05 Nov. 2025 Wem gehört die Kunst? Von der Raubkunst bis zur gerechten Rückgabe
Louvre, Musée d’Orsay, British Museum, Pergamonmuseum, Humboldt Forum und viele mehr – sie alle zählen zu den bekanntesten Museen Europas. Doch nicht nur das haben sie gemeinsam. Denn woher kommt die Kunst, die dort ausgestellt wird? Welche Geschichte hat sie und wie gelangte sie dorthin? Es sollte viel öfter die Frage gestellt werden, wem die ausgestellten Kunstobjekte wirklich gehören.
Wenn man den Begriff Raubkunst im Duden nachschlägt, findet man folgende Bedeutung: „unrechtmäßig in Besitz genommenes Kunstwerk bzw. Gesamtheit von Kunstwerken (besonders während der NS-Zeit aus vorwiegend jüdischem Besitz)“.
Geraubte Kunst aus der Kolonialzeit
Was häufig vergessen wird bei einem Museumsbesuch, ist, dass die zusehende Kunst mit einer gewaltvollen Vergangenheit in Zusammenhang steht und das nicht gerade selten. Ein Beispiel dafür ist das Rijksmuseum in Amsterdam, Nationalmuseum der Niederlande. Dort wurde über viele Jahre hinweg ein goldenes Halsband ausgestellt mit der Annahme, es wurde von einem Hund einer reichen Familie getragen. Erst vor einigen Jahren fingen die Kurator*innen des Museums an, Kunstwerke näher zu untersuchen und in die niederländische Kolonialgeschichte einzuordnen. Dabei stellte sich heraus, dass das Halsband von einem Sklaven getragen wurde. In der Zeit zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert wurden mehr als 600.000 Afrikaner*innen und schätzungsweise bis zu 1,1 Mio. Asiat*innen aus niederländischen Kolonien als Sklav*innen verkauft.
2022 ging Deutschland erstmals der Forderung von Nigeria nach und gab hunderte von Benin Bronzen an das Land zurück. Diese wurden 1897 von britischen Soldaten aus der nigerianischen Stadt Benin City geraubt und an Museen in Europa sowie Nordamerika verkauft. Deutschland hat mit dieser Entscheidung einen Anfang getan, seine Kolonialgeschichte aufzuarbeiten, und weitere Länder, in denen Benin Bronzen ausgestellt waren, sind diesem Beispiel gefolgt. Der Großteil der Sammlung befindet sich jedoch bis heute im British Museum in London.
Und auch wenn immer mehr Druck auf Museen ausgeübt wird, gestohlene Kunstwerke zu restituieren, d. h. an ihre rechtmäßigen Besitzer*innen zurückzugeben, so geht die geschichtliche Aufarbeitung von Artefakten insgesamt eher langsam voran.
NS-Raubkunst und ihre Restitution
Diese Problematik betrifft jedoch nicht nur Kulturgüter, welche aus der Kolonialzeit stammen. Wie zuvor erwähnt, wird die Bezeichnung Raubkunst v. a. mit der NS-Zeit verbunden. Zwischen 1933 bis 1945 wurden viele Personen sowie Unternehmen von den Nationalsozialisten enteignet, die meisten von ihnen mit jüdischem Hintergrund. Viele der Kunstwerke gelangten in öffentliche Einrichtungen, aber auch in Privatbesitz. Und auch heute noch, immerhin 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, befinden sich viele der Werke nicht in ihrem rechtmäßigen Besitz.
Der Fall Gurlitt ist wohl einer der Bekanntesten von NS-Raubkunst. Gurlitts Vater war Hildebrand Gurlitt, welcher zur NS-Zeit mit Kunstwerken handelte. Er gehörte zu den Einkäufern für Hitlers „Führermuseum“ in Linz, versteckte aber gleichzeitig auch Kunst, die zu der Zeit als „entartet“ galt. Im Jahr 2012 wurde die private Kunstsammlung von 1280 Werken beschlagnahmt unter dem Verdacht, es handele sich um NS-Raubkunst. Am Ende wurde nur ein Bruchteil der Kunst restituiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich die Alliierten für die Rückgabe von NS-Raubkunst ein und verabschiedeten gesetzliche Grundlagen, die es den rechtmäßigen Eigentümer*innen ermöglich sollten, ihre gestohlenen Artefakte wiederzuerlangen. Jedoch bekamen viele Betroffene ihre Besitztümer nicht zurück und mit den 70er Jahren galten die Rechtsansprüche als verjährt.
Die Debatte um Restitution wurde erst wieder mit dem Ende des Kalten Krieges weitergeführt. So wurden 1998 die „Washingtoner Prinzipien“ verabschiedet, mit denen sich 43 Staaten selbst verpflichteten, NS-Raubkunst zu identifizieren und Lösungen dafür zu finden.
Wie steht es heute um die Restitution?
Doch wie sieht das Ganze heute aus? Wie können geraubte Kunstwerke wieder zurückgegeben werden?
Eine Möglichkeit NS-bedingt entzogene Kunstwerke selbst ausfündig zu machen besteht in der Lost Art-Datenbank. Hier können rechtmäßige Eigentümer*innen mit den derzeitigen Besitzer*innen in Kontakt treten.
Bisher war es in Deutschland grundlegend so geregelt, dass bei einem Verfahren, in dem es um die Restitution von NS-Raubkunst ging, alle Beteiligten zustimmen mussten, damit das Kunstwerk an seine eigentlichen Besitzer*innen zurückgegeben werden konnte. Das bedeutet, dass betroffene Museen einfach dagegen stimmen konnten und somit die Aufarbeitung sowie die Rückgabe von Raubkunst erschwert wurden. Genannt wird diese Regelung „Limbach-Kommission“ oder auch „Beratende Kommission NS-Raubgut“.
Ab dem 1. Dezember dieses Jahres soll jedoch das neue „Schiedsgericht“ in solchen Fällen in Kraft treten, welches die rechtmäßige Rückgabe erleichtern soll, indem die Zustimmung des jeweiligen Museums bei der Entscheidungsfindung nicht mehr nötig ist. Die „Schiedsgerichtbarkeit NS-Raubkunst“ setzt sich zusammen aus 36 Jurist*innen und Historiker*innen. Zudem soll das gesamte Verfahren beschleunigt werden, da die neue Regelung als rechtsverbindlich gelten soll, was unter der Limbach-Kommission nicht der Fall war.
Beitrag von Sophie Olligs
Foto: Unsplash
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