26 März 2025 Die große weite undemokratische Welt
Diktaturen, Unterdrückung, Verletzung der Menschenrechte
Hören wir diese Schlagworte, kommen uns vielleicht Länder wie Nordkorea, Russland, Afghanistan oder der Iran in den Kopf. Politische Systeme, in denen die Bevölkerung nicht frei leben kann; unter einem Regime leidet, das sich nicht an die grundlegenden Konventionen der Staatengemeinschaft hält. Doch neben den Ländern, bei denen die meisten wissen, dass dort ein totalitäres Regime herrscht, gibt es noch solche, die wir nicht im Blick haben. Länder, über die wenig berichtet wird, weil sie klein oder weit weg sind oder weil die Lage dort anhaltend so schlecht ist, dass sie vermeintlich keinen Nachrichtenwert mehr in sich trägt.
Wie geht es beispielsweise den Menschen in Libyen oder in Kamerun? Wie steht es um die Einhaltung der Menschenrechte in Kuba, Venezuela oder in Nicaragua? Wie frei lebt es sich in Myanmar oder in China? Und sind Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit in Europa eigentlich schon immer gegeben?
Manche Länder sind uns entweder kaum ein Begriff oder wir haben nur ein sehr begrenztes Wissen über sie. In den kommenden Wochen erwarten Euch unter dem Titel „Die große weite unfreie Welt“ Beiträge, die sich verschiedener Länder annehmen, in denen eine prekäre Menschenrechtslage herrscht, über die aber die meisten von uns wenig wissen. Außerdem soll es darum gehen, dass Menschenrechtsverletzungen auch bei uns in Europa in der jüngeren Vergangenheit in großem Maße stattgefunden haben und teilweise auch heute noch immer stattfinden. Die Schwerpunkte werden von Beitrag zu Beitrag andere sein, so wie die Lage in jedem Land eine andere ist.
Heute zunächst ein Beitrag zu grundlegenden Themen und Fragen: Was ist Demokratie? Wie genau hängen die Menschenrechte und die Demokratie zusammen? Wer entscheidet, welches Land eine Demokratie ist und welches nicht?
Freut Euch auf den heutigen und die kommenden Beiträge!
Demokratie (vs. Diktatur/Autokratie) – was bedeutet das eigentlich konkret
Totalitäre Regime, Diktaturen, Autokratien – alles Begriffe, die mehr oder weniger das Gleiche beschreiben, aber in ihren jeweiligen Ausprägungen doch sehr anders aussehen können. Doch es gibt ein einendes Element: die Abwesenheit von Demokratie. Deswegen eine kurze Auffrischung zur Demokratie:
„Die Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, ausgenommen aller anderen.“
(Winston Churchill)
Das Zitat des ehemaligen britischen Premierministers verdeutlicht: Demokratie ist nicht perfekt, aber sie ist besser als alles andere was die Menschheit bisher gesehen hat.
Vielleicht ist Euch aus der Schule noch die Herleitung des Begriffs „Demokratie“ bekannt. Gemäß seines griechischen Ursprungs bedeutet das Wort übersetzt „die Herrschaft des Volkes“. Das antike Griechenland wird oft als die Wiege der Demokratie bezeichnet. Doch auch wenn der Begriff und die Grundidee bereits damals entstanden sind, muss man betonen, dass Demokratie back then und heute nicht mehr wirklich viel gemeinsam haben. Damals wurde unter „dem Volk“ nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung verstanden. Zugewanderte, Unfreie und Frauen gehörten nicht dazu. Somit war ein wesentlicher Grundstein unseres heutigen Verständnisses von Demokratie damals nicht gegeben: Demokratie ist für alle da! Unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Einkommen soll es allen Bürgerinnen und Bürgern möglich sein, zu wählen und sich wählen zu lassen. Demokratie lebt von der Partizipation und der Voraussetzung, dass alle partizipieren können. (Hier findet Ihr einen Überblick über Geschichte der Demokratie)
Wahlen, Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit – Demokratie ausformuliert
Die Wahl ist das zentrale Element unserer heutigen Demokratie. Alle Staatsbürgerinnen und -bürger werden regelmäßig dazu aufgerufen ihre Stimme hörbar zu machen. Doch Wahlen sind nicht gleich Wahlen. In fast allen Ländern der Welt wird von Zeit zu Zeit mal gewählt. Wahlen machen ein Land nicht gleich zu einer Demokratie. Im Grundgesetz sind folgende Wahlrechtsgrundsätze formuliert: allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. (Mehr dazu findet Ihr z. B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung). Wenn diese Grundsätze nicht gegeben sind, lässt sich nicht mehr von einer Demokratie sprechen, bzw. ist die Qualität der Demokratie angegriffen.
Neben der Qualität der Wahlen kommt es aber auch noch auf andere Dinge an: Die Rechtsstaatlichkeit ist ein zentraler Aspekt. Unabhängige Gerichte, die das Regieren stets kritisch überprüfen und ggf. auch beschränken und sanktionieren können. Eine ähnliche Funktion erfüllt auf anderem Wege auch eine freie Presse, die die Bevölkerung über das Geschehen unabhängig informiert und wesentlich zur Meinungsbildung beiträgt.
Weiter soll die Definition von Demokratie an dieser Stelle nicht gehen. Ich denke, Ihr habt einen Eindruck bekommen, dass es um viel mehr geht, als „nur“ Wahlen stattfinden zu lassen.
Demokratie und Menschenrechte
Ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie ist der Schutz von Menschenrechten, gerade auch von Menschen, die Minderheiten angehören. Die Demokratie verpflichtet sich dazu, unabhängig von Mehrheitsverhältnissen, die nach Wahlen entstehen, die unveräußerlichen Rechte, die jeder Mensch, ob Staatsbürger*in oder nicht, hat, zu bewahren. So wird eine sogenannte „Tyrannei der Mehrheit“ verhindert. Eine Demokratie, in der die Menschenrechte nicht eingehalten werden, ist folglich nicht mehr uneingeschränkt als Demokratie zu bezeichnen.
Demokratie? – Ich dachte es geht hier um Diktaturen und unfreie Länder…
Ob ein Land eine Demokratie oder eine Autokratie (gleichbedeutend mit Diktatur) ist, entscheidet man am besten nicht mit strikten Festlegungen. Unsere Welt ist kompliziert und es lässt sich nicht immer klar ein Urteil über etwas fällen. So ist es auch bei Regierungsformen. Deswegen werden verschiedene Aspekte eines politischen Systems betrachtet und beurteilt, ob dieser Aspekt einem demokratischen System zuzuordnen ist oder nicht. Das grundlegende Verständnis von Demokratie ist dabei unerlässlich, um zu verstehen was eine Autokratie, sprich keine Demokratie, ausmacht. Deswegen kommt man um die Demokratie nicht herum, egal welches politische System man sich anschaut.
Institute wie Freedom House oder Varieties of Democracy haben sich das Ziel gesetzt, Regierungsformen in Ländern zu bewerten und verständlich aufzubereiten. Dort könnt ihr Euch gerne mal informieren! In den folgenden Beiträgen wird immer wieder mal auf Informationen von diesen Instituten verwiesen.
Genug der Theorie und genug für heute. In den kommenden Wochen findet Ihr hier auf dem Blog Beiträge zu der Lage der Demokratie in Ländern. Was bedeutet es, wenn Menschenrechte nicht gewährt werden, welche Folgen hat eine Autokratie für die Bevölkerung und warum ist es wichtig, dass wir, die reichen demokratischen Länder, nicht wegschauen?
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