Silhouetten von drei Personen auf der Bühne vor einem roten Vorhang

Nachhaltiges Theater: Vorstellung oder Realität?

Nachhaltiges Theater – klingt gut, aber was ist das eigentlich? Als Zuschauer*in sieht man oft Inszenierungen, die Nachhaltigkeit auf der Bühne thematisieren. Dadurch kann das Publikum auf das Thema aufmerksam gemacht und zum Nachdenken gebracht werden. Doch allein nachhaltige Themen auf der Bühne führen nicht zu einem nachhaltigen Theater. Dazu wird die nachhaltige Gestaltung des ganzen Theaters benötigt. Dies muss systematisch und gut überlegt erfolgen. Denn es reicht nicht aus, in der Beleuchtung auf LED umzusteigen, während die technischen Geräte über Nacht nicht ausgeschaltet werden. Es nützt auch nicht viel, dass die Darstellenden und Mitarbeitenden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, wenn am Tag vor der Premiere panisch einzelne Requisiten bestellt werden, wobei man wegen der schnellstmöglichen Lieferung auf eine CO2-freie Alternative verzichtet. Bringt es wirklich viel, dass Müll getrennt wird, wenn bei jeder neuen Inszenierung alte Kostüme weggeworfen und neue gekauft werden? Einzelne Schritte sind zwar hilfreich am Anfang, nachhaltiges Theater muss aber als Ganzes gedacht werden. Die Buchreihe „Theatre Green Book“, herausgegeben von der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft, fasst die wichtigsten Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung eines Theaters im Hinblick auf die Produktion, das Gebäude und die Organisation zusammen. Darüber hinaus gibt es zum Thema mehrere Leitfäden oder eine Webinar-Reihe vom Deutschen Bühnenverein.

Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Doch was ist eigentlich mit Nachhaltigkeit gemeint? Unter dem Begriff wird zuerst oft nur die ökologische Nachhaltigkeit (Umweltschutz, sparsamer Verbrauch von Ressourcen) verstanden. Der Begriff umfasst aber auch zwei weitere Dimensionen, die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Die ökonomische Nachhaltigkeit bedeutet eine nachhaltige Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze. Die soziale Nachhaltigkeit bezieht sich auf ein gleichberechtigtes Zusammenleben. Diese drei Dimensionen sollen als gleichwertig betrachtet werden.

Was bedeuten aber die drei Dimensionen auf den Theaterbetrieb bezogen? Die ökologische Nachhaltigkeit im Theater wird durch klimafreundliche bzw. klimaneutrale Produktionsweisen ermöglicht. Gute Beispiele für Maßnahmen sind ein bewusster Umgang mit Materialien, Re- und Upcycling, Mülltrennung, Lagerung der Kostüme, Bühnenbilder und Requisiten oder die Menügestaltung in der Kantine. Unter ökonomischer Nachhaltigkeit werden Maßnahmen wie die Nutzung regionaler Lieferangebote verstanden. Dabei wird einerseits der eigene CO2-Fußabdruck reduziert, andererseits werden lokale Kooperationen ermöglicht, die das Ansehen des Theaterhauses stärken. Die soziale Nachhaltigkeit umfasst die Ermöglichung einer gesunden, diskriminierungsfreien Atmosphäre und die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung. Zur nachhaltigen Gestaltung des Theaters werden vor allem frühzeitige Besprechungen zum Thema, Festlegung der Ziele und Prüfung der möglichen Alternativen benötigt.

Herausforderungen und die künstlerische Freiheit

Es klingt schön und gut – warum bleibt dann die Vorstellung oft nur eine Vorstellung und wird nicht in die Realität umgesetzt? Welche Herausforderungen stehen im Weg? Stefan Lohmann, Artist Relation Manager im Live Entertainment Network erzählt in einem Interview, die größten Hürden seien Angst vor höheren Kosten und Unwissenheit. Dabei werde die Kostenseite reduziert, z.B. durch Energiesparmaßnahmen. Durch eine nachhaltige Umsetzung von Veranstaltungen können auch neue Sponsoren in Betracht kommen, argumentiert er. Die Grenzen liegen im technisch Machbaren (z. B. die CO2-freie Logistik) und in den persönlichen Einstellungen auf der Führungsebene.

„Wie kann aber die künstlerische Freiheit bewahrt werden, wenn alles der Nachhaltigkeit angepasst werden muss?“, fragt man sich nun vielleicht. Nach der Meinung von Dr. Annett Baumast, Inhaberin und Geschäftsführerin von baumast. kultur & nachhaltigkeit, sei bei der Umsetzung Kreativität gefragt, um Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Dabei müsse eine gewisse Offenheit der Beteiligten vorhanden sein. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt der Bühnenbildner Ralph Zeger und meint, er müsse jetzt schon mit vorgegebenen Parametern wie der Größe der Bühne oder dem vorhandenen Budget für Material arbeiten. Man müsse also auch bei Nachhaltigkeit mit den Beschränkungen, die man sowieso hat, kreativ sein, argumentiert er.

Auf einem guten Weg

Obwohl es auf den deutschen Bühnen eindeutig noch Nachholbedarf gibt, sind das Staatstheater Hannover und das Staatsschauspiel Dresden schon auf einem guten Weg. Das Staatstheater Hannover ist unter anderem auf LED umgestiegen, hat Heizungs- und Klimaanlagen optimiert, Maßnahmen zur Energie- und Ressourceneinsparung getroffen und damit 2023 bereits zum zweiten Mal die Ökoprofit Zertifizierung erhalten. Das Staatsschauspiel Dresden wurde 2024 mit dem „Basic“-Standard im Rahmen des ETC Theatre Green Book zertifiziert, d. h. es werden unter anderem 50 % aller in der Produktion verwendeten Materialien wiederverwendet, Abfall wird reduziert und es wurde ein Nachhaltigkeitsplan für die Gebäude entwickelt. Auch in Österreich gibt es Fortschritte: Das Burgtheater Wien erhielt 2023 wegen Verbesserungen in den Bereichen Mobilität, Beschaffung, Energie und Recycling sowohl das Zertifikat des europäischen Umweltmanagementsystems EMAS als auch das österreichische Umweltzeichen.

Ohne Geld geht nichts

Damit die nachhaltigen Produktionen nicht nur eine Vorstellung bleiben, bietet die Kulturstiftung des Bundes mit dem Programm „Zero“ finanzielle Unterstützung für Projekte. Gefördert werden klimaneutrale Produktionsformen und neue Ästhetiken mit geringstmöglicher Klimawirkung. Das Programm läuft bereits seit 2022 und noch bis 2027, bisher wurden 48 Projekte mit insgesamt acht Millionen Euro unterstützt. Eine klimaneutrale Produktion, die von dem Programm „Zero“ unterstützt wurde, ist z. B. „Moby Dick“ am Pfalztheater Kaiserslautern. Bei der Gestaltung der Produktion wurde unter anderem ein Tanzteppich aus Linoleum, der mit Kork unterfüttert ist, statt eines PVC-Bodens verwendet. Darüber hinaus haben die Zuschauenden, die ohne Auto angereist sind, ein Freigetränk erhalten.

Langsam, aber sicher entwickelt sich die nachhaltige Gestaltung der Theaterhäuser. In einigen Bereichen gibt es mehr, in anderen weniger Fortschritte, aber es besteht überall die Möglichkeit, daran weiterzuarbeiten. Vor allem braucht aber das nachhaltige Theater Engagement, Offenheit und eine frühzeitige, gründliche Planung und Kommunikation.

Weiterführende Links

https://www.mobile-university.de/blog/welche-nachhaltigkeit
https://www.kulturmanagement.net/Themen/Richtlinien-fuer-nachhaltiges-Arbeiten-am-Theater-Ist-das-nachhaltig-oder-kann-das-weg,4481
______________________________________________________________________
Foto von Kyle Head auf Unsplash

No Comments

Post A Comment