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75 Jahre Ende des Holocaust – Wie geht Erinnern heute?

Internationaler Gedenktag an die Opfer des Holocaust

75 Jahre ist es schon her: Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit. Der Gedenktag bezieht sich aber nicht nur auf die ehemaligen Insass*innen von Auschwitz. Er hält die 6 Millionen Juden und Jüdinnen in Ehren, die dem Holocaust (jüd. „Shoah“ für „Unheil“) zwischen 1933 und 1945 zum Opfer fielen. „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“, appellierte der damalige Bundespräsident Roman Herzog im Januar 1996. Damit machte er den 27. Januar zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, der 2005 von der UN auch zum internationalen Holocaust-Gedenktag gemacht wurde. 

Deutschlands Holocaust-Erziehung

In Deutschland veranstalten viele Städte und Gemeinden Ausstellungen, Lesungen und Bildungsprogramme, um die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das ist Teil der „Holocaust-Erziehung“, die nun seit mittlerweile rund 40 Jahren aktiv betrieben wird. Schon Adorno forderte eine „Erziehung nach Auschwitz„. Ihr Kern beinhaltet zum einen den Unterricht über die Shoah und zum anderen die Förderung von Empathie, also Mitgefühl und Reflektion. Die BRD gibt sich alle Mühe diesen Ansatz durchzuführen, doch scheint das nicht ganz gelingen zu wollen. Schließlich sitzt nur 75 Jahre nach Befreiung der KZ-Insass*innen eine rechtspopulistische Partei in unserer Regierung und der Antisemitismus breitet sich auch wieder aus. Wir scheinen die Lehren der Zeit vergessen zu haben, obwohl erst unsere Großeltern diese noch miterlebt haben. Mir drängt sich die Frage auf, wie eine Erinnerungskultur aussehen kann, die einerseits die Tragik an künftige Generationen weitervermittelt und andererseits keinen Zwang für Schuldgefühle als Beigeschmack hat?

Bild von Alessandra Barbieri auf Pixabay
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Überfütterung an Schulen

Teil der Holocaust-Erziehung ist, dass jede*r den Nationalsozialismus mindestens einmal im Geschichtsunterricht durchnimmt. Manchmal aber zusätzlich nochmal in Deutsch, Ethik oder Geschichte in der Oberstufe. Oft vermitteln uns Lehrer*innen, dass es unsere Vorfahren waren, die den Völkermord an den Juden und Jüdinnen begangen haben und dass wir als Deutsche immer noch eine gewisse Mitschuld tragen. Viele können  sich aber nicht mit dieser Täterrolle identifizieren und blocken ab. Zudem scheint die Thematik irgendwann so durchgekaut, dass wir nicht mehr darüber sprechen wollen. Leider ist das genau das Gegenteil des Gewünschten.

#WeRemember

Auch in den sozialen Netzwerken finden wir Holocaust-Erziehung. Unter dem Hashtag #WeRemember gedenken Nutzer*innen den Opfern der Shoah. Weltweit posten sie Fotos von sich und halten dabei ein Schild mit dem Satz „we remember“ hoch. Manchmal stehen persönliche Geschichten in der Beschreibung daneben. Die Nutzer*innen drücken damit ihre Solidarität und Betroffenheit aus. Angestoßen hat das der jüdische Weltkongress (WJC) mit dem Ziel, „diejenigen zu erreichen, die nicht viel über den Holocaust wissen oder die anfällig sein könnten für diejenigen, die ihn leugnen“. Nur ein weiterer Trend oder hilft ein gemeinsames Sich-Erinnern dabei antisemitische Gedanken aus den Köpfen zu verbannen?

#uploading_holocaust

Vielleicht können uns jüdische Menschen bei der Frage helfen, wie wir mit der Shoah umgehen sollten. Ich bin einem früheren Blogbeitrag gefolgt und habe mir das Webprojekt „#uploading_holocaust“ angesehen. Eigentlich wollte ich das Projekt nur zur Recherche nutzen, aber die Videoclips der jüdischen Jugendlichen haben mich gefangen. Mit einer Mischung aus Spaß und Ernsthaftigkeit erkunden sie ehemalige KZs und Gedenkstätten und vermitteln dabei das, was wir vermutlich alle während unserer Schulausflüge auch gespürt haben: Die Beklemmung des Ortes, die Unfassbarkeit der Geschehnisse, die uns traurig macht und die wir doch nicht ganz begreifen können. Aber letztendlich auch den Spaß an einer Exkursion mit Freunden, den wir wohl auch brauchen, um die Eindrücke zu bewältigen. In den Videos versuchen sich die Jugendlichen in die Lage der früheren Insass*innen hineinzuversetzen und ihr Leiden am eigenen Körper ein Stück weit nachzuempfinden. Vielleicht können die Nachfahren der Insass*innen eine Schlüsselfunktion in der Vermittlung von Mitgefühl übernehmen.

Neue Erinnerungskultur

Letztendlich kann keine „Holocaust-Erziehung“ eine Garantie gegen antisemitische Einstellungen bieten. Sie kann aber sehr wohl an die schrecklichen Zeiten damals erinnern und für die Gefahren des Antisemitismus heute sensibilisieren. Dafür braucht es Empathie, statt moralisierende Töne, die eher kontraproduktiv wirken und Distanz und Abwehrhaltung erzeugen. Gespräche mit Zeitzeugen sind bald leider nicht mehr möglich, daher müssen neue Konzepte ausprobiert werden, um zukünftigen Generationen die Lehren des Nationalsozialismus empathisch zu vermitteln.

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