Mensch Westend / Straßenfest Blücherstraße / Wohngenossenschaft "Blü 17" und Cfaé Anderswo organisieren / Foto: Erdal Aslan

Wohnen für Hilfe und Wächterhäuser – alternative Wohnkonzepte sind gemeinschaftlich und solidarisch

Ein Leben in Gemeinschaft, das wünschen sich viele Menschen. Anstelle der Familie treten heutzutage oft Mitbewohner*innen. Auch finanzielle Gründe oder besondere Lebenslagen können Auslöser für die Entscheidung sein. Der Trend zu alternativen Wohnformen steigt und hat für jede*n was dabei.

Das Konzept von Wohngemeinschaften (WGs) ist wahrscheinlich allen bekannt: Zumeist junge Menschen, oft Studierende, beziehen zusammen eine Wohnung und teilen sich Küche, Bad und manchmal ein Wohnzimmer. Wie sich das Ganze im Detail gestaltet ist allen selbst überlassen: Von reiner Zweck-WG bis zu gemeinschaftlichem Wohnen ist alles dabei. Ob Putzplan, gemeinsames Essen oder nicht – die Mitbewohner*innen gestalten ihr Miteinander ganz individuell. Doch auch andere Formen des Wohnens werden immer gefragter.

Wohnen für Hilfe und Seniorenwohngemeinschaften

Schon etwas länger im Trend ist das Konzept Wohnen für Hilfe, wobei Studierende mit Senioren zusammenleben. Die Studierenden bezahlen dabei keine Miete, sondern helfen ihren älteren Mitbewohner*innen im Haushalt, Garten, beim Einkauf oder verbringen einfach Zeit mit ihnen. Dadurch wird dem Problem der hohen Mieten in Städten entgegengewirkt und ältere Menschen bekommen Unterstützung und Gesellschaft im Austausch.

Auch Senior*innen-WGs sind immer gefragter. In diesen Wohnkonzepten entscheiden sich ältere Menschen gemeinsam selbstbestimmt zu wohnen, statt sich in Altersheime einzuquartieren. Pflegepersonal kann bei Bedarf angeheuert werden. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich diese Art des gemeinschaftlichen Wohnens klar von den immer stärker automatisierten Mechanismen der Altersheime. Hier kann ähnlich wie beim klassischen WG-Modell die Form des Wohnens variieren, von Senior*innen-Hausgemeinschaft über Senior*innen-Wohngemeinschaft bis zu Pflege-Wohngemeinschaften, je nach Bedürfnis der Bewohner*innen.

Mehrgenerationenwohnen und Bildung für Wohnen

Zwei Modelle, die ebenfalls ein gegenseitig ergänzendes Miteinander bewirken, sind das Mehrgenerationenwohnen und das Konzept Bildung für Wohnen. Die Idee hinter dem ersten Modell ist das gegenseitige Voneinander-Lernen von Jung und Alt. So ist fast immer jemand zu Hause, um bei den Hausaufgaben oder andersrum mit den viel zu kleinen Bildschirmen der Handys zu helfen. Kinderbetreuung kann sinnstiftend sein für die älteren Bewohner*innen, während die jüngeren von den älteren lernen. Dieses Konzept ist im Übrigen auch interessant in Bezug auf Barrierefreiheit.

Auf das Modell Bildung für Wohnen bin ich über ein Pilotenprojekt in Duisburg gestoßen. Die Idee ist angelehnt an die des Wohnens für Hilfe. Studierenden wird Wohnraum kostenfrei zur Verfügung gestellt und im Austausch dafür erfüllen sie eine Patenfunktion. Sie betreuen Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozialen Brennpunkten bei ihren Hausaufgaben, Freizeit- oder Bildungsangeboten. Mittlerweile hat sich das Projekt sogar weiterentwickelt und bietet auch Bundesfreiwilligendienste sowohl in Duisburg als auch in Gelsenkirchen an.

Beginenhöfe

Ein gemeinschaftliches Wohnmodell nur für Frauen sind die Beginenhöfe. Dort leben Frauen in verschiedenen Lebenssituationen solidarisch und zugleich eigenständig miteinander. Ob verwitwet, geschieden, ledig oder getrennt lebend, lesbisch oder heterosexuell, mit oder ohne Kinder, die modernen Beginen sind sehr vielfältig. Auch Spiritualität und soziales oder politisches Engagement können in den verschiedenen Gemeinschaften eine Rolle spielen – oder eben nicht. Bei all den Variationen haben die Höfe den Versuch gemeinschaftlichen Lebens gemeinsam als Gegensatz zu unserer heutigen individualistischen und auf Konkurrenz ausgelegten Gesellschaft. Selbstbestimmung und Sicherheit der Frau steht im Kern des Leitbilds der Beginenhöfe. Inzwischen gibt es in Deutschland 16 der Höfe in unterschiedlichen Gesellschaftsformen.

Das Mietshäuser Syndikat

Die Idee des Mietshäuser-Syndikats ist es, für langfristig erschwingliche Mieten und gegen Wohnraumspekulationen vorzugehen. Menschen kaufen sich gemeinsam ein leerstehendes Haus, um so selbstbestimmt leben zu können – ohne Sorge irgendwann aus den eigenen vier Wänden vertrieben zu werden. Der Sinn des Syndikats ist dabei gegenseitige Unterstützung der autonomen Hausprojekte, Vernetzung und finanzieller Ausgleich zwischen alten und neuen Hausprojekten. Die Gemeinschaften sind in der Regel sehr solidarisch organisiert mit gemeinsamem Kochen, Entscheidungen und Miteinander.

Wächterhäuser

Leerstand als Potential, nicht als Problem – so sieht es der Verein Haushalten e.V.. Die Idee dahinter: Historische Gebäude vorm Leerstand retten und mit neuem Leben füllen. Ob als Wohnung oder Geschäft ist dabei ganz egal. Ebenfalls nebensächlich ist die Art des Gebäudes. So kann es auch sein, dass sich Wohngemeinschaften in alten Bürogebäuden neu gründen. Hauptsache ist bezahlbarer Wohnraum und Erhaltung von Gebäuden, die sonst einfach verfallen würden. So kommt auch die Bezeichnung der Bewohner*innen als „HausWächter“ zustande. Sie verpflichten sich dem „HausHalten“, übernehmen also kleine Reparaturen und halten das Haus instand. Dafür bekommen sie viel Wohnraum für wenig Geld – ganz ohne Mietzins. Eine legale Art der Hausbesetzung.

Ökodörfer

Auch für alle, die es mehr aufs Land zieht, habe ich natürlich etwas dabei: Ökodörfer. Diese sind sogar so beliebt, dass sich ein weltweites Netzwerk dazu gebildet hat. Ökodörfer orientieren sich an allen vier Dimensionen der Nachhaltigkeit: sozial, kulturell, ökologisch und ökonomisch. Die Bewohner*innen leben regenerative Kultur in bewusster Gemeinschaft. Meistens sind sie offen für Besucher*innen, da sie mit ihrer Lebensweise sowie eigenen Projekten und Workshops Nachhaltigkeit im Alltag begreifbar machen wollen. So auch das Ökodorf Sieben Linden, das durch eigenen Gemüseanbau und Werkstätte fast autark lebt.

Tiny Houses

Dir ist am Ende des Tages eher nach Stille als Trubel? Der Hype um Tiny Houses ist inzwischen auch in Europa angekommen. Minimalismus und Besinnung auf das Wesentliche sind die zugrundeliegenden Ideale des Modells. Wegen ihrer geringen Größe sind sie zum einen schnell gebaut, zum anderen kostengünstig im Vergleich zu gewöhnlichen Häusern. Oft werden sie auf Rädern gebaut und kommen so den normalerweise widersprüchlichen Bedürfnissen nach Mobilität und einem eigenen Dach über dem Kopf entgegen. Auch sind sie ökologisch wertvoll durch ihre Struktur und die Besitzer*innen leben oft bewusst nachhaltig oder sogar autark. Mittlerweile hat sich eine regelrechte Community um die Minihäuser gebildet mit Tipps zur Nachhaltigkeit, Tiny Houses-Dörfern oder Ferienhäusern.

Beitragsbild: Mensch Westend / Straßenfest Blücherstraße / Wohngenossenschaft „Blü 17“ und Cfaé Anderswo organisieren / Foto: Erdal Aslan

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