Der Wald von Morgen

Der Klimawandel macht unseren Wäldern zu schaffen. Andauernde Trockenheit und ständige Hitzewellen sorgen für teils steppenhafte Flächen, etwa im Harz. Doch Wälder haben sich  in Deutschland schon immer verändert – der Wald wie wir ihn heute kennen ist wohl nur eine Momentaufnahme eines ständig fortlaufenden Prozesses.

Einmal nicht mehr durch tiefgrüne Wälder laufen zu können und dabei den Geruch von Kiefern und Tannen in der kühlen Luft einzuatmen – ein Horror. Dass dieser schöne Ort im Sterben zu liegen scheint, bereitet mir Kopfschmerzen. Denn Wald ist doch so viel mehr als die Produktion von Holz. Wald ist Erholung und ein Anknüpfpunkt zum Ursprung. In unserer Schnelllebigkeit bietet der Wald für mich wie sicher für viele Menschen Ruhe und Entspannung, einen Ort, an dem wir Menschen ganz klein sind im Anbetracht der teils mehrere hundert Jahre alten Giganten. Das erdet und schenkt Demut.

Ein immerwährender Wandel

Wälder haben sich in Deutschland und überall schon immer verändert – ca. 11000 v. Chr. war die Landschaft geprägt von  Birken, Weiden und Kiefern, die sich in der nacheiszeitlichen Steppe wohlfühlten.  Zwischen 8000 und 4000 v. Chr. schufen wärmere Temperaturen, durchschnittlich 2–3°C mehr als heute,  wärmeliebenden Eichenmischwäldern ideale Bedingungen. In der folgenden Abkühlung konnten sich spätestens ab 1000 v. Chr. Rot-Buchen, Hainbuchen und auch Weiß-Tannen durchsetzen. 

Ich versuche damit nicht,  irgendwelche hinkenden Vergleiche zum Klimawandel anzustellen, keineswegs. Dass der Klimawandel in seinem aktuellen Tempo eine Bedrohung darstellt, steht außer Frage. Die Neuaufstellung der Wälder erfolgte zuvor über Jahrtausende – eine ganz andere Situation als heute. Wenn wir heute auf eine natürliche Reaktion warten würden, würde sich der Wald erst in ein paar Jahrhunderten an wechselnde Temperaturen und Veränderungen in Niederschlag und Trockenheit anpassen. Dennoch ist es beruhigend zu sehen, dass der Wald schon vor der Industrialisierung in der Lage war, sich anzupassen.

Fichten – bald ausgestorben?

Werner Eckert, SWR-Umweltexperte, sagt, dass vor allem Fichten in Deutschland betroffen sind. Von ihnen sterben pro Jahr drei bis vier Prozent ab. Das Thünen-Institut gibt sogar an, dass 80 Prozent der Fichten in den kommenden Jahren absterben werden. Auch Buchen und Eichen sind betroffen und damit die drei wichtigsten Baumarten Deutschlands. Der Waldumbau könne laut Thünen-Institut bis zu 43 Milliarden Euro kosten, denn ein Viertel der Waldflächen müssten neu bepflanzt werden.

Wir haben nicht nur den Klimawandel selbst beschleunigt durch unsere Lebensweise, sondern haben auch dafür gesorgt, dass unser Wald besonders empfindlich gegenüber Hitze und Dürre ist. Denn die überwiegende Anzahl von Wirtschaftswäldern in Deutschland ist eben auf Wirtschaftlichkeit hin aufgestellt – ganz vorn dabei mit Fichten-Monokulturen, ein Baum, der nach dem zweiten Weltkrieg vielversprechend durch schnellen Wuchs war, nun aber dahingerafft wird. Ganz Landstriche wurden kahl. Eine vorgeschwächte Fichte bietet ideale Bedingungen für den Borkenkäfer, der ihr dann den Todesstoß verpasst. Besonders in Deutschlands größtem Mittelgebirge, dem Harz, sind die Schäden allgegenwärtig.

Müssen wir eingreifen oder sollten wir die Natur (endlich mal) sich selbst überlassen?

Erstmal klingt es logisch, dass wir das selbstgeschaffene Problem nun auch selbst lösen sollten und folglich dem Wald helfen müssen. Denn ein Großteil unserer Wälder wird bewirtschaftet und somit sowieso permanent menschlichen Entscheidungen ausgesetzt. Unklar ist jedoch immer noch, wie sich der Klimawandel in 20, 40 oder 80 Jahren hierzulande exakt auswirkt. Möglicherweise gibt es Parameter, von denen wir noch nichts wissen. Vielleicht werden sich neue Probleme einstellen, vielleicht aber auch Lösungen finden, die wir grade noch nicht bedacht haben.

Forschende des Thünen-Instituts untersuchen, welche Baumarten sich natürlich gut vermehren und bei welchen sich ein Nachhelfen durch den Menschen durchaus lohnen kann. Unter der dicht belaubten Buche etwa hat es der Nachwuchs schwer, genug Sonnenlicht zum Wachsen zu finden. Und natürlich scheint es auch wenig sinnvoll, wenn sich wenig resistente Baumarten weiter im Wald durchsetzen und so weiter in Quantität dominieren.  Tanja Sanders vom TI plädiert dafür, nun möglichst viele Baumarten hinsichtlich ihrer Resilienz gegenüber Hitze und Trockenheit zu untersuchen. Auch welche, die nicht hier, sondern in wärmeren Gebieten vorkommen. Sie sagt, dass schnelles Handeln gefragt sei.

Pierre Ibisch, Professor für Wald-Biologie an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, sieht es etwas anders. Er meint, bevor wir Unmengen an Geld in Setzlinge investieren, die in einigen Jahren Bedingungen standhalten sollen, die wir noch nicht ganz einschätzen können, sollten wir uns um die noch bestehenden Bäume kümmern. Wir sollten die Böden pflegen, denn sie sind maßgeblich in ihrer Zusammensetzung dafür verantwortlich, wie viel Wasser und Nährstoffe gespeichert werden können. Baumarten aus anderen Regionen in unserem Wald anzusiedeln, hält er für keine gute Idee. Man greife in ein bestehendes Gefüge ein und könne möglicherweise invasive Arten in unser Ökosystem bringen, die hier mehr schaden als helfen würden.

Assisted Migration im Harz

Der Harz ist mittlerweile aufgeforstet: Mit heimischen wie nichtheimischen Arten. Etwa eine Millionen Bäume wurden gepflanzt, einige Arten stammen aus Gebieten, in denen es trockener und wärmer ist als bei uns. Dieser Prozess nennt sich „assisted migration“ und ist nicht unumstritten, denn welchen Einfluss diese Arten auf das Ökosystem dauerhaft nehmen, wird die Zeit zeigen.

In jedem Fall wird sich erst in etwa 100 Jahren herausstellen, was unser jetziges Handeln ausgelöst hat. Unsere Enkel werden den Wald erfahren können den wir heute säen – somit verkörpert für mich diese Debatte wohl den Grundgedanken von Nachhaltigkeit.


-Marie-

Foto von Sergei A auf Unsplash

No Comments

Post A Comment