05 Mrz 2021 Warum fällt uns das mit dem Klimaschutz eigentlich so schwer?
Stell dir vor, du wärst Fischerin. Jeden Tag wirfst du wie die anderen Fischer*innen auf dem See deine Netze aus, und fängst deine übliche Menge an Fisch. Eines Tages beginnt eine andere Fischerin länger zu fischen, wodurch sie mehr Fische fängt. Diese kann sie auf dem Markt günstiger verkaufen, wodurch du weniger Fische verkaufst und sie sich schon bald bessere, größere Netze leisten kann. Du und die anderen Fischer*innen fischen deshalb nun auch länger – bis der See nach kurzer Zeit leergefischt ist, und ihr alle schlechter dran seid als zuvor. So ähnlich verhält es sich auch beim Kampf gegen den Klimawandel – wir stehen vor dem wohl größten Problem kollektiven Handelns des 21. Jahrhunderts.
Das Problem kollektiven Handelns
Probleme kollektiven Handelns wurden erstmals Mitte der 1960er Jahren von Mancur Olson systematisch erforscht. Sie geben Aufschluss über den Umgang mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemen und können immer dann entstehen, wenn eine Gruppe von Menschen ein öffentliches Gut zu verwalten hat. Öffentliche Güter stehen allen zur Verfügung und die Nutzung des Guts von einer Person schließt die Nutzung von einer anderen Person nicht aus. Ein Beispiel hierfür ist die öffentliche Sicherheit oder der Fischbestand der Meere, die alle gleichzeitig nutzen.
Probleme kollektiven Handelns entwickeln sich, wenn Individuen diese öffentlichen Güter ausnutzen können, ohne dafür Kosten zu tragen. Es entsteht das sogenannte Trittbrettfahrerproblem: Menschen nutzen das öffentliche Gut ohne zu zahlen, wie die Fischerin, die mehr als ihre Kolleg*innen fischt. Dadurch haben auch alle anderen keinen Anreiz mehr, nur so viel zu fischen, dass der See nicht leergefischt wird. Im Gegenteil: Es ist besser für sie, auch mehr zu fischen, da sie durch das Verhalten der anderen Person sonst einen Nachteil erleiden.
Kollektives Handeln und der Klimawandel
Das öffentliche Gut, das wir bereitstellen müssen, ist der Klimaschutz. Alle Menschen werden davon profitieren, doch nicht alle müssen etwas dafür tun. Die CO2-Emissionen einer einzelnen Person oder gar eines ganzen Landes sind für die Erderwärmung für sich genommen mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit unbedeutend, weshalb es ausreicht, wenn andere weniger emittieren. Wenn diese dann aber bemerken, dass eine Person auf ihre Kosten weiter die Umwelt belastet, haben sie einen starken Anreiz es ihr gleichzutun, und sich ebenfalls auf den Anstrengungen der anderen auszuruhen. Dies führt schlussendlich dazu, dass niemand mehr aktiv für den Klimaschutz handelt. Besonders problematisch ist dabei die Gruppengröße: Eine kleine Gruppe von Fischer*innen kann sich vielleicht noch relativ einfach auf eine Fangbeschränkung einigen. Eine Einigung zwischen acht Milliarden Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Interessen zu arrangieren, ist da schon deutlich schwieriger.
Natürlich ist das Problem kollektiven Handelns nicht der einzige Grund, warum uns effektives Handeln gegen den Klimawandel so schwerfällt. Wir Menschen tendieren im Allgemeinen dazu, unser Verhalten nicht zu verändern, und nehmen in der Zukunft liegende Probleme als weniger wichtig war. Auf politischer Ebene drängen Interessengruppen und Individuen, die von klimaschädlichen Produktions- und Lebensstilen profitieren oder diese schlichtweg nicht aufgeben wollen, gegen strengere Maßnahmen. Den Klimawandel als Problem kollektiven Handelns zu verstehen hilft allerdings, bisheriges Handeln besser zu verstehen und Handlungsoptionen zu entwickeln, die das Problem effektiv bekämpfen.
Was das für uns heißt
Vieles, was heute schon gegen den Klimawandel getan wird, entspringt direkt oder implizit der Forschung zu kollektivem Handeln. Das am häufigsten angewandte Mittel, um Probleme kollektiven Handelns zu lösen, ist die Verinnerlichung von Kosten. Ohne die Möglichkeit des „Trittbrettfahrens“ entsteht das Problem kollektiven Handelns nicht. Wenn das längere Fischen abgestraft wird, hat die Fischerin keinen Anreiz mehr, länger zu fischen. Dafür benötigt es aber in erster Linie oft die Zustimmung aller Gruppenmitglieder.
Damit Kooperation für den Klimaschutz überhaupt entstehen kann, braucht es ein gemeinsames Bewusstsein dafür, dass ein Problem besteht, dass nur von allen gemeinsames gelöst werden kann. Auf internationaler Ebene haben sich mit diesem Bewusstsein weltweit Staaten zum Beispiel im Pariser Klimaabkommen verbindlich für den Klimaschutz ausgesprochen. Allerdings gibt es keine wirkliche Möglichkeit zur Abstrafung der Nichteinhaltung der Vereinbarung. Das Trittbrettfahrerproblem ist hier also nur unzureichend gelöst. Staaten haben weiterhin einen Anreiz, genauso wie ihre Konkurrenten in der internationalen Wirtschaft, die Umwelt zu verschmutzen. Unternehmen siedeln aus Staaten mit stärkeren Klimaschutzmaßnahmen in Staaten mit schwächeren Maßnahmen um. Solange internationale Abkommen immer nur so stark sind wie das erste Mitglied, das mit einem Austritt droht, wird auf internationaler Ebene das Problem kollektiven Handelns bestehen bleiben. Dazu gesellen sich große ethische Fragen: Wie wird die internationale Staatengemeinschaft reagieren, wenn aufstrebende Länder sich industrialisieren und mehr CO2 ausstoßen?
Auf nationaler und lokaler Ebene lassen sich konkretere, umsetzbare Lösungswege realisieren. Bürger*innen können, insbesondere durch Wahlen, Druck auf politische Entscheidungsträger*innen ausüben und so auf politischer Ebene stärkeren Klimaschutz verankern. Gesetzliche Regelungen, die Klimafreundlichkeit belohnen und Umweltverschmutzung bestrafen, können auf nationaler und subnationaler Ebene das Trittbrettfahrerproblem lösen. Jede*r Einzelne kann auch ganz unabhängig von kollektivem Handeln gegen den Klimawandel vorgehen. Durch Konsumverhalten und Engagement für Klimaschutz können im Aggregat viele kleine Veränderungen einen Unterschied machen – wenn wir bereit sind, die Kosten für unser Handeln selbst zu tragen. Damit wir effektiv das Klima schützen braucht es beides: Institutionelle Regelungen und das Mitwirken des Individuums.
– Elias –
Das Beitragsbild ist von Kyle Glenn auf Unsplash.
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