurch, dass am Berufskolleg viele verschiedene Bildungsgänge angeboten werden, können z.B. Schülerinnen und Schüler aus dem Bildungsgang „Sprache und Literatur“ ihre Kenntnisse aus dem Journalismus-Unterricht anwenden, während diejenigen aus dem Bildungsgang „Gestaltungstechnische/r Assistent/in“ sich beim Layouten ausprobieren können. Aber auch alle anderen Bildungsgänge sind in der AG Schülerzeitung willkommen und können sich einbringen. Die Schülerzeitung erscheint ein- bis zweimal pro Schuljahr als Printausgabe und veröffentlicht außerdem Beiträge auf ihrem Instagram-Kanal @lologramm_official.

Das Lologramm wurde im Jahr 2019 beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder als Deutschlands beste Schülerzeitung in der Kategorie „berufliche Schulen“ ausgezeichnet und nach Berlin in den Bundesrat sowie in den Landtag NRW eingeladen. Der Wettbewerb wird von der Jugendpresse Deutschland und den Bundesländern veranstaltet. Im Jahr darauf befand sich das Lologramm erneut unter den besten drei Schülerzeitungen dieser Kategorie.

Bild von Dimitris Vetsikas auf Pixabay

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