22 Mrz 2019 Die Fratze des Pandas – Vorwürfe gegen den WWF
Seit Anfang März steht der WWF massiv unter Druck. Das Onlinemagazin Buzzfeed veröffentlichte die Ergebnisse einer großangelegten Recherche über die Praktiken der weltbekannten Naturschutzorganisation. Demnach arbeitet der WWF in Afrika und Asien mit paramilitärischen Einheiten zusammen und engagiert sie als Wildhüter. Diese Gruppen verüben laut den Journalist*innen Morde, foltern vermeintliche Wilddiebe und vergewaltigen Frauen. Alle diese Menschenrechtsverletzungen geschehen unter dem Deckmantel des Naturschutzes – sofern die Anschuldigungen Bestand haben.
Die Vorwürfe ließen einen bekannten Kritiker des WWF medial wieder in den Vordergrund treten. Wilfried Huismann wurde vom Spiegel zu den Enthüllungen befragt. Der Dokumentarfilmer, Autor und mehrfache Grimme-Preisträger erläutert in besagtem Interview die Tradition der Gewalt im WWF. Er befasste sich schon früher mit der Thematik und zeigte sich nicht überrascht. Frühere Arbeiten wie sein „Schwarzbuch WWF“ oder der Film „Der Pakt mit dem Panda“ bescherten ihm mehrjährige Gerichtsverhandlungen gegen den WWF.
Im Folgenden wollen wir seine Kritik am WWF zusammentragen. Sie bezieht sich nicht nur auf die aktuellen Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen, sondern auch auf das Greenwashing der naturzerstörenden Produktionsweise großer Konzerne.
Die rassistischen Wurzeln des WWF
Im Spiegel-Interview wirft Huismann Licht auf die Ursprünge der Naturschutzorganisation und erläutert dabei Fakten, die wohl den Wenigsten bewusst waren. So wurde die weltbekannte Naturschutzorganisation in den 60er Jahren von Großwildjägern und Adeligen mitbegründet, die in Afrika ihre Jagdreviere hatten. Diese Jagdreviere wurden nach der Entkolonialisierung als Nationalparks bezeichnet. Der WWF richtete diese Gebiete ein und verwaltete sie. Laut Huismann behielten sie aber den Charakter post-kolonialer Besitzungen. Führende Köpfe des WWF waren beispielsweise Prinz Phillip aus Großbritannien und Prinz Bernhard aus den Niederlanden.
Unter dem Vorwand, die Tiere in den Nationalparks vor Wilddieben zu schützen, engagierte der WWF eine Söldnerfirma namens KAS. Die Bewaffneten hatten den Auftrag, Wilddiebe zu jagen und zu töten. Den Aussagen Huismanns zufolge gingen sie so weit, aus Hubschraubern auf vermeintliche Wilderer zu schießen.
Als weitere Gefahrenquelle für die Natur wurden die Indigenen betrachtet, die in den zu schützenden Gebieten lebten. Sie wurden zu großer Zahl vertrieben. Huismann nennt als konkretes Beispiel die Pygmäen, die der WWF in Uganda aus den Wäldern vertrieben hat, weil sie angeblich den Gorillas schadeten. Die weiblichen Mitglieder der indigenen Gruppen seien im Rahmen der Vertreibung in großer Zahl von den Söldnern des WWF vergewaltigt worden.
Anhand dieser Beispiele zeigt Huismann auf, dass das Naturschutzmodell des WWF in den Anfängen rassistisch war. Die neuesten Anschuldigungen fügen sich gut in dieses Bild und scheinen vor diesem Hintergrund nicht mehr so unglaublich zu sein. Trotzdem bietet die Geschichte des WWF keinen Beweis dafür, dass auch die aktuellen Vorwürfe wahr sind. Der WWF hat zugesichert, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und alles aufzuklären.
Greenwashing statt Naturschutz
Verglichen mit den Vergehen, die bisher aufgeführt wurden, scheint die folgende Kritik fast unbedeutend zu sein. Allerdings soll auch die Siegel-Vergabe des WWF angesprochen werden. Die Organisation ist dafür bekannt, an Nachhaltigkeits- und Bio-Siegeln mitzuwirken. Egal ob Holz, Fisch, Palmöl- oder Sojaprodukte – überall finden sich Zertifizierungen, die sich unter anderem auf den WWF berufen. Wer glaubt, beim Kauf eines von WWF zertifizierten Produktes die Natur zu schützen, könnte sich allerdings täuschen.
Wilfried Huismann befasste sich mit den Siegeln des WWF und kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Er erläutert in einem Interview, wie sie zustande kommen und was sie konkret für die Herstellung bedeuten: nichts. Denn alle Siegel basieren auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen. Es erfolgt keine unabhängige Kontrolle. Auch Verstöße gegen selbsterwählte Auflagen werden nicht geahndet. Erstellt der WWF Siegel, sitzen Vertreter*innen der umweltzerstörenden Unternehmen mit am Tisch. Zusätzlich werden sie zu Projektpartnern der Naturschutzorganisation, wenn sie ein bestimmtes Projekt mitfinanzieren. Auf den entsprechenden Produkten findet sich dann das Bild des Pandas und die Herstellungsweise ist damit legitimiert.
Das Geschäftsmodell des WWF auf internationaler Ebene beruht in den Augen Huismanns auf der Zusammenarbeit mit großen Konzernen, die ihr Image grün färben möchten. Die Naturschutzorganisation dient somit dazu, umweltzerstörende Herstellungsweise großer Konzerne zu legitimieren. Beispielsweise holzen Unternehmen große Flächen an Regenwald ab, um nachhaltig Palmöl anbauen zu können. Dieses Palmöl ist dann WWF-zertifiziert.
Huismann kritisiert in dem Interview ebenfalls die Haltung des WWF gegenüber zukünftigen, weltweiten Ernährungsproblemen. So sehe der WWF die Lösung dieser Probleme allein bei großen Agrar-Konzernen wie Monsanto. Nur sie könnten billig genug produzieren, um die Weltbevölkerung zu ernähren, und verfügten außerdem über die Logistik, die Waren weltweit zugänglich zu machen. Damit stellt sich der WWF gegen die regionale Versorgung durch Kleinbauern.
Viele Leser*innen mag das irritieren. Tatsächlich scheint es nicht mit dem Eindruck übereinzustimmen, den man bisher vom WWF hatte. Huismann erklärt diesen Widerspruch dadurch, dass es im WWF durchaus sehr positive und engagierte Menschen an der Basis gibt, die für den Naturschutz einstehen. Der WWF habe zwei Gesichter und das hässliche würde er nur dem Globalen Süden zukehren.
Eine Stellungnahme des WWF zu den Vorwürfen findet ihr hier. Im April soll ein erster Zwischenbericht des vom WWF beauftragten Menschrenrechtsbetraters vorliegen – wir werden berichten!
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