09 Apr. 2025 Die große weite undemokratische Welt – Teil II
Falls Ihr Teil I verpasst habt, hier geht’s zum Beitrag!
Die Welt ist nicht nur die EU und die USA!
Das menschliche Gehirn liebt es die Dinge einfach zu halten, die Welt überschaubar. Doch dieses Muster steht dem Verständnis von einer geeinten Weltgemeinschaft entgegen. Wusstet Ihr beispielsweise, dass die Bevölkerung Bangladeschs etwa 2-mal und Pakistans knapp 3-mal so groß ist wie die Deutschlands? Ich vor der Recherche für diesen Beitrag auch nicht. Das ist nur ein Beispiel unter vielen, das uns vor Augen hält, wie begrenzt unsere Sicht, unsere deutsche, europäische, westliche Perspektive, oft ist.
Eine Grafik sagt (manchmal) mehr als 1000 Worte
Auch wenn Zahlen und Grafiken manch einen eher abschrecken, sind sie doch eine gute Möglichkeit viele Informationen effizient zu transportieren. Was sagt uns die Grafik des v-dem Instituts? Abgebildet wird ein Index über die Art des politischen Systems; von 0 (geschlossene Autokratie – z. B. China) bis 3 (liberale Demokratie – z. B. Deutschland). Welche Aussagen lassen sich aus der Grafik ablesen? Zum einen, dass Europa der demokratischste Kontinent ist. Unsere Lebensrealität, dass wir in einer Demokratie leben und unsere Nachbarn Demokratien sind, ist also nicht mit der der restlichen Welt gleichzusetzen. Asien, Afrika und vor allem die MENA-Region (Mittlerer Osten und Nordafrika) schneiden besonders schlecht ab. Sprich, dort gibt es viele autoritäre Regime. Außerdem lassen sich gewisse Wellenbewegungen erkennen. Es scheint so, als ob es Zeiten gibt, in denen sich auf der gesamten Welt politische Systeme eher demokratisieren als zu anderen Zeiten. In der Politikwissenschaft wird dieses Phänomen unter dem Begriff „Demokratisierungswellen“ erforscht.
In einem anderen Teil der Reihe vielleicht mal mehr dazu, doch heute soll es endlich einmal konkret werden. Nicht „nur“ Theorie, sondern Länderbeispiele, die unser Verständnis von Autokratie mit Leben füllen.
¡Viva la revolución! – eingängiger Slogan, katastrophal für die kubanische Bevölkerung
Kuba, für viele vielleicht ein Sehnsuchtsort: Karibische Strände, Sonne und der unvergleichliche Charme, der von alten Autos und bunten Hausfassaden ausgeht. Doch was für uns auf Bildern paradiesisch aussieht, ist für die Bevölkerung näher an der Hölle als am Paradies. Das Land ist seit Mitte der 50er Jahre ein autokratisches System. Wahlen finden zwar statt, doch keinesfalls unter demokratischen Bedingungen. (Falls Ihr nicht mehr genau wisst, was das heißt, schaut doch nochmal beim ersten Beitrag der Reihe vorbei!)
Die Probleme Kubas
Die Kommunistische Partei Kubas kontrolliert das gesamte politische Leben. Medien dürfen nicht frei berichten, einer potenziellen Opposition werden alle Möglichkeiten genommen, sich zu formieren, das Justizsystem ist vollkommen unter der Kontrolle der Partei, etc. Der Zerfall der Sowjetunion bedeutete für die sozialistische Republik Kuba den wirtschaftlichen Ruin. Wichtige Handelspartner brachen weg. Die Nachwirkungen sind noch heute präsent: Grundnahrungsmittel müssen teuer importiert werden und sind für die Bevölkerung kaum erhältlich. Schattenstrukturen haben sich für Lebensmittel wie Brot oder Reis entwickelt. Das führt dazu, dass die Menschen hungern. 90 % der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Politische und soziale Rechte werden dem eigenen Volk verwehrt. Die Folge daraus: Die Menschen, die es sich leisten können, fliehen – zumeist in die USA. Falls Ihr euch tiefergehend über die Situation in Kuba informieren wollt, empfehle ich Euch den Bericht von Freedom House (Englisch) oder auf der Seite der Konrad Adenauer Stiftung (Deutsch).
Gibt es Hoffnung auf bessere Verhältnisse für die Bevölkerung Kubas?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Das Regime ist bereits seit Jahrzehnten unter verschiedenen Parteiführern an der Macht. Die wirtschaftliche Lage und die Prognosen sind miserabel. Systematisch werden Menschenrechte gebrochen. Klar ist, es bräuchte eine neue revolución. Eine, die demokratische Institutionen und Garantien mit sich bringt. Durch einen Systemwandel würde sehr wahrscheinlich auch der Zugang zur Weltwirtschaft wieder möglich sein, der aktuell durch die USA blockiert wird. Wirtschaftlicher Aufschwung und die Etablierung demokratischer Strukturen müssten Hand in Hand gehen. Alles in allem ist eine Demokratisierung aber zum aktuellen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Und, schmerzlicher Weise, ist auch eine Verbesserung der Lebensrealität der kubanischen Bevölkerung unwahrscheinlich.
Einer der wenigen verbliebenen Partner Kubas ist Venezuela; ein Land, in dem es ganz ähnlich zugeht, das aber doch auch einige Unterschiede aufweist, die es sich lohnt genauer zu betrachten:
Venezuela – einst die Vorzeigedemokratie des Kontinents, heute das Sorgenkind
Vielleicht habt Ihr in letzter Zeit auch mal in den Nachrichten von Venezuela gehört. Dort haben letzten Sommer (2024) nationale (Schein-)Wahlen stattgefunden. Angefangen bei einem keinesfalls freien oder fairen Wahlkampf, über viele Wahlrechtsverletzungen am Wahltag, hin zu einem gefälschten Ergebnis, hat es Nicolás Maduro, unrechtmäßiger Präsident Venezuelas, geschafft, sich an der Macht zu halten. In der Folge des offensichtlich manipulierten Wahlergebnisses erkennen einige Staaten, neben vielen lateinamerikanischen Ländern auch die USA, Edmundo González, den Herausforderer Maduros, als rechtmäßigen Präsidenten Venezuelas an. Er hat trotz der sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Opposition nach Schätzungen verschiedener Institute mit ca. 70 % die Wahl gewonnen. Die venezolanischen Gerichte, unter Kontrolle des autoritären Regimes, haben einen Haftbefehl gegen González erlassen, um ihm den Aufenthalt im Land zu verwehren. Aktuell lebt er im Exil in Madrid. Doch um dieses politische Drama in seiner Gänze verstehen zu können, ist es wichtig das Regime Venezuelas näher zu betrachten.
Von Alonso de Ojeda bis Nicolás Maduro – Eine kurze Geschichte Venezuelas
Nachdem Christoph Kolumbus 1492 auf den amerikanischen Kontinent gestoßen ist und ihn für die spanische Krone „entdeckt“ hat, begann die conquista – die militärische Eroberung des Kontinents. Alonso de Ojeda (1466–1515) war der Anführer der ersten Expedition unter europäischer Flagge auf das heutige Staatsgebiet Venezuelas. Die spanischen Könige gründeten die Provinz „Neu-Andalusien“, die den nördlichen Zipfel Südamerikas sowie Teile Mittelamerikas umfasste. Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich die Unabhängigkeit, maßgeblich durch den libertador (Befreier) Simón Bolívar erlangt. Neben Venezuela war er auch als tragende Figur bei den Unabhängigkeitsbestrebungen anderer lateinamerikanischer Länder beteiligt. Funfact zwischendurch: Bolivien leitet seinen Namen von Simón Bolívar ab. Er war eine sehr wichtige Person für den Kontinent und ist heute durch Statuen und Ähnliches noch immer gegenwärtig. Man könnte auch einen ganzen Blog über Simón Bolívar führen, doch an dieser Stelle soll es ja um das heutige Venezuela gehen.
Der Untergang einer Demokratie
Machen wir einen Zeitsprung in das Jahr 1989. Der venezolanischen Bevölkerung ging es in den Jahren davor im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Gesellschaften sehr gut. Die Einnahmen, die sich aus dem Ölverkommen generieren ließen, gestatteten es der Regierung große sozialpolitische Maßnahmen zu finanzieren. Doch die wirtschaftliche Prosperität hielt nicht ewig an. Das Finanzsystem brach schließlich zusammen, die Bevölkerung war unzufrieden, die vom Präsidenten angekündigten Sparmaßnahmen führten zu Protesten, die mit Hilfe des Militärs zurückgeschlagen wurden. Schätzungen gehen von 2000 zivilen Todesopfern aus; bis heute werden anonyme Massengräber gefunden, die auf dieses Ereignis zurückgehen. Die Jahre danach waren geprägt von Inflation, sinkender Staatshilfe, demokratischen Defiziten und in Folge immer größerer Unzufriedenheit unter der Bevölkerung. Hugo Chávez, der 1992 gleich zweimal versuchte durch einen Militärputsch an die Macht zu kommen, wurde 1998 schließlich zum legitimen Präsidenten Venezuelas gewählt. Sein Erfolg beruhte darauf, das „einfache Volk“ und die Mittelschicht für sich zu gewinnen.
Chávez baute den Staat schließlich Schritt für Schritt in eine Autokratie um. Leitlinie war und ist dabei die nach ihm benannte Ideologie chavismo. Diese beruft sich unter anderem auf den Befreier Südamerikas, Simón Bolívar (deshalb der kurze Exkurs in die Geschichte). Aber auch linke Denker wie Marx, Lenin, Fidel Castro oder Trotski dienen als Inspiration. Wirtschaftlich strebt die Ideologie eine Art Sozialismus an, außenpolitisch lehnt sie die Hegemonie der USA ab und stellt sich auf die Seite Chinas, Russlands und Nordkoreas. Hugo Chávez ist auch nach seinem Tod 2013 die prägende Figur in Venezuela. Nicolás Maduro ist auf Geheiß Chávez‘ Präsident geworden und hält sich seitdem gegen Proteste aus dem Inneren und Äußeren an der Macht. Maduro sieht sich in der Pflicht die Ideologie seines Vorgängers weiterzuführen.
Autokratie = Menschen leiden
Die Folgen dieser Herrschaft: Die Fluchtbewegung aus Venezuela heraus ist die zweitgrößte weltweit. Bis Ende 2023 haben 7,7 Millionen Menschen das Land verlassen, weil sie dort ihr Leben nicht mehr gestalten konnten. 80 % der Bevölkerung lebt in Armut.
Zusammengefasst: Das Land liegt wirtschaftlich wie politisch am Boden. Für eine genauere Analyse, was in Venezuela los ist, empfehle ich Euch auch hier den Bericht von Freedom House! Edmundo González gilt unter vielen als Hoffnungsträger, doch das strikte Regime unter Maduro lässt die Hoffnung auf einen Machtwechsel schwinden.
Das soll es für heute gewesen sein. Ich hoffe der Beitrag über Kuba und Venezuela hat Euch gefallen. Vielleicht habe ich Euch ja inspiriert, Euch noch weiter über die aktuelle Lage oder den historischen background der Länder zu informieren. Da gibt es noch sehr viel Spannendes zu entdecken! Und natürlich habe ich Einiges nur sehr verkürzt darstellen können.
In 2 Wochen erwartet Euch ein weiterer Teil der Reihe „Große weite undemokratische Welt“. Stay tuned!
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