Wie steht es um die weltweite Pressefreiheit?

Einmal jährlich veröffentlicht Reporter ohne Grenzen e.V. eine Rangliste der Pressefreiheit. Darin werden 180 Länder hinsichtlich der Lage ihrer Presse- und Informationsfreiheit gerankt. Im Laufe des letzten Jahres hat sich auch Deutschland verschlechtert. Das Land ist nach den vielen Übergriffen auf Journalisten bei Corona-Demonstrationen nicht mehr in der Spitzengruppe und musste von „gut” auf „zufriedenstellend” herabgestuft werden. Spitzenreiter ist weiterhin Norwegen, Schlusslichter China, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.

Die Methode der Rangliste

Grundlage der Rangliste von Reporter ohne Grenzen ist ein Fragebogen bezüglich unabhängiger Presse- und Informationsfreiheit, der an zahlreiche Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Jurist*innen verschickt wird. Insgesamt gibt es 71 qualitative Fragen, die in sechs Kategorien eingeteilt sind: Medienvielfalt, Unabhängigkeit der Medien, journalistisches Arbeitsumfeld und Selbstzensur, rechtliche Rahmenbedingungen, institutionelle Transparenz sowie Produktionsinfrastruktur. Aus den Antworten leitet sich dann eine Punktzahl zwischen 0 und 100 ab, wobei 0 optimal und 100 schlechtmöglichst bedeutet. Zusätzlich gibt es noch eine Kategorie, die Gewalttaten und Übergriffe gegen Journalist*innen evaluiert und von Reporter ohne Grenzen ermittelt wird. Aus den höheren Punktzahlen dieser beiden Werte ermittelt sich im Verhältnis zu den anderen Ländern der Rang. So kann die Punktzahl der Übergriffe den Rang verschlechtern, aber nie verbessern. Allgemein lässt sich also sagen: Je niedriger die Gesamtpunktzahl eines Landes, desto besser steht es um die Pressefreiheit.

Wo stehen die Länder innerhalb der Rangliste?

Spitzenreiter ist wie bereits im vorigen Jahr Norwegen mit einem Wert von 6,72. Finnland, Schweden, Dänemark und Costa Rica folgen und bilden so gemeinsam die Top 5 weltweit. Deutschland ist auf Rang 13 zu finden und verschlechtert sich so um zwei Ränge im Vergleich zu 2020. Was viele überraschen mag ist, dass viele Länder des Globalen Südens (beispielsweise Ghana, Südafrika oder Botswana) noch vor mächtigen Ländern des Globalen Nordens wie den USA auftauchen, die nur Platz 44 belegen. China ist mit 78,72 Punkten auf Platz 177 zu finden, nur Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea weisen eine noch schlechtere Punktzahl auf.

Wie steht es um die Pressefreiheit in Deutschland

Hauptgrund für die Herabstufung Deutschlands innerhalb der Rangliste ist die Häufung der Übergriffe auf Journalist*innen auf Demonstrationen. Im Vergleich zum Jahr 2019 hat sich die Zahl der Übergriffe verfünffacht, von einer hohen Dunkelziffer wird ausgegangen. „Journalisten wurden geschlagen, getreten und zu Boden gestoßen, sie wurden bespuckt und bedrängt, beleidigt, bedroht und an der Arbeit gehindert. Mehr als drei Viertel aller körperlichen Angriffe ereigneten sich auf oder am Rande von Demonstrationen, darunter neben den Corona-Protesten zum Beispiel auch auf Demos gegen das Verbot der linken Internetplattform linksunten.indymedia.org und auf Demos zum 1. Mai“, erklärt Reporter ohne Grenzen. Die Gewalt ging von Demonstrierenden oder auch der Polizei aus. Als einen der brutalsten Angriffe erklärt RSF den gezielten Übergriff einer Gruppe vermummter Personen auf das Kamerateam der ZDF heute show. Nach Angaben der Polizei haben die Angreifenden auf das Team eingeschlagen und eingetreten, teilweise auch mit Metallstangen. Laut ZDF mussten sechs Teammitglieder im Krankenhaus behandelt werden.

Warum Presse- und Informationsfreiheit essentiell sind

Gerade im Zuge der Corona-Pandemie erreichen Desinformationen und Verschwörungstheorien zunehmend mehr Menschen. Genau deshalb ist ein unabhängiger Journalismus essentiell, um gegen die sogenannte Desinformations-Pandemie vorzugehen. Wenn sogar die mächtigsten Menschen eines Landes wie der damalige US-Präsident Donald Trump oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro Falschinformationen über wirkungslose oder sogar gefährliche Mittel gegen das Virus propagieren, macht sich einmal mehr bemerkbar, wie wichtig unabhängige Berichterstattung ist.

Doch nicht nur die Pandemie hat zu Unterdrückung von Journalist*innen geführt. Im Rahmen der Berichterstattung über die Präsidentschaftswahlen in Belarus wurden zeitweise mehr als 400 Medienschaffende verhaftet. Im Iran wurde 2020 der Journalist Ruhollah Sam exekutiert, was die erste staatliche Hinrichtung eines Medienschaffenden seit 30 Jahren beziffert. In 73 von 180 Ländern wird unabhängiger Journalismus weitgehend oder vollkommen verhindert. Auf einer Karte von RFD sind diese Länder in schwarz oder rot markiert.

Um unabhängigen Journalismus und Pressefreiheit wieder zu einem allgemein akzeptierten Gut werden zu lassen, muss bereits in der Schule Medienkompetenz unterrichtet werden. Ziel der Medienkompetenz ist es, dass ein kritischer, differenzierter und verantwortungsvoller Umgang mit Medien erreicht wird – wohl besonders wichtig im heutigen Zeitalter, in dem es zunehmend schwerer fällt, Desinformationen von wahren Fakten zu unterscheiden. Dabei müssen vor allem zentrale Fragen geklärt werden: Wie kann ich guten und schlechten Journalismus unterscheiden? Warum ist unabhängige Berichterstattung überhaupt wichtig? Wie ist es, in einem Land zu leben, in dem die Pressefreiheit massiv eingeschränkt ist? Warum ist es so wichtig, für den Schutz dieser einzustehen? Nur wenn diese Fragen gestellt werden und wir uns alle umfangreich mit dem Thema Medienkompetenz befassen, können wir Medienschaffende unterstützen und die Pressefreiheit wahren.

-Leah-


Das Bild stammt von The Climate Reality Project auf Unsplash.com.

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