03 Apr 2024 Eine weltoffene Gesellschaft braucht Demos – und mehr!
Dieser Text ist Teil der Reihe „Unser Blickpunkt“ des EPIZ Entwicklungspolitisches Informationszentrum Göttingen.
„Der 3. Februar war ein Flirt mit der eigenen Selbstwirksamkeit. Nun sind alle eingeladen, aus diesem Flirt eine dauerhafte Beziehung zu machen.“ So beschreibt Kai Schächtele von Brot für die Welt die Großdemonstrationen für Solidarität und gegen Hass und rechte Hetze Anfang des Jahres 2024.
Im Januar und Februar gingen Millionen Menschen in Deutschland gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Auch wenn diese Aktionen ein starkes Zeichen gegen die menschenverachtenden Pläne von AfD und Co gesetzt haben, darf es nicht nur bei einzelnen Protesten bleiben. Stattdessen brauchen wir eine langfristige Organisation von demokratischem Widerstand und eine tiefgehende Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut. Denn dieses zieht sich durch alle Milieus und politischen Strömungen und lässt sich auf der ganzen Welt finden.
Zwar war auch wieder der Slogan „Internationale Solidarität!“ äußerst präsent auf den Demos, in der Realität kommt davon aber wenig an. Dies verwundert, denn eigentlich lernen wir von klein auf viel zu gelebter Solidarität – zum Beispiel bei Festen wie Sankt Martin. An diesem Tag wird in Kindergärten und Schulen gerne die Geschichte vom Wohlstand- beziehungsweise Mantelteilen mit den Armen erzählt. In der Mehrheitsgesellschaft gilt trotzdem eher das Credo des Neoliberalismus: „Jeder ist des eigenen Glückes Schmied!“ Serge Palasie sprach daher vor kurzem bei einer Veranstaltung im kolonialismuskritischen Göttinger Stadtlabor von „ritualisierter Solidarität“.
Wie verzerrt das Selbstbild unserer Gesellschaft ist, zeigt die Wissenshaft: Studien zufolge hängen die eigenen Bildungschancen vor allem vom Vermögen und Bildungsstand der eigenen Eltern ab. Wenige der Profitierenden erkennen dies als unverdientes Privileg an. Solidarität bleibt dann häufig eine öffentlichkeitswirksame Geste. Daher wäre es wünschenswert, wenn dies mit den Demos in diesem Frühjahr nicht passiert: Um einen systemischen Wandel zu erreichen, müssen die Ursachen der Probleme in den Blick genommen und langfristiges Engagement gefördert werden. Mit Sensibilisierungen können wir beispielsweise daran arbeiten, koloniale Kontinuitäten aufzudecken und heutige rassistische Einstellungen wirksam zu kritisieren. Das sollte schon in der Schule beginnen, damit neue Generationen früh lernen, gegen Menschenfeindlichkeiten und für vielfältige Lebensrealitäten einzustehen. Passendes Material dafür findet sich zum Beispiel beim Eine Welt Netz NRW. Für Erwachsene gibt es dort unter anderem auch eine Ausstellung zum Ausleihen über das Thema Flucht/Migration und wie dieses ganzheitlich betrachtet werden kann. Auch Bildungsangebote des Antifaschistischen Bildungszentrums und Archivs Göttingen sowie Angebote des Stadtlabors können bei der Suche nach nachhaltigen Engagementwegen unterstützen.
Häufig ist es jedoch gar nicht so einfach, das neu Erlernte tatsächlich in Handeln umzusetzen. Diese Schwierigkeit wird auch „Mind-Behaviour-Gap“ genannt und erklärt das Problem, dass wir häufig wissen, was wir tun sollen, es aber trotzdem nicht machen. Um den Einstieg in den Aktivismus zu erleichtern, kann die aktive Mitgestaltung von Aktionen in Gruppen helfen. Schau(t) dazu doch gerne mal bei den Eine Welt-Regionalpromotor*innen bei Euch vor Ort vorbei!
Einen aktivistischen Frühling wünschen
Magdalena Gerste, Chris Herrwig und das EPIZ-Team
Beitragsbild: Foto von Christian Lue auf Unsplash
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