Feministischer Kampftag – Teil 2

Demonstrieren und Proteste organisieren funktioniert auch unter Pandemiebedingungen. Hier gibt es einen Überblick, wie anfangs der Woche anlässlich des Frauenkampftages weltweit Menschen aktiv geworden sind, um sich für mehr Rechte und vor allem mehr Sicherheit für Frauen einzusetzen. Denn der Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit steht nicht still.

Mittel- und Südamerika

Bei Demonstrationen zum Weltfrauentag ist es in Lateinamerika vor allem um das Thema Gewalt gegen Frauen gegangen, um gegen den Anstieg von häuslicher Gewalt und Femiziden in der Pandemie zu kämpfen. Tausende von Frauen sind auf die Straße gegangen, oft in Lila gekleidet – einer traditionell von Frauenbewegungen genutzten Farbe – um zu demonstrieren. Die Wut über den Umgang der Regierung mit Gewalt gegen Frauen war deutlich zu spüren.

Besonders große Demonstrationen gab es in Santiago de Chile und der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. In Mexiko-Stadt wurde von der Regierung vor dem Präsidentenpalast ein großer Zaun aufgestellt, zu Absicherung gegenüber den erwarteten Demonstrationen am Weltfrauentag. Aktivist*innen hatten vor dem 8. März die Namen von ermordeten Frauen auf diesen Zaun geschrieben und ihn mit Blumen geschmückt, um auf die Femizide aufmerksam zu machen. Die rund 2.000 eingesetzten, Polizist*innen seien mit Gas, Feuerwerkskörpern und Brandsätzen angegriffen worden, teilte die Polizei mit. Unter den Angreifenden seien auch Männer gewesen, die die Demonstrantinnen unterwandert hätten. 62 Polizist*innen und 19 Zivilist*innen seien verletzt worden, insgesamt zehn Menschen hätten in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Der Präsident von Mexiko, López Obrador, steht unter anderem wegen seiner Unterstützung eines Gouverneurskandidaten, dem mehrere Frauen Vergewaltigung vorwerfen, in der Kritik.

Spanien

In der Region Madrid mussten alle öffentlichen Veranstaltungen zum Frauentag am 8. März ausfallen. Schuld daran ist der Regierungsdelegierte José Manuel Franco, der alle Aktionen aus gesundheitspolitischen Gründen untersagt hat, während seine Kolleg*innen in den restlichen Landesteilen Kundgebungen und Veranstaltungen sehr wohl genehmigten. Obwohl die Aktivist*innen von vornherein auf eine Großdemonstration verzichteten, wurden auch die geplanten, kleineren Kundgebungen am Wochenende vorher verboten.

Der 8. März wurde in Spanien zu einem Datum, das innig mit der Pandemie selbst verbunden ist. Denn am 8. März 2020 fand zuletzt eine Großdemonstration für Geschlechtergerechtigkeit statt. Damals rief Gleichstellungsministerin Irene Montero per Twitter dazu auf, gegen sexualisierte Gewalt zu demonstrieren: „Für die, die vor uns lebten, und die, die nach uns kommen.“ Mehr als 120.000 Menschen folgten damals dem Aufruf. Nur sechs Tage später verhängte Ministerpräsident Pedro Sánchez den Alarmzustand und schickte ganz Spanien in den strengsten Lockdown Europas. Am 12. März teilte Montero dann mit, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Sie stand bei der Demo in vorderster Reihe. Seither gilt vielen der 8. März 2020 als jener Tag, an dem die Corona-Pandemie in Spanien so richtig ins Rollen kam. Allerdings ist es nicht gerechtfertigt deswegen das Demonstrationsrecht an diesem Tag so massiv einzuschränken, während in den vergangenen Monaten Demonstrationen für bessere Arbeitsbedingungen beispielsweise stattfinden durften.

Auf Mallorca dagegen gab es ein vielfältiges Programm an Workshops, Kundgebungen und es wurde in Sencelles ein Wandbild zu Ehren von erfolgreichen Sportlerinnen von Mari Luz Miranda angefertigt. Auch in Barcelona gingen Tausende auf die Straßen, um zu demonstrieren.

Indien

In der Stadt Patna trafen sich mehr als tausend Sportler*innen zu einem Marathon, um für mehr Rechte für Frauen zu demonstrieren. Außerdem versuchen junge Start-Ups gegen den schlechten Ruf von Indiens Hauptstadt Neu-Delhi, eine der gefährlichsten Städte der Welt für Frauen zu sein, anzugehen. Beispielsweise das Start-Up Even Cargo, das nur Frauen für die Botendienste beschäftigt. Oder das Taxiunternehmen ‚Women with Wheels‘, das nur von Frauen geführt und nur von weiblichen Passagieren genutzt werden darf. Ziel ist es, den öffentlichen, bisher weitgehend männer-dominierten Raum frauenfreundlicher zu gestalten.

Frankreich

In Paris wurde von Aktivist*innen eine fünf Meter hohe aufblasbare „Gummi-Klitoris“ aufgestellt, um am Weltfrauentag an den „institutionellen sexuellen Analphabetismus“ erinnern. Dieser Begriff steht für die fehlerhafte Sexualerziehung, die jungen Mädchen erklärt, sie hätten „nichts“ zwischen ihren Beinen. Die Aktivist*innen sehen in dieser Unaufgeklärtheit über den eigenen Körper ein massives Problem, denn wo anscheinend nichts ist, kann auch nichts beschützt werden.

Außerdem haben 37 Organisationen zu einem landesweiten feministischen Streik aufgerufen, auch hier in Form von kleineren Kundgebungen unter dem Motto „Freiheit! Gleichheit! Schwesterlichkeit!“

Syrien

Auch in Qmischli, im von Kurden kontrollierten Gebiet im Nordosten Syriens, versammelten sich kurdische Frauen zu einer Kundgebung, um sich mit Gesang und Tänzen Gehör zu verschaffen und sich gegenseitig Mut zu machen.

Russland

In der Hauptstadt Moskau wurde am Vorabend des internationalen Feiertages ein Video des Verteidigungsministeriums veröffentlicht, das Militäroffiziere zeigt, die Tulpen an Frauen verteilen und ihnen gratulieren. In Russland ist der Weltfrauentag auch nicht irgendein Feiertag, sondern einer der wichtigsten und beliebtesten überhaupt. Er ist ein Nationalfeiertag, an dem die Arbeit ruht und Blumenhändler Hochkonjunktur haben. Die Frauen werden an diesem Tag von ihrer Familie und Freunden beschenkt, sie werden von ihren Männern bekocht und es wird auf sie angestoßen und getrunken. Die russischen Blumenhändler und Floristen erzielen an diesem Tag rund 70 Prozent ihres Jahresumsatzes.

Belgien

In Brüssel besetzten 50 Frauen, die durch die Pandemie ihre Jobs verloren, eine Kirche, um von der Regierung eigene Rechte einzufordern.

Deutschland

In Berlin gab es ebenfalls eine große Demonstration, um auf die anhaltenden Ungerechtigkeiten und Femizide aufmerksam zu machen.

USA

Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris erklärte in einer Videobotschaft, die Welt funktioniere für Frauen noch nicht, sonst wären die Nationen sicherer, stärker und wohlhabender.

Zum Schluss noch eine Netflix-Filmempfehlung: Moxie. Zeit zurück zu schlagen. In dem Film wird die Geschichte einer schüchternen Teenagerin erzählt, die ein anonymes Schulmagazin herausbringt, um damit dem Sexismus an der Schule den Kampf anzusagen.

 

– Ronja –

 


Das Beitragsbild ist von Mélodie Descoubes auf Unspalsh.

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