Wie fair ist deutsche Ernte?

Bewusst und nachhaltig einkaufen ist für viele inzwischen wichtiger denn je geworden. Wir achten auf Bio- und Öko-Siegel, kaufen Obst und Gemüse saisonal und regional, packen unseren Einkauf in mitgebrachte Beutel anstatt in Plastiktüten und geben lieber mal einen Euro mehr aus, um sicher zu sein, dass wir am Ende unser „Bestes“ gegeben haben. Die Bandbreite der zu beachtenden Dinge ist dabei zwar enorm, doch sind wir uns oft sicher durch die Einhaltung der meisten schon das Beste zu geben. Ein wichtiger Aspekt, nicht nur für Vegetarier*innen und Veganer*innen, ist dabei frisches Obst und Gemüse aus der Region. Ob Spargel und Erdbeeren im Frühjahr, Pfirsiche und Tomaten im Sommer. Trauben und Kürbisse im Herbst und Feldsalat im Winter, das Klima hierzulande bietet eine große Vielfalt und bringt uns durch die Jahreszeiten. Klingt ziemlich gut und scheint für viele auch den Verzicht auf weit importierte Avocados oder Mangos zu erleichtern.

Saisonarbeit in der Landwirtschaft

Doch leider liegt direkt vor unserer Haustüre, wo wir es womöglich am wenigsten vermuten, ein durchaus großes Problem, denn Bio und Regionales haben selten etwas mit Sozialstandards zu tun. Jährlich kommen tausende Arbeiter*innen nach Deutschland, um saisonweise die deutsche Landwirtschaft zu unterstützen und bei der Ernte zu helfen. Die Arbeiter*innen kommen dabei meist aus osteuropäischen Staaten und werden Saisonkräfte oder Erntehelfer genannt. Für viele Saisonkräfte bedeutet einige Monate in Deutschland zu arbeiten, einige Monate in ihren Heimatländern ein besseres Leben zu führen, da der in Deutschland verdiente Lohn dort mehr wert ist. Im Grunde ein plausibles System, doch bei genauerer Betrachtung sehr fragwürdig. Labournet Germany sammeln auf ihrer Website einige wichtige Veröffentlichungen zur Thematik.

Vor allem die Arbeitsbedingungen der Saisonkräfte sind vielerorts sehr schlecht. Oft schuften sie stundenlang bei starker Sonne oder strömendem Regen auf den Feldern, wohnen während der Zeit in kleinen, profanen Unterkünften fern von ihren Familien und verdienen nicht mal den deutschen Mindestlohn. Gerade bei der Bezahlung wird vielerorts stark rumgetrickst. Auf dem Lohnzettel steht zwar der deutsche Mindestlohn, aber unterm Strich erhalten die Saisonkräfte deutlich weniger, da die fantasievollsten Abzüge, wie Wohn- oder Arbeitskleidungskosten, abgezogen werden.

Corona macht auf die Missstände aufmerksam

Ausgerechnet die Corona-Pandemie machte dieses Frühjahr auf diese Missstände aufmerksam. Erst ging ein großer Aufschrei der Landwirte durch die Presse, da die Saisonkräfte aufgrund der Pandemie nicht einreisen durften und die deutsche Spargel- und Erdbeerernte somit in Gefahr war. Später dann wurden die Abstandsregeln und der Ansteckungsschutz von einigen Landwirt*innen bei der Unterbringung der Saisonkräfte nicht eingehalten. Neben lokalen Covid-19-Ausbrüchen in den Unterkünften starben auch mehrere Arbeitskräfte an oder mit der Virusinfektion.

Die Relevanz und Bedeutung des Themas ist enorm. Tatsächlich gibt es für uns einzelne Verbraucher*innen bisher kaum etwas das beim Einkauf Orientierung ermöglicht. So wichtig Bio und Regionalität sind, die Menschen, die unser Obst und Gemüse ernten, sind weit entfernt von fairen Arbeitsbedingungen. Zeit diesem Missstand politische Aufmerksamkeit zu schenken und über Lösungen auch im Einzelnen nachzudenken


Nachhaltiger, aber auch fairer Konsum von Lebensmitteln ist dir wichtig und du möchtest dich intensiver über das Thema austauschen?

Im Rahmen des von der EU-geförderten Projekts #GoEAThical lädt die Christliche Initiative Romero zu einem interaktiven Zoom-Dinner unter dem Titel „Cook and Change“ ein. Es soll gemeinsam und in entspannter Atmosphäre gekocht, gegessen und zu den Themen Lebensmittellieferketten und die Auswirkungen auf Klima und Migration diskutiert werden.

Weitere Informationen und die Anmeldung findet ihr hier: https://www.ci-romero.de/termine/cook-change/

-Selma-

Das Beitragsbild ist von Jay79 auf Pixabay.
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