Mit Demut Macht umverteilen – global und lokal

Dieser Text ist Teil der Reihe „Unser Blickpunkt“ des EPIZ Entwicklungspolitisches Informationszentrum Göttingen.


„Liebevolle Demut ist eine gewaltige Macht, die stärkste von allen, und es gibt keine andere, die ihr gleichkäme.“ – Dies schreibt Dostojewski in seinem Roman „Die Brüder Karamasow“.

Im Bericht Shifting Power von VENRO werden dekoloniale Bemühungen von Organisationen in der „Eine Welt-Arbeit“ vorgestellt. Dekolonisierung bedeutet unter anderem, Verantwortung für die Folgen des Kolonialismus zu übernehmen: Am 7. April wird beispielsweise jedes Jahr des Völkermords in Ruanda gedacht, dessen Ursachen auch in der Kolonisierung der Region durch Deutschland liegen.

Bericht „Shifting Power“ von VENRO

Bei der Dekolonisierung von Organisationen geht es exemplarisch um die Verlagerung der Projektplanung und Entscheidungsfindung von Deutschland in die südlichen Partnerländer, die Vermittlung von Fachkräften aus dem Globalen Süden in das „Entwicklungsland Deutschland“ oder die Aufarbeitung vereinsinterner Rassismen: Ansätze zur Dekolonisierung gibt es also reichlich. Selten geht es aber um eine ganzheitliche Transformation von Strukturen und Haltungen. Allzu oft muss die Frage gestellt werden: Sind die Bemühungen „Lippenbekenntnisse oder wirkliche Praxis?

Dabei ist klar: Die Forderung einer „Entwicklung“ des Globalen Südens nach westlichem Vorbild würde nicht nur in kolonialen Denkmustern verharren, sondern hätte auch verheerende Auswirkungen auf unseren Planeten: Wenn alle Menschen der Welt leben würden wie in Deutschland, wäre in diesem Jahr am 4. Mai der Erdüberlastungstag erreicht. Das bedeutet, dass an diesem Tag alle Ressourcen verbraucht waren, die der Weltbevölkerung für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen.

Wir müssen „Entwicklung“ also neu denken, alternative Ansätze zulassen und dem Widerstand gegen Kolonialismus und seinen Folgen Aufmerksamkeit schenken: Dass aktuell viel über Dekolonisierung diskutiert wird, ist dabei insbesondere dem langjährigen Aktivismus durch Betroffene und den Selbstorganisationen Schwarzer Menschen zu verdanken. Mit Blick auf deren Arbeiten sowie den VENRO-Report wird klar, dass Dekolonisierung überall ansetzen muss: Im Globalen Norden wie im Süden, in bürokratischen Prozessen der Bundesministerien in Berlin wie in der „Eine Welt-Arbeit“ vor Ort.

Dazu brauch es – neben vielem Anderen – Selbstkritik und Demut. Diesem Thema ist eine der Skulpturen gewidmet, die im Rahmen des Projekts „Sustainable Jetzt“ des EPIZ Göttingen entstanden ist. Sie ist aktuell mit vielen weiteren bei der Landesgartenschau in Bad Gandersheim (LAGA) zu sehen.

Demutbank des EPIZ Göttingen

Eine erkenntnisreiche Zeit, vielleicht mit der Lektüre von  „Die Brüder Karamasow“, wünschen

Annika Bucher, Chris Herrwig und das EPIZ-Team

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